UN-Klimagipfel in Kattowitz

Mit Spannung wird der UN-Klimagipfel in Kattowitz erwartet. Jüngste Prognosen zeigen, dass das 1,5 Grad Ziel auf dem Spiel steht. Über ihre Erwartungen zu Kattowitz sprach die AEE mit Prof. Dr. Sonja Peterson (IfW) und Prof. Dr. Claudia Kemfert (DIW).

Der Sonderbericht des IPCC zeigte unlängst, dass es bis Ende des Jahrhunderts noch möglich wäre, die Erderwärmung bei 1,5 Grad Celsius zu stoppen. Wie beurteilen Sie diese Ergebnisse?

Sonja Peterson: Insgesamt waren diese Ergebnisse für mich keine Überraschung. Ich wusste, dass die Ziele extrem ambitioniert, aber mit entsprechenden Anstrengungen technisch zumindest erreichbar sind. Politisch ist es schon schwieriger. Klimaschutz ist eben kein Selbstläufer.

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Claudia Kemfert (Bild links): Einerseits ist es natürlich großartig, dass die Begrenzung der Erderwärmung noch möglich ist, andererseits zeigt der Bericht eindrücklich, dass das erhebliche Anstrengungen erfordert. Insofern macht der Bericht Mut, endlich entschlossen zu handeln: Wenn wir jetzt die Ärmel hochkrempeln, ist es zu schaffen! Wir können den irreversiblen Klimawandel noch aufhalten, wenn… – ja, wenn, aber eben auch nur, wenn wir die Treibhausgasemissionen senken, und zwar rasch! Die bisherigen Anstrengungen waren nicht genug. Es ist höchste Zeit zu handeln!

Welche Signale sendet der Bericht an den UN-Klimagipfel in Kattowitz im Dezember?

Sonja Peterson: Der Bericht zeigt, dass erhebliche Maßnahmen notwendig sind, und er setzt damit bewusst Signale an den Klimagipfel in Kattowitz: Wir müssen voranschreiten, weil es sonst definitiv auch technisch nicht mehr möglich sein wird, das Klimaziel zu erreichen. Es muss aber auch klar sein, dass es wirklich erheblicher Maßnahmen bedarf und es vermutlich auch nicht ohne negative Emissionen geht, also ohne Technologien zur CO₂-Abspeicherung. Meine Kollegen beschäftigen sich hier beispielsweise mit verschiedenen Climate-Engineering-Technologien und sehen hier erhebliche Risiken.

Claudia Kemfert: Wir brauchen mehr Tempo! Das ist die Kernbotschaft. Das Pariser Klimaabkommen wurde zwar schnell ratifiziert, es ist das „Grundgesetz des internationalen Klimaschutzes“. Aber in der konkreten Umsetzung hapert es. Wir dürfen nicht länger den Schwarzen Peter, wer schuld ist, herumreichen, sondern müssen die gemeinsame Verantwortung auch gemeinsam tragen. Dabei sollten die Schnellen die Langsamen unterhaken, damit wir endlich gemeinsam auf der weiten Klimaschutz-Strecke vorwärts kommen.

Eine aktuelle Analyse von Euractive zeigt, dass sich nur 16 der 197 Länder, die das Klimaabkommen von Paris unterschrieben haben, bisher einen entsprechenden nationalen Klimaschutzplan definiert haben. Was erwarten Sie von der UN-Klimakonferenz in Kattowitz im Dezember?

IfW_PetersonSonja_(3)_72dpiSonja Peterson (Bild rechts): Es ist eigentlich nichts Neues, dass sich die internationale Gemeinschaft zu gemeinsamen Klimazielen bekennt, die Maßnahmen, die dann aber erfolgen, eine erhebliche Lücke zu den Zielen aufweisen. Hier hat sich in den vergangenen Jahren nicht viel geändert, so war es auch beim 2-Grad-Ziel. Bei festgesetzten Zielen für viele Länder war das Papier bisher sehr geduldig: Es werden schöne Ziele vereinbart, die in der Praxis jedoch nicht erreicht werden. So war das Pariser-Abkommen zwar ein Meilenstein, aber viele Schritte erfolgten einfach zu langsam, gemessen an dem zeitlichen Druck, unter dem wir stehen.

Paris hat einen großen Rahmen geschaffen, dem die Industrie- und Entwicklungsländer zustimmen können. In den nachfolgenden Konferenzen wie in Kattowitz geht es um die technische Umsetzung zur Erreichung der Ziele, aber auch darum, für die einzelnen Staaten Ziele einzuführen und diese in Reviews nach und nach immer straffer zu gestalten. Der große Rahmen aus Paris war sehr wichtig, aber der Teufel steckt im Detail. Wir müssen nun sehen, wie wir dem Rahmen technisch gerecht werden können. So wie ich das wahrnehme, geht es in Kattowitz substantiell darum, dass man sich jetzt wirklich darüber verständigt, wie die Ziele nun behandelt werden, wie man unterschiedliche Zielarten in konkrete Emissionen umrechnet. Das hat möglicher Weise viel mehr Auswirkungen als der große Rahmen, den das Pariser-Abkommen geschaffen hat.

Claudia Kemfert: In Kattowitz muss ein klarer Maßnahmen-Katalog für kollektives und schnelles Handeln entstehen. Die „Willigen und Handelnden“ sollten endlich beherzt lospreschen. Die Lösung ist denkbar einfach: Klimaschutz muss zur ‚Conditio sine qua non‘ werden, also zur Grundvoraussetzung für jegliches Abkommen. Es dürfte kein Handelsabkommen mehr ohne gemeinsame Klimaschutzabkommen geben. Durch ein solches Basis-Abkommen würde nicht nur das Grundgesetz des Klimaschutzes gelebt, sondern auch der Wettbewerb der Handelnden gesteigert. Das dürfte sich für alle Beteiligten lohnen: Klimaschutz-Kooperationen bringen enorme wirtschaftliche Chancen hervor, sie schaffen zukunftsweisende Investitionen für mehr Innovationen, moderne Industrie und eine nachhaltige Wirtschaft.

Wie bewerten Sie die politische Lage in den USA und in Brasilien mit Blick auf den Klimawandel und die Entwicklungen in Kattowitz?

Sonja Peterson: Die USA sind mit Trump in einer sehr schwierigen Situation und das bleibt nicht ohne Folgen, schließlich sind die USA nach China der zweitgrößte CO₂-Emittent. Ohne die USA wären alle großen Klimaziele unerreichbar. Aber ein Ausstieg der USA aus dem Pariser Klimaabkommen wäre aufgrund interner Prozesse erst nach der jetzigen Amtszeit von Trump möglich. Dann findet sich vielleicht ein neuer Präsident, der Trumps Entscheidung noch rückgängig bzw. aufhalten kann. Dennoch sendet Trumps Ankündigung natürlich ein drastisches Signal nach außen. Glücklicher Weise ist Trump allein nicht beispielgebend für die gesamten USA. Auf subnationaler Ebene, passiert mit Kalifornien als Vorreiter sehr viel im Sinne des Klimaschutzes. So machen viele Städte und Bundesstaaten trotz Trumps Äußerungen mit ihrer Klimapolitik weiter. Es ist sogar so, dass national die Emissionen gesunken sind. Der Gas-Boom und das Fracking sowie die steigende Wettbewerbsfähigkeit der Erneuerbaren Energien tragen dazu bei, dass die Kohle marktbedingt zurückgedrängt wird. Insofern gibt es in den USA klimaschutztechnische Entwicklungen, die Trump nicht beeinflussen kann, und auch durch die Kongresswahlen ist das Repräsentantenhaus deutlich klimafreundlicher geworden. Aber natürlich bleibt es insgesamt schwierig, denn bei Trumps angekündigten Austritt aus dem Abkommen geht es eben nicht nur um eine Reduzierung der CO₂-Emissionen in den USA, sondern auch um Absprachen. So wurde den Entwicklungsländern versprochen, sie finanziell zu unterstützen, wenn sie sich von fossilen Energieträgern verabschieden. Ohne die USA wird es sehr schwierig die 2009 beschlossenen 100 Milliarden Dollar pro Jahr bis 2020 für die Klimafinanzierung umzusetzen.

In Brasilien haben wir jetzt einen Präsidenten, der sich sicherlich alles andere als stark für den Klimaschutz machen wird. Hier ist natürlich aber das Bild an sich ein anderes. In Brasilien geht es vor allem um die Abholzungen, die den größten Impact auf das Klima haben. Außerdem befindet sich Brasilien in einer schwierigen wirtschaftlichen Situation und in diesen Zeiten ist Waldschutz nicht einfach, egal unter welcher Regierung.

Claudia Kemfert: Die politische Lage auf der US-Bundesebene ist schlecht für jegliche Klimaabkommen. Glücklicherweise findet Klimaschutz – ganz losgelöst von der Bundesebene – auf regionaler Staatenebene statt. Die wirtschaftlichen Chancen durch Klimaschutz sind enorm, gerade in den USA. Das kann auch ein Präsident Trump nicht stoppen.
Im Hinblick auf Brasilien besteht mehr Grund zur Sorge: Brasiliens Klimabilanz steht und fällt mit der Rodung oder besser Nicht-Rodung der Urwälder. Sollten künftig wieder mehr Tropen- und Urwälder abgeholzt oder gar verbrannt werden, wird der Klimawandel verstärkt. Das wäre dramatisch. Hoffentlich lässt sich der brasilianische Präsident in Kattowitz überzeugen, dass sein Land weiterhin als globaler Klimaschutz-Vorreiter antritt.

Dieses Interview wurde von der Agentur für Erneuerbare Energien geführt. Hierbei handelt es sich um den ersten Teil, der im Renews, dem Newsletter der Agentur für Erneuerbare Energien, veröffentlicht wurde. Die Fortsetzung lesen Sie im hier

Foto: Prof. Dr. Claudia Kemfert (Copyright: DIW), Prof. Dr. Sonja Peterson (Copyright: IfW)

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