Potenzial Landwirtschaft

Die lokale Landwirtschaft ist mit ihrem Management von Flächen, Energie und (Roh-)Stoffströmen eine der wichtigsten Interessengruppen des kommunalen Klimaschutzes. Hinzu kommen verschiedene Felder, auf denen landwirtschaftliche Akteure Kommunen unterstützen, z.B. durch die Grünflächenpflege von örtlichen Maschinenringen. Es lohnt sich also für Kommunen, die Vernetzung und Kooperation mit der lokalen Landwirtschaft zu suchen und aufzubauen, auch um mögliche Konkurrenzen um Flächen und Rohstoffe zu moderieren und faire Ausgleiche zu schaffen.

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KLIMAFREUNDLICH VERPACHTEN

Direkten regulatorischen Zugriff auf die Art der Bewirtschaftung haben Kommunen auf ihren eigenen Grundstücken. Verfügt eine Kommune über landwirtschaftliche Flächen, die sie nicht selbst bewirtschaftet, kann sie diese an Landwirt*innen verpachten unter der Bedingung, dass bestimmte Auflagen einzuhalten sind. Diese bekannte Praxis aus dem Bereich des Natur- und Artenschutzes kann auch auf den Klimaschutz ausgeweitet werden: So können Treibhausgasemissionen vermieden werden, indem im Pachtvertrag der Stickstoffeintrag durch Düngemittel begrenzt und breitere Fruchtfolgen, Untersaaten oder Gründüngung vereinbart werden. Letztere helfen zudem beim Aufbau von Humus im Boden, einem wichtigen Kohlenstoffspeicher. Um den höheren Bewirtschaftungsaufwand oder auch die geringeren Flächenerträge auszugleichen, empfehlen sich Anreize wie günstige Pachtzinsen und lange Vertragslaufzeiten. Beratung für die klima- und naturfreundliche Verpachtung von Acker- und Grünland erhalten Kommunen unter www.fairpachten.org.

KLIMASCHUTZBERATUNG

Beratungsleistungen für Bürger*innen und lokale Unternehmen gehören zu den häufigen Leistungen des kommunalen Klimaschutzes. Denn mit ihrem Know-how, dem Netzwerk vor Ort und den Planungskompetenzen besetzt die Kommune eine Schlüsselstelle, um klimafreundliche Lösungen zum Vorteil aller Beteiligten zu entwickeln, Projekte zu initiieren und etwaige Konflikte zu moderieren. Auch Landwirt*innen können von einer solchen Beratung profitieren. Gerade bei Energieprojekten hat sich die Kommune als wertvolle Anlaufstelle und Partnerin bewährt. Aber auch die Kompetenzen für spezifisch agrarische Themen können über die Kommune gebündelt zur Verfügung gestellt werden.
Der Landkreis Oldenburg etwa bietet gemeinsam mit der Landwirtschaftskammer Niedersachsen ein Beratungsangebot für landwirtschaftliche Betriebe an. Herzstück ist ein Treibhausgas-Emissionskalkulator, der den CO₂- Fußabdruck der teilnehmenden Betriebe errechnet. Auf dieser Basis können effektive Maßnahmen für Klimaschutz und Energieeinsparung in Ackerbau und Tierhaltung entwickelt werden.

PARTNER FÜR ENERGIEPROJEKTE

Die Energiebereitstellung aus Sonne, Wind, Biomasse & Co. benötigt Fläche – Fläche, die vor allem in der Landwirtschaft vorhanden ist. Daher sind Kommunen und Landwirt*innen seit langem bewährte Partner in Sachen Erneuerbare Energien. Laut dem Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik (IEE) wurden in Deutschland mehr als 70 Prozent der Windenergieanlagen an Land auf Agrarflächen errichtet. Fast 74 Prozent der Biogasanlagen gehörten im Jahr 2019 Landwirt*innen. Kommunen und Landwirtschaft können auf verschiedene Weise kooperieren: Stadt- und Gemeindewerke können etwa Windräder auf Agrarflächen gegen Pachtzahlungen betreiben. Auch Freiflächen-Photovoltaikanlagen können in einigen Bundesländern auf benachteiligten Flächen errichtet werden. Ein besonders vielversprechendes Konzept ist hierbei die Agri-Photovoltaik, wo Ackerbau und Solarstromerzeugung fast ohne Flächenkonkurrenz realisiert werden. Die parallele Landnutzung erlaubt eine wesentlich höhere Flächenproduktivität.

Städte, Gemeinden und deren Eigenbetriebe können auch Energiekunden der Landwirtschaft sein. Häufig speisen Biogasanlagen ihre Abwärme in Nahwärmenetze ein, die öffentliche Einrichtungen wie Schulzentren, Schwimmbäder oder Bibliotheken versorgen. Aber auch an Wärmenetzen ist die Kommune nicht selten beteiligt, sowohl an der Betreibergesellschaft selbst als auch an der baulichen Umsetzung. Denn ihre Daten über Gebäudebestand und Beheizungsstruktur sind unverzichtbar bei der Planung. Gerne verlegen Kommunen mit den Wärmerohren auch weitere, zukunftssichere Infrastruktur wie Glasfaserleitungen.

Die Land- und Forstwirtschaft birgt zudem verschiedene Biomassepotenziale für die Kommune: Grün- und Heckenschnitt, Resthölzer, Schilf und Stroh können durch kommunale Wärmeversorger thermisch verwertet werden.

FLÄCHENMANAGEMENT

Ein wichtiges Instrument der kommunalen Planungshoheit ist die Flächennutzungsplanung, die auch über landwirtschaftliche Flächen verfügt. Diese sind in Deutschland rückläufig, während die Wohn- und Verkehrsbebauung zunimmt – nicht ohne Konflikte. Gerade an Siedlungsrändern stoßen die Interessen aufeinander. Denn während Landwirt*innen ihre Flächen halten möchten, benötigen Kommunen Grundstücke für vielfältige Zwecke: Der Neubau von Wohn- und Gewerbegebieten sowie Verkehrswegen, Grün- und Erholungsflächen, Gewässer- und Naturschutz.
Dennoch machen Agrarflächen heute einen erheblichen Teil der Fläche in deutschen Städten und Gemeinden aus, selbst in Großstädten. Dem Statistischen Bundesamt zufolge wird gerade in Städten mit einer Einwohnerzahl von über 100.000 Einwohner*innen mehr als ein Viertel der Fläche landwirtschaftlich genutzt. Während diese früher schlicht als Flächenreserve für die Siedlungsentwicklung wahrgenommen wurden, sind sie heute eine Chance für moderne Aufgaben des Flächenmanagements.

Gerade Themen wie Klimaschutz, aber auch Klimaanpassung, Natur- und Gewässerschutz lassen den stadtplanerischen Wert unversiegelter landwirtschaftlicher Flächen steigen. Zwar schließen sich etwa der Wohnungsbau und die Landwirtschaft gegenseitig aus, aber andere Nutzungsformen sind durchaus kombinierbar. Denn innerstädtisches Grün wie Freiluftschneisen und Wassergewinnungs- und Naherholungsgebiete lassen agrarische Nutzung zu. Naturschutzrechtliche Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen für Bauvorhaben können sehr wohl auf Acker- und Grünland stattfinden. Das kann zwar die Anbauerträge mindern, die aber durch Kompensationszahlungen seitens des Verursachers, also des Bauherrn, ausgeglichen werden (Beispiele unter www.landnutzungsstrategie.de). Auch entsprechende Anreiz- und Förderprogramme können helfen, divergierende Interessen unter einen Hut zu bringen oder zumindest anzunähern. So können Agrarflächen an den Siedlungsrändern langfristig erhalten und dennoch kommunalen Interessen gerecht werden.

Planungsinstrumente, um Raum- und Flächenmanagement als Querschnittsaufgabe unter Berücksichtigung verschiedener Ressorts und Perspektiven zu betreiben, werden von EU, Bund und Ländern gefördert, darunter LEADER-Regionen, Integrierte Ländliche Entwicklungskonzepte (ILEK) und Gemeindeentwicklungskonzepte (IGEK) sowie Klimaschutzkonzepte. Kommunen können passende Förderprogramme unter www.foerderdatenbank.de.

Dennoch bleibt der Grundkonflikt bestehen: Als Betroffene der kommunalen Entwicklungsplanung müssen viele Landwirt*innen ihre Flächen oder Ertragsmöglichkeiten darauf zumindest teilweise oder vorübergehend einschränken und sich auf die Bedingungen der Kommunalplanung einstellen. Dies gilt auch abseits der Siedlungsränder, wo Interessen der Landschaftsplanung und Landschaftsrahmenplanung mit bäuerlichen Interessen kollidieren und zu Widerstand gegen die Planungen führen können. Umso wichtiger ist es, die Planungskompetenzen behutsam und unter frühzeitiger Kooperation mit den ansässigen Betrieben anzuwenden.

REGIONALE DIREKTVERMARKTUNG

Regionale Produkte liegen im Trend – nicht nur bei ökologisch erzeugten Lebensmitteln. Verbraucher*innen verbinden mit Gemüse, Obst, Fleisch & Co. aus der Region nicht nur kürzere Transportwege, sondern auch höhere Qualität, Transparenz, Vertrauen und einen Beitrag für die regionale Wirtschaft. Für Landwirt*innen ist die Direktvermarktung vor Ort vor allem attraktiv, da sie höhere, kostendeckende Preise erlaubt und ihren Betrieb lokal sichtbar macht.

Kommunen können diese regionale Direktvermarktung auf verschiedene Weise unterstützen: So können sie beispielsweise per Marktsatzung klimafreundlich wirtschaftenden Betrieben den Zugang zu Wochenmärkten, Markthallen und Dorfläden erleichtern. Die Lebensmittelbeschaffung für öffentliche Einrichtungen wie Schulen, Kindergärten und Kantinen kann auf entsprechende Produkte aus der Region umgestellt werden. Zusätzlich können Kommunen die regionalen Wirtschaftskreisläufe stärken, indem sie Kooperationen unter Erzeugerbetrieben sowie mit regionalen Verarbeitungsbetrieben und dem Einzelhandel fördern.

Auf diese Weise machen Städte und Gemeinden die lokale Landwirtschaft positiv sichtbar für die Bevölkerung und tragen zu regionaler Identifikation und höherem Bewusstsein über gesunde und nachhaltige Ernährung bei. Kommunen helfen bei der regionalen Direktvermarktung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen.

DASEINSVORSORGE MIT LANDWIRTSCHAFT

Landwirtschaftliche Betriebe verfügen über Know-how und Kompetenzen, die Städten und Gemeinden helfen können, ihre Aufgaben der Daseinsvorsorge wahrzunehmen. Vielerorts übernehmen landwirtschaftliche Maschinenringe die Grünflächen- und Wegepflege sowie Heckenschnitt in öffentlichem Auftrag. Das dabei anfallende Schnittgut eignet sich oft für die klimafreundliche Wärmeversorgung. Der Landkreis Marburg-Biedenkopf etwa nutzt ein digital gestütztes Heckenmanagement, um die Hecken und Gehölze im Kreis systematisch und fachgerecht zurückzuschneiden. Nur so können Hecken ihre Funktion für Artenvielfalt, Erosionsschutz und Wasserhaushalt entfalten. Dabei setzt der Landkreis auf das Open-Government-Konzept, also die Kooperation mit lokalen Akteuren wie Anwohner*innen, Umweltorganisationen und Landwirt*innen. Das Schnittgut aus der Heckenpflege versorgt das Bioenergiedorf Oberrosphe mit klimafreundlicher Wärme. Mehr unter www.marburg-biedenkopf.de/heckenmanagement.

VORBILDLICHE EIGENBETRIEBE

Auch Kommunen können Landwirtschaft betreiben – nämlich auf ihren eigenen Höfen. Mit diesen Eigenbetrieben können sie ihre flächenpolitischen Ziele mit Klima- und Naturschutz verbinden. Denn dort lassen sich Grundstücksvorräte bewahren sowie ökologische Ersatz- und Ausgleichsmaßnahmen und Klimaschutz umsetzen, ohne die Flächen brachliegen zu lassen. Da diese Betriebe in der Regel extensiv wirtschaften, eignen sie sich besonders als Vorbild für die Landwirt*innen in der Region. Hier können Kompetenzen für klima- und naturfreundliche Wirtschaftsweisen aufgebaut und angewandt werden, was wiederum in die kommunale Klimaschutzberatung einfließen kann. Darüber hinaus haben sich kommunale Bauernhöfe für die Naherholung sowie zur Ernährungs- und Umweltbildung bewährt. So können Bildungsangebote für Schulen und Kindergärten geschaffen sowie der Dialog zwischen Landwirtschaft und Verbraucher*innen gestärkt werden. Die Stadtgüter München betreiben beispielsweise zehn Eigenbetriebe innerhalb und im Umland der Isarmetropole. Mit insgesamt rund 2.800 Hektar Fläche. Mehr unter www.stadtgueter-muenchen.de.