Dunkelflaute? Biogas kann die Hälfte der Stromlücke schließen!

Hermann Josef, Ulrike und Hermann Benning vor dem mit Graffiti gestalteten Behälter ihrer Biogasanlage in Reken-Hülsten.

Gülzow den 15. April 2025 - Bei der Energiewende geht es meist um Sonne und Wind – Biogasanlagen werden hier nur am Rande wahrgenommen. Dabei produzieren sie Strom und zudem Wärme flexibel und wetterunabhängig. Allein in Nordrhein-Westfalen gibt es rund 1.100 solcher Anlagen in der Landwirtschaft, die unstete andere erneuerbare Quellen wie Sonne und Wind ergänzen könnten. Bundesweit lassen sich laut Expertenschätzungen bis zu 50 Prozent des verbleibenden Strombedarfs durch Biogas decken. Auch die Politik hat das erkannt. Doch viele Anlagenbetreiber kämpfen noch mit rechtlichen Hürden – wie Familie Benning in Reken-Hülsten (Kreis Borken).


Auf dem Benninghof sind erneuerbare Energien heute die Leistungsträger. Schweine und Rinder machten ab dem Jahr 2000 zwei Windrädern und einer Biogasanlage Platz. Doch nun mussten die Bennings das älteste ihrer insgesamt fünf Blockheizkraftwerke (BHKW), die das Biogas in Strom und Wärme umwandeln, abschalten. Für das Aggregat, aufgestellt im Nachbarort Maria Veen, endete 2024 der 20-jährige Vergütungszeitraum gemäß Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG).

Kein Ersatz mehr für fossiles Erdgas

In der Folge sind die Wärmeabnehmer im Ort, darunter das Kloster und das Gymnasium, gezwungen, zur Wärmeversorgung wieder auf fossile Energie umzuschwenken – ca. 700 MWh Erdgas hatte die Biogaswärme zuvor jedes Jahr ersetzt. Auch die 1.300 MWh Biogasstrom, die das BHKW pro Jahr ins Netz einspeiste, gilt es nun zu ersetzen.

Soweit sollte es eigentlich nicht kommen, Bennings hatten sich deshalb 2023 an einer Ausschreibung der Bundesnetzagentur für eine Anschlussförderung beteiligt. Sie erhielten jedoch eine Absage. Damit sind sie nicht allein: Seit 2023 sind die Biogasausschreibungen überzeichnet, das Ausschreibungsvolumen war immer deutlich geringer bemessen als die Leistung der Anlagen, die aus dem EEG fallen. Auch bei der letzten Runde im Oktober 2024 gingen zwei Drittel der Bewerber leer aus. Damit entfallen nicht nur erneuerbare Wärmemengen, sondern auch wetterunabhängige Stromkapazitäten.

Dunkelflaute? Biogas springt ein!

Um die schwankende Stromerzeugung aus Wind und Sonne auszugleichen, setzte die Politik lange Zeit vor allem auf neue fossile Gaskraftwerke und perspektivisch auf grünen Wasserstoff. Biogas kam als Lösung für die sogenannte Dunkelflaute kaum vor. Dabei könnte Biogas laut einer 2024 veröffentlichten Studie der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg bis 2040 rund die Hälfte der fehlenden Stromkapazität für die Zeiten bereitstellen, in denen der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint. Und das wesentlich günstiger und klimafreundlicher als Reservekraftwerke, die bis zur Wasserstoff-Praxisreife fossiles Gas verbrennen. Das vom Bundeslandwirtschaftsministerium geförderte Vorhaben „Visuflex“ (visuflex.fnr.de) zeigt, wie zuverlässig technisch nachgerüstete Biogasanlagen schon heute in der Stromlücke einspringen. Mit der Wärme aus Biogasanlagen ließen sich zudem Schätzungen zu Folge rund 2 Millionen Haushalte in Deutschland versorgen.

Diese Möglichkeiten überzeugten schließlich auch die Politik: Das kurz vor Weihnachten beschlossene und Ende Februar in Kraft getretene Biogaspaket sieht erhebliche Verbesserungen für Biogasanlagen vor, die den Strom flexibel immer dann einspeisen, wenn der Bedarf hoch ist. Damit haben nun auch die Bennings eine neue Chance. Sie wollen den Standort Maria Veen für die flexible, bedarfsgerechte Stromerzeugung weiterentwickeln und bei einer der nächsten Ausschreibungsrunden wieder mitbieten.

Rechtliche Unsicherheit

Bei welcher Ausschreibungsrunde, ist allerdings ungewiss. Denn noch hat die EU-Kommission das neue Gesetz nicht genehmigt und es könnten noch viele Monate vergehen, bis es soweit ist. Damit verstreicht wertvolle Zeit für die Energiewende, nicht zuletzt auch für die im Wärmebereich, wo besonderer Handlungsbedarf besteht. „Wir sind durch die aktuelle Rechtssituation gelähmt“, konstatiert Hermann-Josef Benning.

„Erfreulich viele Betreiber sind jetzt mit dem Biogaspaket bereit, zu investieren und damit noch mehr Verantwortung für unser Energiesystem zu übernehmen“, sagt Dr. Claudius da Costa Gomez, Hauptgeschäftsführer des Fachverbandes Biogas. Auch er betont die Wichtigkeit einer zeitnahen EU-Genehmigung dafür und ergänzt: „Das Paket ist eine gute Übergangslösung für die nächsten zwei Jahre. Danach brauchen wir für die vielen jüngeren Biogasanlagen eine Anschlussregelung.“

Über die FNR:

Die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR) fördert als Projektträger des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) zahlreiche Forschungsvorhaben zur Biogasnutzung. Aktueller Schwerpunkt sind u. a. Weiterbetriebsoptionen für Anlagen, die das Ende ihres 20-jährigen Förderzeitraums nach EEG erreichen. Davon werden bis 2031 fast 8.000 der insgesamt rd. 10.000 landwirtschaftlichen Biogasanlagen in Deutschland betroffen sein. Eine vielversprechende Option zum Weiterbetrieb ist die Ertüchtigung der Biogasanlagen für die bedarfsgerechte Stromerzeugung, also die gezielte Stromproduktion in Zeiten, in denen Sonne und Wind nicht liefern. In diesem Kontext betreut die FNR u. a. das Vorhaben Visuflex des BMEL.

2024 erzeugten Biogasanlagen knapp zwölf Prozent des erneuerbaren und über sechs Prozent des gesamten Stromverbrauchs in Deutschland. Der Anteil an der erneuerbaren Wärme lag bei gut elf Prozent.

Link:

visuflex.fnr.de

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Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V.
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