Ein wichtiger Baustein für die urbane Wärmewende: Biogas aus Bioabfällen
Grüne Wiesen vor einer idyllischen Landschaft, auf der Kühe grasend den Tag verbringen. Im Hintergrund der grüne Zipfel eines Fermenters der Biogasanlage des nächstgelegenen landwirtschaftlichen Betriebs. So oder so ähnlich stellen sich die meisten den Standort einer typischen Biogasanlage vor. Warum auch nicht? Biogas wird schließlich aus Gülle, Energiepflanzen oder Futterresten gewonnen. Viele vergessen dabei jedoch, dass ein weiterer Rohstoff zur Produktion von Biogas insbesondere in Ballungsräumen jährlich tonnenweise anfällt: Bioabfälle. Bei richtiger Mülltrennung und Nutzung schlummert hier ein bis heute unzureichend erschlossenes Potenzial zur Produktion von Biogas. Insbesondere wegen der Gaskrise des vergangenen Jahres gerät nun Biogas aus den Städten der Bundesrepublik in den Fokus.
Das Potenzial ist da, es muss aber weiter erschlossen werden
Laut dem Umweltbundesamt fielen in Deutschland 2020 10,3 Millionen Tonnen biogene Siedlungsabfälle an. Für die Herstellung von Biogas eignen sich auch die nassen Bio- und Speiseabfälle aus den Biotonnen ausgezeichnet. Diese fallen in großen Mengen vor allem in den städtischen Ballungsräumen an. Aktuell wird jedoch ein Großteil der Bioabfälle weiterhin unter freiem Himmel kompostiert und die in den Abfällen vorhandene Energie bleibt ungenutzt. Außerdem gelangt das bei der Kompostierung freigesetzte Methan direkt in die Atmosphäre. Methan ist als Treibhausgas jedoch circa 25-mal schädlicher für das Klima als Kohlendioxid. Deutlich klimafreundlicher wäre es, die Abfälle in Biogasanlagen fachgerecht zu vergären. So würde das dabei entstehende Biogas zur Erzeugung von Strom und Wärme genutzt. Die verbleibenden Gärreste könnten wiederum als natürlicher Dünger verwendet werden und so industriell hergestellte Dünger ersetzen.
Erste Pionierprojekte überzeugen, jetzt müssen die Städte handeln
Einer der Pioniere im Bereich der Erzeugung von Biogas aus Bioabfällen ist ALBA. Das Unternehmen aus der Recycling- und Entsorgungsbranche investiert schon seit einem Vierteljahrhundert in die Erzeugung von klimafreundlichen Brennstoffen aus Bioabfällen. Seit 1997 wird vor den Toren Braunschweigs Biogas aus dem Bioabfall und den Speiseresten der Stadt gewonnen. Auch das 2014 abgeschlossene und von der Europäischen Union mitfinanzierte Projekt „Urban Biogas“ endete mit einem positiven Ergebnis. In diesem wurde in fünf europäischen Städten das Potenzial der Herstellung von Biogas untersucht. In der kroatischen Hauptstadt Zagreb werden beispielsweise bis heute 20.000 Tonnen städtische Bioabfälle pro Jahr vergoren und zur Produktion von grünem Strom genutzt. Damit schöpft die Stadt weiterhin aber nur einen Bruchteil des vorhandenen Potenzials aus. Ein Großteil der Bioabfälle wird auf Halden gebracht, wo das entstehende Methan ungehindert in die Atmosphäre gelangt.
Hier liegt eines der größten Hindernisse der städtischen Erzeugung von Biogas. Bioabfälle können nur genutzt werden, wenn man sie getrennt sammelt. Untersuchungen des deutschen Naturschutzbundes zeigen, dass auch in Deutschland zu viele Landkreise und Städte immer noch auf Biotonnen verzichten. Obwohl es seit 2015 eine gesetzliche Pflicht zur getrennten Sammlung von Bioabfällen gibt, kommt jeder siebte Kreis und kreisfreie Stadt dieser Pflicht nicht oder nur unzureichend nach. Zusammenfassend gesagt: Die Mülltrennung muss noch besser werden. Das betrifft aber auch die Bürger*innen. Diese müssen die Tonnen schließlich richtig nutzen. Laut Schätzungen des Bundesumweltamtes liegt der Anteil von Bioabfall in den Restmülltonnen bei 40 Prozent. Umfragen zeigen, dass viele Bürger*innen schlicht nicht genau wissen, was in die Biotonne und was in die Restmülltonne gehört. In diesem Bereich kann nur eine weitere Aufklärung oder das Setzen von Anreizen über Gebühren helfen. Denn was einmal in der schwarzen Restmülltonne landet, wird unweigerliche verbrannt und geht damit für die Erzeugung von Biogas verloren.
Aber auch die Genehmigungsverfahren für Biogasanlagen müssen beschleunigt werden. Lange Verfahren bremsen auch in diesem Bereich die Energiewende aus. Eine von ALBA geplante Biogasanlage in Berlin-Pankow befindet sich beispielsweise seit über drei Jahren in der Genehmigungsphase. Um die deutschen Klimaziele zu erreichen, müssen diese zeitlichen Hürden schnellstmöglich überwunden werden. In einem erneuerbaren Energiesystem erfüllt Biogas nicht zuletzt die wichtige Rolle eines speicher- sowie regelbaren Energieträgers, der Schwankungen von Sonne und Wind zuverlässig ausgleichen kann. Aktuell werden so rund acht Prozent der Stromversorgung durch Biogas gedeckt. Städte müssen ebenso ein Bewusstsein dafür entwickeln, dass Bioabfälle als Rohstoff insbesondere in Ballungszentren erneuerbaren Strom und Wärme bereitstellen können und ihre bestehenden Entsorgungskonzepte dahingehend anpassen.
Zur Erreichung der Klimaziele müssen alle Potenziale ausgeschöpft werden
Grundsätzlich ist das deutsche Biogaspotenzial also groß und muss in Zukunft weiter ausgebaut werden. Insgesamt schätzen der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e. V. und der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfaches das Energiepotenzial von biogenen Abfällen – darunter fallen vor allem die Biotonne, Speisereste, tierische Exkremente sowie Erntereste – auf 140 Terawattstunden (TWh) im Jahr. Rechnerisch könnte damit ein Viertel des deutschen Stromverbrauchs gedeckt werden. Zum Vergleich: Jährlich werden – zumindest vor dem russischen Angriffskrieg und der damit verbundenen Substitution der Erdgasverstromung durch Braunkohle – in der Bundesrepublik durchschnittlich 65 Terawattstunden elektrische Energie mittels Erdgas und 55 TWh durch Steinkohle bereitgestellt. Schon eine Nutzung von 85 Prozent des Biogaspotenzials in Deutschland könnte diese fossilen Energieträger in der Stromerzeugung somit vollständig ersetzen.
Ein Großteil der biogenen Abfälle fällt zwar in den ländlichen Regionen an, weswegen auch dort eine weitere Erschließung der vorhanden Potenziale geboten ist, allerdings kann das Biogas in den Ballungszentren deutlich effizienter verwertet werden. Über Kraft-Wärme-Kopplung kann neben Strom auch Wärme produziert und über die vorhandenen städtischen Fernwärmenetze direkt in die Privathaushalte gebracht werden. Darüber hinaus kann man Industriegebiete mit günstiger und grüner Prozesswärme versorgen. Nicht zuletzt wird dadurch die Abhängigkeit von Gasimporten reduziert. Nicht verbrauchtes zu Biomethan aufbereitetes Biogas kann über bereits vorhandene Anschlüsse an das deutsche Gasnetz außerdem viel einfacher transportiert werden. Weitere Bedenken, wie Naturschutzkonflikte bezüglich der Flächennutzung auf dem Land und die Verfestigung von Monokulturen durch den Anbau von Mais oder Raps erübrigen sich ebenfalls, da Biomüll ohnehin in jedem Haushalt anfällt. Ganz im Gegenteil: Die Verwertung dieser Abfälle bringt das deutsche Energiesystem einen Schritt näher in Richtung Kreislaufwirtschaft.
Selbstverständlich können Städte in Zukunft nicht ihren gesamten Energiebedarf durch Abfälle aus der Biotonne decken. Eine konsequente Erschließung aller energetischen Potenziale und deren Einbringung in ein energetisches Gesamtkonzept bringt aber vor allem die Großstädte einen wichtigen Schritt näher in Richtung der angestrebten Klimaneutralität.
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