Neue Generation von Wärmenetzen
Die Zukunft der Wärmenetze ist erneuerbar. Neuerkich-Külz und Büsingen zeigen, inwiefern die praktische Umsetzung anhand der Kombination von Solar- und Bioenergie schon heute gelingen kann.
Das Tandem aus Bioenergie und Solarthermie bringt viele Vorteile bei einer Wärmeversorgung auf Basis von Erneuerbaren Energien mit sich. Die brennstoffarme und technisch einfache Solarthermie kann die Verbrennung von Biomasse im Sommer entlasten. Denn der ansteigende Bedarf an nachwachsenden Ressourcen, bedingt durch die Umstellung auf erneuerbare Wärme, kann nicht unbegrenzt durch Biomasse gedeckt werden. Die Solarenergie schafft es, die relativ geringe Wärmenachfrage im Sommer alleine abzudecken und spart so Betriebskosten ein. Solarthermische Anlagen können nur mithilfe von ausreichend Wärmespeichern effizient arbeiten, um auf diese Weise die Diskrepanz zwischen hohen Erzeugungsspitzen zur Mittagszeit und der gleichzeitig niedrigen Wärmenachfrage auszugleichen. Neben der Vermeidung von unwirtschaftlichen Teillastbetriebszuständen schafft die Solarthermie zudem Zeit für Wartungen an den Bioenergieanlagen.
Ein Netz für zwei Gemeinden
Die knapp 800 Bewohner der rheinlandpfälzischen Ortsgemeinden Neuerkirch und Külz standen vor einer gemeinsamen Herausforderung: Wie kann ihre kommunale Wärmeversorgung möglichst effizient auf Erneuerbare Energien umgestellt werden? Nachdem vorerst unabhängig voneinander beraten wurde, fand sich letztlich eine gemeinschaftliche Lösung. Ortsbürgermeister Volker Wichter aus Neuerkirch betont: „Die Besonderheit unseres Wärmeprojektes liegt auch darin, dass erstmalig ein gemeinsamer Nahwärmeverbund für zwei angrenzende Orte errichtet wurde.“ Die Verbandsgemeindewerke Simmern, welche Errichtung und Betrieb von Anlagen und Netz übernommen haben, investierten rund fünf Millionen Euro. Zusätzlich wurde das Projekt durch die KfW und das Land Rheinland-Pfalz gefördert. Die Gemeinde konnte mithilfe von Einnahmen aus dem Betrieb ihrer 18 Windenergieanlagen eine Förderung von 4.000 Euro für Bürger anbieten, die ihre Wärmeversorgung auf Erneuerbare Energien umstellen. „Unsere Gemeinden gestalten bereits seit Jahren, auch Dank der Einnahmen aus der Windkraft, unsere Orte zukunftsfähig“, sagt Bernd Ries, Ortsbürgermeister von Külz.
Durch den größeren zu deckenden Wärmebedarf der beiden Ortsgemeinden stellte die Kombination von Solarthermie und Holzenergie für das sechs Kilometer lange Netz eine wirtschaftliche Option dar. Die 1.400 Quadratmeter-große Solarthermieanlage (650.000 Kilowattstunden Leistung) nutzt seit Sommer 2016 Sonnenenergie zur Wärmeerzeugung. Mithilfe eines 120.000 Liter Pufferspeichers deckt die Anlage im Sommer 100 Prozent des Wärmebedarfs ab. Kombiniert mit der Wärme aus zwei Holzhackschnitzelkesseln (1.260 Kilowatt Leistung), kann die Versorgung der 140 angeschlossenen Haushalte auch im Winter sichergestellt werden. Falls beide Anlagen ausfallen springt ein Ölkessel als Reserve ein. Volker Wichter sieht einen klaren Vorteil in der Kombination aus Solar- und Bioenergie: „Hierdurch werden die lokalen Biomassepotentiale geschont und können möglichst effektiv genutzt werden“. Durch die gemeinschaftliche Nahwärmelösung sparen Neuerkirch und Külz pro Jahr über 300.000 Liter Heizöl ein.
Sonne und Holz in einem Wärmenetz
Die baden-württembergische Gemeinde Büsingen setzt auf dasselbe Erfolgsrezept: 2013 wurde das Konzept des Bioenergiedorfs um eine große solarthermische Kollektoranlage erweitert, um die 1.300 Einwohner mit Wärme zu versorgen. Erkenntnisse aus Projekten in Dänemark brachte die Planer auf die Idee, trotz geringer Sonneneinstrahlung auf ein großes Solarthermieprojekt zu setzen: Im Sommer reicht die Solarthermie für die Warmwasserbereitsstellung aus. Insgesamt erzeugt das 1.090 Quadratmeter große Solarthermie-Kollektorfeld 12 Prozent der Wärme. Ergänzt wird das System sowohl durch ein Hackschnitzelheizwerk mit einer Leistung von 1.350 Kilowatt, welches die restlichen 88 Prozent Wärme bereitstellt als auch durch zwei Speicher mit einer Kapazität von je 50 Kubikmetern Warmwasser. Als Reserve für Wartungsarbeiten oder Ausfall kommt der Ölkessel nur selten zum Einsatz. Das sechs Kilometer lange Nahwärmenetz verbindet 107 Gebäude und spart durch den Betrieb der Bio-Solar-Kombianlage rund 450.000 Liter Heizöl und 1.200 Tonnen Kohlendioxid (CO2) jährlich ein.
Bei Investitionskosten von 5,5 Millionen Euro für das Nahwärmenetz, konnte die Kommune auf Förderungen des Landes Baden-Württemberg und ein KfW-Darlehen zurückgreifen. Die Investition in das Tandem von Bio- und Solarenergie ist gegenüber dem Heizen mit nur einem System erst einmal höher. Die Solarthermieanlage kann das Heizen mit Holz im Sommer jedoch entlasten, der Holzbedarf der Gemeinde Büsingen wird gesenkt und ermöglicht so Einsparungen bei den Betriebskosten. Bürgermeister Möll ist sich sicher: „Auch rückblickend ist die Kombination aus Bio- und Solarthermie die beste Lösung für unsere Gemeinde. Die Investitionen in ein Nahwärmenetz auf Basis von Erneuerbaren Energien müssen immer langfristig betrachtet werden. Auch bei derzeit niedrigen Gaspreisen zeigt die Vollkostenrechnung, dass die Erneuerbaren nicht teurer sind. Gleichzeitig profitiert die Gemeinde ökologisch enorm von den positiven Effekten dieses Projektes“.
Das Förderprogramm „Modellvorhaben Wärmenetzsysteme 4.0 (Wärmenetze 4.0)“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) bietet seit dem 1. Juli 2017 finanzielle Unterstützung für eine neue Generation von Wärmenetzen. Sogenannte Wärmenetze 4.0 setzen auf Erneuerbare Energien: Der Anteil Erneuerbarer Energien und Abwärme an der jährlichen Wärmeeinspeisung muss mindestens 50 % betragen. Das Förderprogramm identifiziert unter anderem die Kombination von Biomasse und Solarthermie als geeigneten Netztyp. Moderne Netztypen zeichnen sich dadurch aus, ihre Energie mit niedriger Temperatur (20-95 Grad im Vorlauf) zur Verfügung zu stellen. In den geförderten Nah- und Fernwärmeprojekten wird Abwärme durch eine Kombination von Wärmepumpen und saisonalen Großspeichern effizienter genutzt als in klassischen Wärmenetzen. Gefördert werden Machbarkeitsstudien (bis zu 60 Prozent) und die darauffolgende Umsetzung eines Wärmenetzsystems der vierten Generation (bis zu 50 Prozent der förderfähigen Vorhabenkosten). Das geförderte Wärmenetz kann entweder durch einen Neubau oder als Transformation eines bereits bestehenden (Teil-) Netzes realisiert werden. Somit bietet das Förderprogramm neben der Einbindung von Neubaugebieten gleichzeitig eine klimafreundliche Lösung für Bestandsgebäude, in denen eine effiziente Sanierung wirtschaftlich oft nicht zu realisieren ist. Zur Kostensenkung werden auch Informationsmaßnahmen für AnwohnerInnen und Kooperationen mit den lokalen und regionalen Fachhochschulen und Universitäten bezuschusst.
Die Inhalte dieses Artikels stammen aus der Broschüre Energie vom Land hält warm der Agentur für Erneuerbare Energien
Bildquelle
Neuerkirch, Külz und Büsingen: Bioenergiedorf Schlöben eG
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