Mythos #7: Sind Atomkraftwerke sicher?
Nein! Fakt ist: Viele Atomkraftwerke haben kaum höhere Standards als Tschernobyl zum Zeitpunkt der Reaktorkatastrophe. Selbst moderne Atomkraftwerke bergen enorme Sicherheitsrisiken.
Harrisburg, Tschernobyl, Fukushima – Orte, die zum Synonym für das sogenannte Restrisiko der Atomkraft geworden sind. 100 Prozent Sicherheit gibt es nicht, nirgendwo. Ob es menschliche Fehler sind, wie in Tschernobyl, oder Naturgewalten wie das Erdbeben in Japan, es gibt Faktoren, die nicht vorhersehbar und nicht beherrschbar sind. Daran hat sich in mehr als 60 Jahren „friedlicher Nutzung der Kernenergie“ bis heute nichts geändert. Mit dem zunehmenden Alter der Anlagen und den Gefahren durch Terrorismus und Krieg wird das Risiko nicht kleiner. Trotzdem diskutiert man in vielen Ländern über weitere Laufzeitverlängerungen und auch Neuinvestitionen in Atomkraftwerke. Ein Beispiel für jüngste Laufzeitverlängerungen ist Belgien. Statt die Reaktoren Tihange 3 und Doel 4 wie geplant bis 2025 stillzulegen, sollen sie aufgrund mangelnder Gaslieferungen aus Russland zehn Jahre länger in Betrieb bleiben. Das Vorhaben wird von vielen kritisch gesehen, da sich andere Reaktorblöcke an diesen Standorten (insbesondere Tihange 1+2) in der Vergangenheit durch zahlreiche Pannen ausgezeichnet haben. Sie stellen ein enormes Risiko mitten in Europa dar.
Dabei zeigt ebenfalls das Beispiel Frankreich, wie unzuverlässig und teuer die Atomenergie ist, wenn man die Ansprüche an die Sicherheit nicht einfach komplett aufgibt: Angesichts einer Serie von Pannen und Abschaltungen französischer Atomkraftwerke fragte der Spiegel im Januar 2022 „Was ist mit Frankreichs Kernreaktoren los?". Mehrere AKW waren im Zuge von Sicherheitsüberprüfungen aufgrund von Mängeln vorsorglich vom Netz genommen worden. Bei einer Routine-Inspektion waren Risse in der Nähe von Schweißnähten an Rohrleitungen entdeckt worden, die zum Sicherheitskühlsystem gehören. Zudem gab es Probleme mit Korrosion. Was es bedeutet, wenn Reaktoren im Ernstfall nicht ausreichend gekühlt werden können, konnte man in Fukushima beobachten. Dabei betrafen die festgestellten Mängel in Frankreich Reaktoren mit einem Alter von 23 bis 25 Jahren, also ausgerechnet die modernsten in Betrieb befindlichen AKW.
Neben Ärger mit der bestehenden AKW-Flotte verzögern und verteuern sich Neubauprojekte weiter. Trotzdem hält Frankreichs Präsident Emmanuel Macron an seinen Plänen zur Erneuerung der AKW fest und träumt von kleinen, neuen Reaktortypen, sogenannten Small Modular Reactors (SMR). Doch allein die hohe Anzahl an Reaktoren würde schon Probleme mit sich bringen. Um die heute weltweit mehr als 400 großen Reaktoren zu ersetzen, müssten mehrere tausend SMR-Anlagen gebaut werden, wobei die Fragen zu Sicherheit, Transport, Rückbau sowie zur Zwischen- und Endlagerung genauso ungeklärt sind wie für die großen, alten Anlagen.
Wer heute immer noch eine Wiederinbetriebnahme der letzten im April 2023 stillgelegten AKW in Deutschland ins Spiel bringt, lässt dabei nicht nur das mangelnde Interesse bzw. die diesbezüglichen Absagen der Betreiber außer Acht, sondern auch die notwendigen aufwändigen Sicherheitsprüfungen im Zuge entsprechend notwendiger Genehmigungen. Schon vor der Stilllegung wurden die turnusmäßigen Inspektionen nur angesichts des beschlossenen Ausstiegs unterlassen. Auch wegen des dringend notwendigen weiteren Ausbaus der Erneuerbaren Energien haben Atomkraftwerke keine Zukunft. Die Technologien passen nicht zusammen, da der AKW-Betrieb keine ausreichende Flexibilität aufweist. Der flexible Lastfolgebetrieb würde Risiken aufgrund von Materialermüdung und -verschleiß bergen.
Auch wenn Schweden und Finnland inzwischen den Bau von Endlagern beschlossen haben und Finnland beim Bau recht weit fortgeschritten ist, ist ein sicheres Endlager für Atommüll weltweit noch nicht in Betrieb. Die möglichen Folgen von Krieg und Gewalt im Hinblick auf Atomkraftwerke zeigten sich jüngst bei den wiederholten Angriffen Russlands auf das Atomkraftwerk Saporischschja und der Besetzung von Tschernobyl in der Ukraine. Die Attacken lösten weltweit Besorgnis aus, auch wenn es bisher noch einmal gut gegangen ist.
In unserem Video-Interview anlässlich des 36. Jahrestags des Reaktorunfalls von Tschernobyl berichten Almut Petersen (Bürgerwerke), Dr. Simone Peter BEE), Sebastian Sladek (EWS Schönau) und Jörg Müller (ENERTRAG), wie dieses Ereignis ihr Leben geprägt hat.
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