Finanzielle Beteiligungsmodelle

Welche Möglichkeiten gibt es für Bürger*innen?

Beteiligung von Bürger*innen wird als wichtiges Mittel gesehen, die Akzeptanz von Erneuerbare-Energien-Anlagen zu steigern. Im Forschungsvorhaben ReWA wird deshalb der Zusammenhang von Wertschöpfung, Beteiligung und Akzeptanz an Hand von realen Fallbeispielen in sechs Kommunen untersucht. Die Unterscheidung praxisrelevanter Beteiligungsmodelle spielt dabei eine zentrale Rolle.

Hier geben wir einen Überblick, welche Modelle in der Praxis zu finden sind und welche von den ReWA-Kommunen genutzt werden:


Verschiedene Arten der Beteiligung beinhalten unterschiedliche Intensitäten der Mitspracherechte. Unter „Mitsprache“ werden hier Entscheidungsbefugnisse verstanden, die durch eine (Mit-)Eigentümerschaft an konkreten Erneuerbare-Energien-Projekten einhergehen und deren unternehmerischen Ausgestaltung und Betriebsführung beinhalten. Neben diesen durch die Eigentümerschaft an den EE-Anlagen gegebenen Mitspracherechte werden auch die Mitspracherechte zur Verwendung finanzieller Mittel berücksichtigt, beispielsweise wenn Bürger*innen, Kommunalvertreter*innen oder andere regionale Akteur*innen in den Entscheidungsgremien von Fonds- oder Stiftungsmodellen beteiligt sind. Dass kommunale Akteur*innen die Bevölkerung etwa in Planungs- und Genehmigungsprozessen formell oder informell „mitsprechen“ lassen, Dialog- und Informationsveranstaltungen organisieren sowie Energie- und Klimaschutzkonzepte als Grundlage des EE-Ausbaus zur Abstimmung geben, wird hier nicht berücksichtigt, da damit keine direkten finanziellen Mittelflüsse verbunden sind.

a) Indirekte finanzielle Beteiligung

Die finanzielle Beteiligung der Bürger*innen an Erneuerbare-Energien-Projekten vor Ort kann auf indirekte Weise erfolgen. Dies kann beispielsweise durch Fonds, Stiftungen, Sponsoring oder Zahlungen der Anlagenbetreiber an die Kommunen ermöglicht werden. Die Beteiligten profitieren demnach nicht von ausgeschütteten Dividenden, sondern von der durch die Anlagen generierte Wertschöpfung, wie etwa bei Fonds- oder Stiftungsmodellen oder vergünstigten Bürgerstromtarifen. Die Mitsprache-Möglichkeiten sind in diesem Modell nicht vorhanden oder niedrig, wenn sie auf Entscheidungsbefugnisse zur Verwendung der finanziellen Zuwendungen beschränkt sind. In der ReWA-Kommune Schlöben (Thüringen) erhalten beispielsweise die Mitglieder des genossenschaftlich organisierten „Bioenergiedorfs“, welches eine vollständig auf Erneuerbare Energien basierende Wärmeversorgung der Gemeinde ermöglicht, zusätzlich einen kostenlosen Anschluss an das Nahwärme- sowie das durch Glasfaserkabel verstärkte Telekommunikationsnetz.

b) Fremdkapitalbeteiligung

Eine Beteiligung an Erneuerbare-Energien-Projekte durch die Bereitstellung von Fremdkapital bietet die Möglichkeit, unmittelbar an den Erträgen der jeweiligen Anlagen teilzuhaben, ohne die direkten unternehmerischen Risiken zu tragen. Exemplarisch stehen hierfür etwa Darlehensverträge oder Mezzaninkapital. Die Mitsprache-Möglichkeiten sind hier ebenfalls niedrig. In der ReWA-Kommune Tuningen (Baden-Württemberg) bietet die betreibende EnBW Solar GmbH den Einwohner*innen ein „Nachrangdarlehen“ für den Solarpark an – also ein Darlehen mit qualifiziertem Rangrücktritt als Geldanlage. Das heißt, das Darlehenskapital einschließlich der Zinsansprüche kann also nicht zurückgefordert werden, wenn dies für den Darlehensnehmer zur Insolvenz führen würde. Diese Anlageform ist in Tuningen auf eine Laufzeit von fünf Jahren angelegt und wird jährlich mit 2,5 Prozent verzinst.

Weiterhin werden in manchen Regionen sogenannte Bürgersparbriefe durch regionale Banken ausgegeben. Dabei handelt es sich um eine eher indirekte Fremdkapitalbeteiligung, da mit der Bank ein Intermediär zwischengeschaltet ist. Diese ideelle Beteiligung der regional ansässigen Bürger*innen an einem Investitionsvorhaben ist eine laufzeitgebundene und festverzinste Spareinlage. Anleger*innen tragen damit zur erfolgreichen Entwicklung der Region bei und sind trotzdem finanziell unabhängig vom eigentlichen Projekterfolg. Oft werden solche Partizipationsformen für bereits in Betrieb genommene EE-Anlagen angeboten, deren Planungs- und Genehmigungsphasen bereits abgeschlossen sind. Dieses Beteiligungsmodell bietet allerdings die Möglichkeit, die breite Bevölkerung einzubeziehen, da die Stückelung beliebig und somit beispielsweise kleiner ausgestaltet werden kann und solche Spareinlagen bei bekannten regionalen Finanzpartnern einfacher wahrzunehmen sind. In der ReWA-Kommune Lommatzsch (Sachsen) können sich Bürger*innen am örtlichen Windpark über ein Angebot des Betreibers VSB und der Deutschen Kreditbank (DKB) finanziell beteiligen: Das Modell des „DKB-Bürgersparens“ bietet ihnen eine festverzinsliche Geldanlage mit einer dreijährigen Laufzeit an.

c) Eigenkapitalbeteiligung ohne Stimmrechte (reine Genussrechte)

Eigenkapitalbeteiligungen können von Erneuerbaren-Energie-Projekten auch angeboten werden, um Eigenkapital einzuwerben, ohne dabei gesellschaftsrechtliche Mitwirkungsrechte zu vergeben. Solche reinen Genussrechte sind mit einem festen Zins- oder einem Gewinnanspruch verbunden. Letztere Ausrichtung in Kombination mit Haftungsrechten oder Nachrangvereinbarungen führen zu einer deutlicheren Zuordnung zum Eigenkapital. Generell sind die Ausgestaltungen der Rechte und Pflichten aber vom Emittenten frei gestaltbar. Ohne Mitwirkungsrechte sind reine Genussrechte gegenüber eine festverzinslichen Fremdkapitalbeteiligung eher bei geringen Projekt-Risiken und höheren Renditenaussichten attraktiv. Sie können aber durchaus eine breite finanzielle Beteiligung der regionalen Bevölkerung unterstützen.

d) Eigenkapitalbeteiligung mit Stimmrechten

Eine weitere Möglichkeit, Mitsprache bei Erneuerbare-Energien-Projekten zu erhalten, bietet die Eigenkapitalbeteiligung mit Stimmrechten. Hier lassen sich zwei verschiedene Formen unterscheiden: Zum einen die finanzielle Beteiligung mit einem Stimmrechteanteil, der sich an der Höhe des Eigenkapitalanteils bemisst (z.B. bei einer GmbH & Co. KG). Zum anderen können die Stimmrechte unabhängig vom Kapitaleinsatz und über die Anzahl der Eigentümer*innen gleichmäßig verteilt sein (z.B. bei einer Genossenschaft). Die ReWA-Kommune Hünfelden (Hessen) wendet dieses Modell am „Bürgerwindpark Hünfeldener Wald“ an: Dessen Betreibergesellschaft wurde in Form einer Bürgerenergiegesellschaft (GmbH & Co. KG) gegründet. Die Bürger*innen vor Ort können sich mit einer Kommanditbeteiligung ab 1.000 Euro einbringen und erhalten im Gegenzug Stimmrechte (je eins pro Investor*in) in der Gesellschaftsversammlung. Beim Solarpark der ReWA-Kommune Uttenreuth (Bayern) wird ebenfalls auf das genossenschaftliche Modell gesetzt: Mehr als 400 Bürger*innen sind derzeit über drei verschiedene Bürgerenergiegenossenschaften am Solarpark beteiligt, erhalten somit ein Stimmrecht pro Person und profitieren zudem von den wirtschaftlichen Erträgen, sodass die Wertschöpfung zum größten Teil in der Region bleibt. In der ReWA-Kommune Reußenköge (Schleswig-Holstein) ist mit insgesamt 84 Anlagen einer der weltweit größten Windparks in Bürgerhand zu finden. Der Projektierer Dirkshof bietet allen Ortsansässigen die Möglichkeit, sich am Windpark mit Eigenkapital zu beteiligen. Die Betreibergesellschaft Bürgerwindpark (BWP) ist als GmbH & Co. KG organisiert und sichert allen Beteiligten entsprechende Stimmrechte zu. Dabei wird großen Wert darauf gelegt, dass Interessierte unabhängig ihres sozialen Hintergrunds partizipieren können – mit Erfolg: Heute sind fast alle der ca. 300 Bürger*innen der Gemeinde finanziell am Windpark beteiligt.