Unterhaching
Juni 2008
Die Gemeinde Unterhaching bei München betreibt das derzeit größte deutsche Erdwärmekraftwerk. Durch die Nutzung der Erdwärme sollen jährlich bis zu 40.000 Tonnen Kohlendioxid pro Jahr vermieden werden. Das entspricht rund 60 Prozent des Kohlendioxidausstoßes aller Haushalte der rund 22.000 Einwohner zählenden Gemeinde. Über 200 Firmen aus dem In- und Ausland sind am Projekt beteiligt.
Geothermieanlage offiziell eingeweiht
2001 wurde das Gesamtprojekt von der Gemeinde Unterhaching in Angriff genommen, bereits im Oktober 2007 ging die Geothermieanlage in Betrieb. Im Juni 2008 wurde das Erdwärmekraftwerk nun auch offiziell eingeweiht. „Die Nutzung der Erdwärme ist ein zentraler Baustein für den internationalen Klimaschutz und eine zukunftsfeste Energieversorgung“, befand Umweltminister Sigmar Gabriel, anlässlich der offiziellen Einweihungsveranstaltung.
Vom Pionierprojekt mit internationaler Ausstrahlung profitiert die Gemeinde Unterhaching bereits heute: Hochkarätige Delegationen aus der ganzen Welt, wie zum Beispiel das Beraterteam vom amerikanischen Präsidenten Barack Obama, belegen das wachsende Interesse an der Unterhachinger Geothermieanlage. Das Projekt wurde zudem als „Ausgewählter Ort“ im Innovationswettbewerb „365 Orte im Land der Ideen“ ausgezeichnet. „Die Geothermie ist ein wichtiger Standortfaktor und hat eine Signalwirkung für eine nachhaltige Energieversorgung", betont Bürgermeister Wolfgang Panzer.
Energie aus 3.300 Meter Tiefe
99 Prozent unseres Planeten sind heißer als 1000 Grad Celsius. Diese unerschöpfliche Energiequelle nutzt die Gemeinde Unterhaching für die Wärme- und Stromerzeugung. Durch eine Förderbohrung wird aus über 3.300 Meter Tiefe bis zu 122 Grad Celsius heißes Thermalwasser an die Erdoberfläche gepumpt. Nach der Nutzung zur Strom- und Wärmegewinnung wird das abgekühlte Thermalwasser über eine zweite Bohrung, die Reinjektionsbohrung, wieder in die Erde geleitet.
Wärme und Strom
Die Tiefengeothermieanlage kann in Unterhaching bis zu 38 Megawatt thermische Leistung erzeugen und deckt damit den Grundbedarf an Wärme. Ein derzeit über 24 Kilometer langes Fernwärmenetz bringt die Wärme zu den Bürgern. Im Endausbau soll das Erdwärmekraftwerk bis zu 70 Megawatt thermische Leistung bereitstellen.
Wenn im Frühjahr der Wärmebedarf abnimmt, wird das überschüssige Thermalwasser zur Stromproduktion genutzt. Im Mai 2008 wurde erstmals in Deutschland die effiziente "Kalina-Technik" eingesetzt. Bei relativ niedrigen Temperaturen erwärmt das heiße Wasser ein Ammoniak-Wasser-Gemisch und es entsteht Dampf. Dieser Dampf treibt Turbinen an, die Strom erzeugen. Es handelt sich um die zweite Anlage dieser Art in Europa nach einer in Island. In Unterhaching hat das Kraftwerk eine Leistung von 3,36 Megawatt und soll durchschnittlich den Stromverbrauch von rund 8.000 Haushalten decken. Dank der Installation einer stärkeren Förderpumpe soll die Energiemenge weiter erhöht werden.
Investitionskosten
Für die Gemeinde Unterhaching stand von Anfang an fest, die Geothermieanlage unter den Vorbehalt der Wirtschaftlichkeit zu stellen. Das Gesamtinvestitionsvolumen des Geothermieprojektes betrug circa 80 Millionen Euro. Es wird angenommen, dass die Investitionen bereits nach 15 Jahren amortisiert sein werden. Die Gemeinde gründete für die Umsetzung des Projektes eine GmbH. Die Finanzierung wurde mit Eigenmitteln der Gemeinde, Beteiligungen aus der Wirtschaft und Fördermitteln bewerkstelligt.
Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit unterstützte den erstmaligen Einsatz der umweltfreundlichen "Kalina-Technik" zur Stromerzeugung. Darüber hinaus wurden die erforderlichen seismischen Untersuchungen und die wissenschaftliche Projektbegleitung durch das Energieforschungsprogramm der Bundesregierung gefördert. Auch das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie unterstützte das für Deutschland bislang einmalige Projekt.
Potenziale der Geothermie
Nach Schätzungen von Experten liegt das Investitionsvolumen für die in Deutschland in Planung und im Bau befindlichen Projekte für die tiefengeothermische Energieerzeugung bei circa 6 Milliarden Euro. Allein in Bayern könnte zukünftig 10 Prozent des bisherigen Fernwärmebedarfs durch tiefengeothermische Energie gedeckt werden.
Geothermie - Eine sichere Energiequelle
Die Bürger Unterhachings sehen steigenden Energiekosten für die Wärme- und Stromerzeugung gelassen entgegen. Die Erdwärme ist günstig, krisensicher und erhöht die Unabhängigkeit vom Weltmarkt. Da die Kostenentwicklung fossiler Energieträger weiter in die Höhe geht, verbessern sich die Wettbewerbsbedingungen für Erdwärme stetig. Daneben steigt die Attraktivität des Unternehmensstandorts Unterhaching durch niedrige und kalkulierbare Energiekosten.
Die Nutzung von Erdwärme bietet nach Ansicht der Gemeindeverwaltung einen entscheidenden Vorteil: Erdwärme ist unabhängig von Tageszeit und Wetter. Sie liefert 365 Tage im Jahr und rund um die Uhr Energie.
Pilotprojekt mit Ausstrahlung
Das Unterhachinger Projekt ist eines der wichtigsten Pilotprojekte zur Nutzung von Geothermie als alternative Energiequelle weltweit. Es entwickelt sich zu einem Musterbeispiel für die wirtschaftliche Nutzung Erneuerbarer Energien in Deutschland. Alleine im Freistaat Bayern sind heute über 100 weitere Tiefengeothermieprojekte in Planung. Die hier eingesetzte Geothermietechnologie könnte zu einem weiteren Exportschlager "Made in Germany" werden.
Foto: Gemeinde Unterhaching
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