Neuerburg
Dezember 2008
Die Verbandsgemeinde Neuerburg in Rheinland-Pfalz kann die Stromversorgung schon heute zu über 100 Prozent aus Erneuerbaren Energien sicher stellen. 35 Windkraftanlagen, vier Biogasanlagen, 58 Photovoltaikanlagen und eine Wasserkraftanlage produzieren mehr Strom als die 10.000 Einwohner verbrauchen.
Wichtige Einnahmequelle
Gerade in der stark landwirtschaftlich geprägten Grenzregion eröffnet die Nutzung von erneuerbaren Ressourcen eine wichtige Einnahmequelle für die Menschen. „Regenerativstrom ist heimische Energie, schafft hier Arbeitsplätze, generiert Steuereinnahmen vor Ort und hilft so regionale Wertschöpfungskreisläufe anzukurbeln“ sagt Norbert Schneider, ehemaliger Bürgermeister der Verbandsgemeinde Neuerburg.
Ziele definieren, Strategie planen und Wege benennen
Der erste Schritt in eine „erneuerbare Zukunft“, war die Erstellung eines regionalen Energiekonzeptes. Dieses ist in drei Stufen gegliedert: In der ersten Stufe wurde eine Bestandsaufnahme der Potenziale der Region vorgenommen. Stufe zwei sah das Aufarbeiten und Dokumentieren der Erfahrungen anderer Gemeinden vor. In der dritten Stufe sollte die Einleitung einer alternativen Energienwende, durch die Bereitstellung von Beratungsstellen, Verschlankung der Verwaltung und die Einbindung von möglichst allen Bürgern gewährleistet sein. Das Konzept sah neben einigen Effizienzmaßnahmen vor allem die Nutzung von Solar- und Windenergieanlagen vor. Ergänzend soll die energetische Nutzung von Biomasse aus der Land- und Forstwirtschaft weiter verstärkt werden. Diese Studie diente der Gemeinde Neuerburg für die erfolgreiche Ansiedelung von Erneuerbaren-Energien-Projekte.
Die Rolle der Gemeinde
Die Gemeinde koordiniert und sieht sich selbst auch als Initiator und Moderator von Projekten. Besonders die Förderung des bürgerschaftlichen Engagements steht im Vordergrund. Mit Hilfe von Informationsveranstaltungen sowie dem Aufbau eines Kompetenznetzwerkes aus den Bereichen Bildung, Forschung, Technik, Privatwirtschaft und Verwaltung stehen den Bürgern jederzeit kompetente Ansprechpartner zur Verfügung.
Energiegewinnhäuser „Im Brodschrank“
Ein besonders richtungweisendes und bis heute einzigartiges Projekt ist die Entwicklung des ersten CO2-neutralen Wohnungsgebiets. Die 42 Einfamilienhäuser des Wohngebiets „Im Brodschrank“ sind so sparsam im Energieverbrauch, dass die Photovoltaikanlagen und das Solarheizkraftwerk mehr Energie erzeugen als dort verbraucht wird. Die Wärme für die Gebäude wird von dem bundesweit ersten Solarheizkraftwerk geliefert. Die thermische Solaranlage erzeugt dabei warmes Wasser, welches über ein Nahwärmenetz an die Häuser verteilt wird. Gemeinsam mit zusätzlichen Wärmepumpen, die ihren Strom aus einer Photovoltaikanlage beziehen, wird die Wärmeversorgung rund um die Uhr und zu 100 Prozent aus Erneuerbaren Energien sichergestellt. Edwald Schares vom Projektentwickler Innovat ist von der Zukunftsfähigkeit der Anlage überzeugt: „Es wird das erste Solarheizkraftwerk Deutschlands sein, ich bin aber schon jetzt überzeugt, dass viele weitere folgen werden.“ Ein weiteres Highlight des Wohngebiets sind die solarbetriebenen Straßenlaternen. Die Laternen sind nicht an das Stromnetz angeschlossen und beziehen ihre Energie aus einer Batterie, damit der Sonnenstrom auch nachts zur Verfügung steht. Die Anstrengungen für eine sparsame und saubere Nutzung von Energie können sich für die Bewohner des Wohngebiets rechnen. Treffen die Prognosen des Bauträgers zu, müssen die Bewohner nur mit monatlichen Energiekosten von elf Euro rechnen. Im Jahr 2007 hat ein durchschnittlicher deutscher Haushalt 110 Euro für die Energiekosten (ohne Kraftstoffe) im Monat ausgegeben.
Wärme aus Holz
Neben der Produktion von Strom aus regenerativen Energien setzt die Gemeinde Neuerburg verstärkt auf die CO2-freie Produktion von Wärme mit Hilfe des energetischen Alleskönners Holz. Das Holz soll in den umliegenden Wäldern gewonnen und vor Ort zu hochwertigem Brennmaterial verarbeitet werden. Es sind bereits mehrere Schulen auf Holzpellet- und Holzhackschnitzelheizungen umgerüstet. Das freut nicht nur die Umwelt, sondern senkt auch die Energiekosten für die Gemeinde. Seit 2004 ist die Nutzung von Holz beim Heizen um 13,4 Prozent gestiegen. Auf diese Weise werden Arbeitsplätze in der Region geschaffen. Ein Unternehmer der vom Umschwung hin zu Erneuerbaren Energien profitiert ist Jörg Steffen vom gleichnamigen Holzverarbeitungsunternehmen. „Wir möchten den Vertrieb von Holzhackschnitzeln in Zukunft weiter ausbauen“, blickt Jörg Steffen in die Zukunft. "Damit werden langfristig Arbeitsplätze geschaffen, die regionale Wertschöpfung erhöht und die Natur durch eine nicht unerhebliche CO2-Einsparung entlastet“, so Steffen weiter.
Umwelt-Erlebnis-Zentrum GaytalPark
Für eine erfolgreiche Umstellung auf eine nachhaltige Energieversorgung werden die Bürger in Neuerburg von den Vorteilen und Nutzen der regenerativen Energien informiert. Das Umwelt-Erlebnis-Zentrum GaytalPark, welches selbst mit Energie aus regenerativen Energien versorgt wird, bietet Informationsveranstaltungen zum Thema Erneuerbare Energien an. Die verschiedenen Erzeugungsarten Windenergie, Solarenergie und Bioenergie werden an Demonstrationsobjekten erklärt und vorgeführt. Es gibt eine Dauerausstellung und ab 2009 wird die BUND-Wanderausstellung „Brennpunkt Klimawandel“ zu sehen sein. Außerdem ist in Kooperation mit dem Unternehmen Innovat auch die Einrichtung einer Energieberatung geplant. Dort soll Bauherren und Architekten die Möglichkeit gegeben werden, sich über den Einsatz regenerativer Energieträger und energiesparendes Bauen zu informieren.
Weitere Projekte schon in Sicht
All diese Projekte machen Neuerburg bereits jetzt zu einer nachhaltigen Energiekommune. Doch in Neuerburg will man sich nicht auf dem Erreichten ausruhen. Mit der Sanierung des Freibads Körperich wird der Heizenergiebedarf in der Badesaison 2009 erstmals über eine Wasserwärmepumpe mit optimierter Solarabsorberanlage gedeckt. Das Dorfgemeinschaftshaus Uppershausen wird ein Passivhaus und ein Biomasseheizkraftwerk liefert in Zukunft Strom und Wärme. „Energiegemeinde zu sein, ist für uns keine Frage des ‚Status Quo’, sondern eine Herausforderung für die Zukunft, an der wir wachsen wollen“, sagt der ehemalige Bürgermeister Norbert Schneider.
Foto: Verbandsgemeinde Neuerburg
Social Media