Energie-Kommune des Monats: Bad Endbach

März 2017

Thomas Reuter, Betriebsleiter des Eigenbetriebes - Kur-Tourismus- Energie der hessischen Gemeinde Bad Endbach, ist derzeit u.a. damit beschäftigt, die benachbarte Gemeinde Angelburg bei der Realisierung eines neuen Windparks zu beraten. Es geht darum, sich auf die neuen Herausforderungen des Ausschreibungsverfahrens für Windenergieanlagen einzustellen und gleichzeitig Akzeptanz für das Bauvorhaben vor Ort zu erreichen. Reuter berät die Nachbarn, weil er in seiner eigenen Gemeinde, Bad Endbach, bereits das Entstehen zweier Windparks begleitet hat – mit vielen positiven, aber auch negativen Erfahrungen. „Wir haben in Bad Endbach gelernt, dass die Beteiligung am Planungsprozess sowie an den Anlagen selbst von möglichst einer Vielzahl von Bürgern, sehr die Akzeptanz von Ort beeinflussen kann“, so Reuter.

Das Engagement für den Ausbau Erneuerbarer Energien reicht in Bad Endbach bereits in die frühen 2000er Jahre zurück. Die Gemeinde und ihre rund 8.400 Einwohner bemühen sich schon lange um eine klimafreundlichere Energieversorgung. Bürgermeister Markus Schäfer, seit 2006 an der Spitze der Gemeindeverwaltung, gehörte im Jahr 2011 zu den dreizehn Erstunterzeichnern der Charta der 100ee-Regionen, einem Projekt, bei dem sich Regionen, Kommunen und Städte dazu bekennen, die eigene Energieversorgung vollständig auf Erneuerbare Energien umzustellen. Das bereits 2009 formulierte Klimaschutzziel – den Anteil Erneuerbarer Energien bis 2020 auf 20 Prozent zu steigern sowie 20 Prozent weniger Energie zu verbrauchen als im Basisjahr 2006 – hat die Gemeinde bereits 2016 bilanziell erreicht. Auf dem Weg zur 100-Prozent-Kommune hat Bad Endbach zwischen 2014 und 2015 ein integriertes Klimaschutzkonzept erarbeitet. Das Ergebnis der darin enthaltenden Ist-Analyse machte deutlich, dass die Gemeinde bereits viel Strom aus regenerativen Quellen erzeugt. Doch der Weg zu diesem Zwischenziel war nicht immer unkompliziert.

Windpark Hilsberg
2009 begann die Gemeinde Bad Endbach, einen Windpark auf einer eigenen Fläche im Ortsteil Bottenhorn zu planen. Erster Schritt war ein Zielabweichungsverfahren vom Regionalplan zu beantragen. Nach der Genehmigung wurde über das Vorhaben in einer Bürgerversammlung informiert und der Genehmigungsantrag gestellt. Während die Bürger dieses Ortsteils mehrheitlich hinter dem Projekt standen, weil es regionale Wertschöpfung und eine Alternative zur konventionellen Stromerzeugung bot, kam aus dem benachbarten Holzhausen, einem Ortsteil der Gemeinde Dautphetal, Widerstand. Dieser kanalisierte sich in einer Bürgerinitiative gegen den geplanten Windpark. Die Forderung: Der Windpark sollte nicht gebaut werden. Um die konträren Interessen von Gemeinde und Nachbarort miteinander zu vereinen, wurde ein Mediationsverfahren durchgeführt. 10 Wochen lang trafen sich die Parteien am Verhandlungstisch – ergebnislos. Dafür waren die Fronten schon zu verhärtet. Das im Mediationsverfahren entwickelte Angebot, ein Windrad auf die Gemarkung der Nachbargemeinde zu verschieben, um so auch für das Nachbardorf Pachteinnahmen zu ermöglichen, fand keinen Anklang bei der Bürgerinitiative. Der dann vom Mediator abschließend erarbeitetet Kompromissvorschlag, der vorsah, drei dem Nachbardorf besonders nahe Standorte aufzugeben und in Richtung Bottenhorn zu verschieben, fand letztlich nicht die Zustimmung der Bürgerinitiative. Die Gemeinde Bad Endbach änderte nach der ergebnislosen Mediation den Bauantrag nicht mehr und erhielt die Genehmigung. Ein hessischer Naturschutzverein mit naturschutzrechtlichen Bedenken reichte Klage ein und ein außergerichtlicher Vergleich hatte das Ergebnis, dass eine Anlage aus Gründen des Vogelschutzes wegfiel. Eine zweite Klage von örtlichen Vogelschützern aus den Reihen der Bürgerinitiative ging bis vor den Verwaltungsgerichtshof und hatte dort keinen Erfolg. Der Park wurde schließlich errichtet und ging 2014 ans Netz. Seitdem erzeugen fünf Anlagen mit einer Leistung von je drei Megawatt jährlich rund 30 Millionen Kilowattstunden Strom und sparen so rund 20.000 Tonnen CO2 ein. Rein bilanziell sorgt der Windpark dafür, dass Bad Endbach über 100 Prozent des Strombedarfes der Großgemeinde aus regenerativen Energiequelle erzeugt. „Aufgrund der Erfahrungen mit dem Windpark Hilsberg haben wir uns in Bad Endbach nicht davon abbringen lassen, die Windenergie weiter auszubauen, aber wir haben nach anderen Konzepten für mehr Bürgerbeteiligung und damit mehr Akzeptanz gesucht“, bilanziert Bürgermeister Markus Schäfer.

Interkommunaler Windpark Lahn-Dill-Bergland
Das zweite Windparkprojekt gingen Bürgermeister Markus Schäfer und die Gemeinde Bad Endbach dann auch anders an. Es wurde von Anfang an als interkommunales Projekt angelegt. Das Vorhaben sah sieben Anlagen vor, jeweils drei auf den Gemarkungen von Bad Endbach und Bischoffen, eine Anlage auf der Siegbacher Gemarkung. Dadurch konnten nicht nur die vorhandenen Energiepotenziale optimal genutzt, sondern auch die Interessen von drei Gemeinden und ihren Bewohnern berücksichtigt werden. „Als die Gemeindevertreter der drei Gemeinden mit diesem Konzept auf die Bürger zugingen, war das Konzept schnell akzeptiert“, erinnert sich Schäfer. Die transparente Öffentlichkeitsarbeit mittels Informationsveranstaltungen, Baustellenbesichtigungen, Informationsblättern und Projektwebseite informierte frühzeitig über anstehende Entscheidungen und führte dazu, dass die Akzeptanz weiterhin hoch blieb.

Nach drei Jahren Planungs- und Bauzeit gingen die sieben Anlagen mit einer Gesamtleistung von rund 21 Megawatt an Netz und erzeugen jährlich rund 46 Millionen Kilowattstunden Strom und sparen 34.600 Tonnen Kohlendioxid ein. Die Anlagen liefern also so viel Strom, wie 20.000 Zwei-Personenhaushalte verbrauchen. Die Naturschutzbelange waren auch bei diesem Projekt ein Thema, bargen aber kaum Konfliktpotenzial. Für die Errichtung waren Rodungen notwendig und die Betreiber mussten Ausgleichsmaßnahmen leisten. 500.000 Euro wurden an anderer Stelle in die Natur investiert. So entstanden Nahrungshabitate für den Schwarzstorch, Lebensräume für Fledermäuse, 1,4 ha Biotopschutzflächen, 11ha Naturwald und 3 ha naturnahe Waldaufforstungen.

Insgesamt betrug das Projektvolumen 34 Millionen Euro. Bad Endbach und Bischoffen beteiligen sich jeweils mit einem Eigenkapital in Höhe von rund vier Millionen Euro, die Gemeinde Siegbach mit 1,3 Millionen Euro. Ein Unternehmen beteiligte sich mit rund 950.000 Euro. Den Kommunen ging es nicht nur um einen nachhaltigen Beitrag zum Klimaschutz in der Region leisten, sondern erwarten auch einen spürbaren Beitrag zur Haushaltskonsolidierung. Die restliche Finanzierung erfolgte über den Kapitalmarkt. Jeder Bürger in den beteiligten Gemeinden hatte die Möglichkeit, sich über das Modell eines Sparbriefes an dem Windpark finanziell zu beteiligen.

Energiewende im Landkreis Marburg-Biedenkopf
In Bad Endbach gibt es keine weiteren Windvorrangflächen. Dennoch legt Thomas Reuter die Hände nicht in den Schoß. Bad Endbach hat mit weiteren Gemeinden im Lahn-Dill-Bergland ein Konzept entwickelt, wie sich die Beteiligung der Bürger an Erneuerbaren-Energie-Projektes noch steigern lässt. Dafür haben 12 Kommunen 2014 eine überregional agierende GmbH gegründet, an die Gemeinden wie Bad Endbach nun Teile bereits bestehender Erneuerbare-Energien-Projekte wie dem Windparkt Lahn-Dill-Bergland verkaufen. Die in 2016 gegründete Lahn-Dill-Bergland- Energiegenossenschaft e.G. wird jetzt auch Gesellschafter dieser GmbH. Über diese Genossenschaft können sich alle Bürger in der Region direkt beteiligen. Die Gelder, welche die Projekte erwirtschaften, fließen also zum Teil in die GmbH und letztlich an die Gemeinden, die an der GmbH Anteile haben. So kommen die Einnahmen aus den Erneuerbaren-Energien-Anlagen also den Gemeinden und somit auch allen anderen Bürgern zu Gute, die nicht direkt an einer Anlage beteiligt sind.

Und Bad Endbach hat noch mehr vor: Derzeit plant Thomas Reuter Photovoltaikanlagen auf der Kläranlage und auf dem Kur- und Bürgerhaus. „Wir wollen die weiterhin vorhandenen Erneuerbare-Energien-Potenziale ausschöpfen und so auch Vorbild sein für unsere Bürger. Sie sollen sehen, dass sich das Engagement für Erneuerbare Energien weiterhin lohnt.“ Darüber hinaus werden in der Gemeindeverwaltung Ideen ausgetauscht mit dem Ziel ein regionales Stromprodukt aufzulegen um allen Bürgern den regenerativ erzeugten Strom an zu bieten. Das Klimaschutzkonzept, aus dem im Haushalt 2017 bereits rund 750.000 Euro zur Umsetzung verschiedener Projekte etatisiert sind, zeigt weitere Handlungsfelder auf. Zurzeit steht die Einstellung eines Klimaschutzmanagers zur politischen Beratung an. Bürgermeister Schäfer freut sich außerdem, dass Bad Endbach mit seiner Bewerbung als Modellkommune für das Projekt „WirWollenMehr“, welches das Bundesumweltministerium ausgeschrieben hat, zu den 10 hessischen Städten und Gemeinde gehört, die einen Zuschlag erhalten haben. „Dass insbesondere junge Menschen bei uns jetzt in Sachen Klimaschutz aktiv sind, zeigt mir, dass unser Engagement zu einem Umdenken beigetragen hat. Und das gibt doch Hoffnung auf eine lebenswerte Heimat auch in der Zukunft.“