Braunsbedra und Kozani: Gemeinsam durch den Strukturwandel
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Strukturwandel ist geprägt von Herausforderungen, Chancen und Veränderungen. Die Städte Braunsbedra und Kozani teilen ihre Erfahrungen zum Kohleausstieg, um den Weg in eine nachhaltige Energieversorgung zu erleichtern. Das Projekt Energiewende Partnerstadt unterstützt die beiden Kohleregionen darin, die Energiewende über nationale Grenzen hinaus erfahrbar zu machen und sich mit europäischen Partner*innen auszutauschen.
Braunsbedra liegt in einem ehemaligen Braunkohleabbaugebiet in Sachsen-Anhalt. Die Region hat im 20. Jahrhundert mithilfe der Braunkohleindustrie von neuen Arbeitsplätzen und Neuzuzügen profitiert. Doch auch der aktuelle Strukturwandel zeigt bereits jetzt neue wirtschaftliche Chancen auf: neue Unternehmen wurden gegründet, darunter die Mitteldeutsche Umwelt- und Entsorgungsgesellschaft und die Energie-, Wasser- und Abwassergesellschaft Geiseltal GmbH. Darüber hinaus hat Braunsbedra den Prozess des Strukturwandels genutzt, um neue Wirtschaftszweige wie den Tourismus zu etablieren: Die ehemaligen Kohleabbaulöcher sind zur Seenlandschaft geworden und Häfen, Restaurants und Gasthäuser haben sich angesiedelt. Energie bleibt weiterhin ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, denn Braunsbedra hat sich zum Ziel gesetzt, während des Braunkohleausstiegs Erneuerbare Energien besonders zu fördern. So ist das ehemalige Kohlekraftwerk bereits in ein Heizkraftwerk umfunktioniert worden, welches regionale Holzabfälle verarbeitet und 2.200 Haushalte mit Wärme versorgt, wobei auch Strom zur Nutzung entsteht. Aktuell werden zusätzlich zum Holzhackschnitzel-Kraftwerk neue Pellet-Heizungen installiert, um insbesondere auch öffentliche Gebäude auf Erneuerbaren Energien umzustellen. Neben der erneuerbaren Wärme nutzt Braunsbedra Photovoltaikanlagen, die auf dem Gelände alter Chemieindustrien lokalen Strom erzeugen.
„Es gilt, den Transformationsprozess zu Erneuerbaren Energien voranzutreiben und mit den Herausforderungen umzugehen. Unser Heizkraftwerk zeigt, dass der Kohleausstieg Chancen bietet, die wir gemeinsam mit unserem europäischen Partner Kozani teilen möchten“, betont Steffen Schmitz, Bürgermeister in Braunsbedra.
Der Strukturwandel in Kozani steht noch am Anfang. Das Kohleabbaugebiet liefert zurzeit noch Rohstoffe für 20 Prozent des Energiebedarfs Griechenlands. Trotzdem zeigt Kozani, dass die Zukunft erneuerbar ist: Die Stadt erzeugt bereits 65.000 Kilowatt aus Solar- und Windenergie. Auch private Investor*innen installieren zusätzliche Erneuerbare-Energien-Anlagen. Viele Solarstromanlagen befinden sich auf den Dächern der Schulen und öffentlichen Gebäuden. Außerdem hat die Stadt für den eigenen Mobilitätsbedarf innerhalb der Verwaltung drei Elektro-Fahrzeuge angeschafft. Mit einer durch Kozani selbst ins Leben gerufenen Initiative für dezentrale und Erneuerbare Energie in Griechenland: The Greek Energy Network of Muncipalities, möchte die Stadt den Austausch zwischen Gemeinden des Transformationsprozess befördern und den Weg zu dezentraler, grüner Energie unterstützen.
„Wir stellen uns der Aufgabe des Strukturwandels und schauen gemeinsam mit anderen griechischen Gemeinden und unserem deutschen Partner Braunsbedra positiv in die Zukunft“ Lefteries Ioannidis, Bürgermeister in Kozani.
Kozani und Braunsbedra arbeiten derzeit an der Herausforderung, neue Arbeitsplätze in anderen Branchen zu schaffen. Ein besonderer Fokus der Kommunen liegt darauf, Tourismus mit Erneuerbaren Energien zu verbinden. Hierzu diskutieren die Kommunen wie ein Lernpfad zu Erneuerbaren Energien als Wanderweg um den Geiseltalsee in Braunsbedra möglich ist, um die Themen Energie und Tourismus zu verbinden. Doch auch die lokale Gesellschaft soll motiviert werden in genossenschaftlich organisierten Projekten Teil der Energiewende zu sein. Darüber hinaus sollen zukünftige Einnahmen und Investitionen der Erneuerbaren Energien Projekte den Tourismus fördern. Dabei ist den Städten auch wichtig, dass bestehende Industrieinfrastruktur wie beispielsweise das Kohlekraftwerk in Braunsbedra nicht abgebaut, sondern in anderer Form genutzt wird.
Austausch in Kozani (Februar 2020)
Am 24. und 25. Februar 2020 empfing die Stadt Kozani mit Bürgermeister Maloutas Lazaros die Gäste aus Braunsbedra. Die deutsche Delegation bestand aus Mitarbeiter*innen der Politik, der Verwaltung sowie dem Merseburger Innovations- und Technologiezentrum. Für die Workshops brachten die griechischen Organisator*innen aus dem Umwelt-Referat der Stadtverwaltung alle relevanten Stadträte und kommunale Unternehmen aus Kozani zusammen.
Nach der Vorstellung der derzeitigen Energieerzeugung machten die Gastgeber*innen aus Kozani deutlich, dass ihr Strukturwandel schnell voranschreiten muss, da der griechischen Ministerpräsident, Kyriakos Mitsotakis, den Braunkohleaussteig aus der Stromgewinnung bis 2028 beschlossen hat. So entwickelte sich ein Dialog, in dem die Gäste aus Braunsbedra sowohl ihre Erfahrungen mit dem Braunkohleausstieg, als auch mit dem Zusammenbruch der lokalen Chemieproduktion nach der deutschen Wiedervereinigung teilen konnten.
Beide Seiten tauschten sich besonders intensiv über die Verwendung von Bioenergie und Ersatzbrennstoffen für das lokale Wärmenetz aus. In Braunsbedra wird bereits ein Heizkraftwerk mit Rest- und Abfallstoffen mit einer Kapazität von 30 Megawatt betrieben. Für Kozani erarbeiten derzeitig das Waste Management System of Western Macedonia sowie das Cluster of Bioeconomy and Environment of Western Macedonia mögliche Lösungen, um die Müllverbrennung und Bioenergie für die Wärmeerzeugung nutzbar zu machen.
Auch die Nutzung und Rekultivierung der Tagebaue sind in beiden Städten ein wichtiges Thema. In Kozani soll ein Photovoltaik-Ausbau bis zu zwei Gigawatt auf diesen Flächen erfolgen. Braunsbedra errichtete mit der „Marina“ auf den gefluteten Baggerseen ein touristisch attraktives Naherholungsgebiet rund um den Geiseltalsee.
Am ersten Workshoptag führte eine Exkursion die deutschen Gäste zum Tagebaues Ptolemaida und dem West Macedonia Lignite Center, wo sich alle Teilnehmenden ein Bild von den Dimensionen des Strukturwandels machen konnten. Ein weiterer Ausflug hatte das Ilarionas Wasserkraftwerk zum Ziel, das seit 2014 in Betrieb ist und über eine Leistung von 150 Megawatt verfügt. Der erzeugte Strom des Wasserkraftwerkes reicht nicht für die Grundlast aus, sondern springt ein, sobald es Bedarf gibt. Im Vergleich zu Kohlekraftwerken kann das Erneuerbare Kraftwerk jedoch wesentlich flexibler an- und abgeschaltet werden.
Den ausführlichen Workshop-Bericht mit Bildern finden Sie hier.
Artikel in der energiezukunft Sommer 2020 - Ausgabe: Partnerstädte für Europas Energiewende
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