Rauschenberg
Januar 2018
In der Lokalpresse wird das hessische Rauschenberg gerne als heimliche Hauptstadt der Erneuerbaren Energien bezeichnet. So schöpft die Stadt das Potenzial der Erneuerbaren und die kommunalen Handlungsmöglichkeiten clever und auf sehr vielfältige Weise aus. Im Jahr 2016 wurden 160 Prozent des in Rauschenbergs benötigten Stroms vor Ort erzeugt. „Das heißt, wir hatten bereits vor zwei Jahren einen deutlichen Energieüberschuss, der in das öffentliche Netz eingespeist wird“, erklärt Bürgermeister Michael Emmerich. Die 4.500 Rauschenberger profitieren durch den regionalen Geldkreislauf der Erneuerbaren, dementsprechend sei laut Emmerich die Akzeptanz der Nutzung Erneuerbarer Energien sehr hoch.
In Genossenschaften organisiert
Die Kommune selbst beansprucht für sich erste und einzige Bioenergiestadt Deutschlands zu sein. Gegenwärtig sind rund 300 Haushalte und Firmen an drei Nahwärmenetze angeschlossen, welche sich in der Kernstadt sowie in den Ortsteilen Josbach und Schwabendorf befinden. Die Biogasanlagen, die die Rauschenberger mit Strom und Wärme versorgen, werden ausschließlich von einheimischen Landwirten betrieben. Die Kosten sind je nach Stadtteil unterschiedlich. In Schwabendorf kostet netto die Kilowattstunde Wärme (kWh) 4,5 Cent, in Josbach 6,0 Cent und in der Kernstadt 6,5 Cent. Hinzu kommt eine in allen Stadtteilen gleichwertige Grundgebühr von zehn Euro. Zudem wird der Durchfluss von Heißwasser berechnet, der sicherstellt, dass die Anlagen so effizient wie möglich eingestellt und betrieben werden können. Für alle drei bestehenden Nahwärmenetze hat die Stadt Machbarkeitsstudien anfertigen lassen. Um eine problemlose Finanzierung sicherzustellen, übernimmt die Stadt Bürgschaften für die Nahwärmenetze. „Rauschenberg kann in vielen Fällen nur Impulse, also den Anstoß für Projekte geben, umgesetzt werden müssen diese durch die Bürgerschaft und vor Ort ansässige Firmen“, so Emmerich. Die Nahwärmenetzkunden sind in Genossenschaften organisiert. Die Form der Genossenschaft ermöglicht es den Bürgern, ihre wirtschaftlichen Interessen zu bündeln und möglichst günstige Wärme zu liefern. Die Nahwärme-Genossenschaft Rauschenberg verfolgt das Ziel, des Aufbaus eines möglichst flächendeckenden Nahwärmenetzes, welches seine Mitglieder auf Jahrzehnte hinweg mit günstiger und umweltschonender Nahwärme versorgt.
Holz aus dem Burgwald ermöglicht regionale Wertschöpfung
Das Nahwärmenetz in der Kernstadt beträgt 10,5 Kilometer und versorgt neben Privathaushalten und Gewerbebetriebe auch kommunale Einrichtungen von Stadt und Landkreis. In diesem Jahr soll das Nahwärmenetz der Kernstadt, neben der Biogasanlage, durch eine Holzhackschnitzelanlage mit betrieben werden. Das Holz für die zwei Öfen der Anlage, die zukünftig auf dem Festplatz der Stadt stehen wird, soll ausschließlich aus dem 494 km² großen Burgwald stammen. Die regionale Wertschöpfung wird durch das angrenzende Waldgebiet somit aufrechterhalten. Ökonomisch profitiert Rauschenberg durch Gewerbesteuereinnahmen der Betreiber der Biogasanlagen und Nahwärmenetze sowie durch die Einsparung von fossilen Energien in den jeweiligen Stadtteilen. Laut Emmerich ist gegenwärtig davon auszugehen, „dass durch den Betrieb der Nahwärmenetze im Stadtgebiet rund 650.000 Liter Heizöl eingespart werden“.
Diese Einsparungen werden in den kommenden Jahren erweitert. So ist auch für das Dorf Bracht, welches zur Gemeinde Rauschenberg gehört, ein Nahwärmenetz geplant. Es soll mit Solarthermie betrieben werden. Würden ersten Berechnungen zufolge 103 Haushalte an das Netz angeschlossen, könnten jährlich 268.000 Liter Heizöl eingespart werden und somit 831 Tonnen CO2. Die Verantwortlichen sprechen von einem Prestigeprojekt für das Land Hessen, so gebe es deutschlandweit kein Dorf, welches ausschließlich mit Solarthermie beheizt wird. Die Verteilung in das Nahwärmenetz soll über Wasserspeicher erfolgen, die es ermöglichen, die im Sommer gewonnene Sonnenenergie im Winter abzugeben. Auch für dieses Vorhaben wurde eine Genossenschaft gegründet. Unabhängig dieses Projektes, gibt es derzeit 165 Photovoltaikanlagen in der Gemeinde.
Wind- und Wasserkraft als weiterer Stromlieferant
Doch dies ist längst nicht alles an erneuerbarer Technologie in Rauschenberg. Auf städtischem Gebiet befinden sich zwei Windparks mit insgesamt zehn Windenergieanlagen. Jährlich erzeugen diese 30 Millionen kWh Strom, was dem Dreifachen des Verbrauchs Rauschenbergs entspricht. Bereits im Jahr 1999 änderte die Stadt ihren Flächennutzungsplan, um Windvorranggebiete ausweisen zu können. Hierbei war es den städtischen Verantwortlichen wichtig, dass die Windparks von einem regional ansässigen Unternehmen gebaut werden, um einen Ansprechpartner vor Ort zu haben. Zudem sollte sichergestellt werden, dass die Anlagen nicht weiter veräußert werden − es sei denn, die Stadt würde sie übernehmen. „Durch eine intensive Einbindung der Bürgerschaft von Anfang an, wird die Windkraft in Rauschenberg grundsätzlich als positiv angesehen“, so Emmerich. Laut des Bürgermeisters verhandelt die Stadt derzeit über eine Beteiligung der Bürgerschaft am zweiten Windpark. Die Stadt selbst profitiert wiederum durch die Pachteinnahmen der Windenergieanlagen und die eingesparten Emissionen.
Auch die Wasserkraft wird zur Stromerzeugung in Rauschenberg genutzt. Zwei alte Mühlen, die am Fluss Wohra stehen, wurden für den privaten Gebrauch modernisiert und produzieren jährlich rund 150.000 kWh Strom.
Unterwegs mit 100 Prozent Ökostrom
Seit dem vergangenen Jahr stehen den Rauschenbergern zwei Elektroautos zur Verfügung. Diese können von jedem Bürger genutzt werden. Um das E-Carsharing der Stadt in Anspruch zu nehmen, müssen sich die potenziellen Fahrer im Internet registrieren und sich im Rathaus einen Aufkleber mit einem versehenen Chip abholen. Mittels des Chips ist es möglich, das Fahrzeug zu öffnen und die Fahrtzeit via Internet zu berechnen. Der Verantwortliche hierfür, Jörg Näther, ist stolz, dass die beiden Elektrofahrzeuge zu 100 Prozent Ökostrom betrieben werden. Derzeit nutzen rund 30 Personen und zwei Firmen das Angebot. „Überwiegend werden die Elektroautos für Einkäufe in den Nachbargemeinden beansprucht und im Schnitt damit 20 Kilometer gefahren“, so Näther. Tagsüber kostet die Stunde zwei Euro, in der Nacht ein Euro, hinzu kommen noch 27 Cent pro gefahrene Kilometer. Derzeit gibt es in Rauschenberg eine Ladesäule für Elektroautos, eine weitere ist im Bau, die von einem einheimischen Autohaus errichtet wird. Jenes sponsert auch die beiden E-Autos. „Für die Stadt ist dies eine sehr kostengünstige Möglichkeit, dieses Angebot den Rauschenbergern zur Verfügung zu stellen und sie mit der E-Mobilität vertraut zu machen “, so Näther.
Fotos: Stadt Rauschenberg
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