Großwärmepumpen sind eine Schlüsseltechnologie der Wärmewende

Nachdem dezentrale Wärmepumpen für die Heizung und Kälteversorgung von einzelnen Objekten schon weit verbreitet sind, erlangen Großwärmepumpen für die zentrale Versorgung in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung. 

VON RALF BISCHOF, RBID GMBH

© jci/stadtwerkerosenheim, RINK Media_72dpi

Für die Dekarbonisierung der Fernwärme werden Großwärmepumpen eine Schlüsselrolle spielen. Eine definierte Abgrenzung gibt es nicht, meist liegt die Grenze bei einer Heizleistung von einem Megawatt (MW). Die besondere Herausforderung dabei ist, dass Wärmenetze in Städten und Industrien historisch bedingt meist bei Temperaturen betrieben werden, die deutlich über den Vorlauftemperaturen in Wohn- oder Bürogebäuden liegen. Dies hat zwei Implikationen: Zum einen sinkt die Leistungszahl (siehe Kasten) der Wärmepumpe aus physikalischen Gründen mit der Temperaturdifferenz zwischen Wärmequelle und -senke. Wird sie größer, sinkt die Effizienz. Zum anderen erfordert die Überbrückung einer hohen Differenz aufwendigere Technik. Praktisch werden dann oft zwei Wärmepumpenkreisläufe mit unterschiedlichen Kältemitteln oder Druckniveaus in einem Gerät hintereinandergeschaltet. Dies erhöht die Kosten pro installiertem MW.

IKWK – DIE MISCHUNG MACHT'S

Großwärmepumpen werden vorwiegend in ein System von herkömmlichen (Block-)Heizkraftwerken, Wärmespeichern und direktelektrischen Kesseln eingebettet. Diese als innovative Kraftwärmekopplung (iKWK) bezeichneten Systeme bieten wesentliche wirtschaftliche und energetische Vorteile: Ist Strom aufgrund eines hohen Angebots an grüner Erzeugung oder geringer Nachfrage preisgünstig, werden Wärmepumpe und/oder Elektrokessel betrieben und sparen Brennstoff für die KWK-Anlage. Sind Wind- und Solarstrom dagegen knapp und der Strompreis hoch, läuft das Kraftwerk und stellt seine Abwärme für Heizung und Warmwasser bereit.

Bei überdurchschnittlich hohem Wärmebedarf können beide Anlagen parallel betrieben werden. Als Wärmequelle der Wärmepumpe dient dann auch die Abwärme aus der KWK-Anlage selbst. In Summe können so Brennstoffnutzungsgrade von 150 Prozent und mehr erreicht werden. Stehen beide Anlagen am gleichen Ort, entfallen Netzentgelte und unter bestimmten Umständen auch die Stromsteuer.

Ein großer Wärmespeicher vermeidet nicht nur das häufige Takten der Anlagen bei geringem Bedarf außerhalb der Heizperiode, sondern ermöglicht eine flexible Einsatzweise und damit die gezielte Reaktion auf Knappheit oder zeitlich begrenzten Überfluss von grünem Strom. Bei geeigneter Auslegung können der Handel im Intraday-Strommarkt oder die Bereitstellung von Ausgleichs- oder Regelenergie zusätzliche Deckungsbeiträge erbringen. Ebenfalls im Zusammenspiel mit großen Wärmespeichern können Heizkraftwerke, die im Sommer bei hohen Umgebungstemperaturen und in Teillast einen schlechten Wirkungsgrad besitzen, oft über lange Zeiträume ungenutzt bleiben. Dennoch steht frühmorgens heißes Wasser zum Duschen bereit.

Für den wirtschaftlichen Erfolg ist die sorgfältige Abstimmung aller Komponenten wichtig. Sollen beispielsweise variable Wärmegestehungskosten von 6 Cent je Kilowattstunde (ct/kWh) erreicht werden, so darf der Strom für einen elektrischen Kessel (Leistungszahl eins) diesen Wert nicht überschreiten, eine Wärmepumpe mit der Leistungszahl drei darf dagegen bis zu 18 ct/kWh für den Strom aufwenden, ohne operativ in die roten Zahlen zu rutschen. Zu beachten ist aber, dass die Wärmepumpe deutlich höhere Investitions- und Instandhaltungskosten als ein elektrisches Heizsystem nach sich zieht, weshalb sie eine hohe zeitliche Ausnutzung erreichen muss. Dort wo unabhängig vom Raumwärmebedarf eine hohe Grundlast besteht, rechnen sich Wärmepumpen daher in besonderer Weise.

Eine Möglichkeit dies sicherzustellen, ist die Wärmepumpen für die Bereitstellung von Kälte zu nutzen. Dient im Winter das Erdreich als Wärmequelle, so kann dieses im Sommer mit der Abwärme der Kältegewinnung regeneriert werden. Wärmepumpen können so den Untergrund als saisonalen Speicher erschließen.

WÄRMEQUELLEN – SELBST AUßENLUFT GEHT JETZT

Als Energiereservoir für Wärmepumpen eigenen sich besonders Quellen mit relativ hoher und über das Jahr konstanter Temperatur: Dies sind Wasser (Flüsse, Seen, Grundwasser), oberflächennahe Geothermie, Abluft (z.B. von Rechenzentren), Abwasser (auch nach Klärung) oder industrielle Abwärme. Die meisten gelten auch als erneuerbare Wärmequellen und sind damit besonders förderwürdig.

Flüsse sind aufgrund ihrer natürlichen Strömung interessant und eine Abkühlung durch Wärmepumpen – nichts anderes findet nämlich auf Seite der Wärmesenke statt – ist im Gegensatz zu den vielen Wärmeeinträgen durch Industrie und thermische Kraftwerke ökologisch willkommen. In Mannheim-Rheinau realisiert etwa die MVV Energie eine Flußwärmepumpe mit rund 20 MW thermischer Leistung am Rhein. Es müssen nicht immer große Flüsse sein: Die Stadtwerke Rosenheim haben 2021/2022 drei zweistufige Großwärmepumpen in die Fernwärmeerzeugung integriert (siehe Foto) und nutzen dabei die Temperatur des benachbarten Mühlbaches. Jede einzelne Wärmepumpe stellt 1,5 MW Heizleistung bereit und erreicht Jahresarbeitszahlen zwischen 2,5 und 2,8. Selbst Außenluft, die im Winter unter -10 Grad Celsius fallen kann, kommt inzwischen für Großwärmepumpen in Frage. So erhielten etwa die Stadtwerke Heidelberg Umwelt GmbH einen Zuschlag für ihr „Luftkraftwerk“ mit zwei MW Wärmeleistung in einer iKWK-Ausschreibung der Bundesnetzagentur.

Auch ökologisch bedenkliche Kältemittel sind keine Hürde mehr. So nutzen die Stadtwerke Neuburg a. d. Donau seit 2021 eine neu entwickelte Wärmepumpe, die ausschließlich auf Basis der natür­lichen Arbeitsmedien Ammoniak und Wasser arbeitet. Diese schädigen weder die Ozonschicht noch tragen sie zum Treibhauseffekt bei.

WIRTSCHAFTLICHE RAHMENBEDINGUNGEN HABEN SICH DEUTLICH VERBESSERT

Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für elektrische Wärme­pumpen haben sich wesentlich verbessert. Nicht nur ist die EEG-Umlage seit dem 1. Juli 2022 komplett entfallen, sondern auch mehrere andere Umlagen auf elektrischen Strom sollen zum 1. Januar 2023 entfallen. Daneben sieht das Kraftwärmekopplungsgesetz spezielle Förderung für die iKWK sowie ihre Komponenten vor. Auch das BAFA (Wärmenetzsysteme 4.0) und die KfW (Erneuerbare Energien – Premium) bieten Unterstützung an.

Dieser Gastbeitrag erschien in unserem Kommunalmagazin KOMM:MAG.


Zur Information:

Die Leistungszahl bzw. der COP – von englisch coefficient of performance – beschreibt, wieviel thermische Leistung die Wärmepumpe bezogen auf die aufgenommene elektrische Leistung abgibt. Sie hängt im Wesentlichen von den Temperaturen der Wärmesenke und -quelle ab und kann in etwa so abgeschätzt werden: 0,5 x (Temperatur Wärme­quelle in Grad Celsius + 273) / Temperaturunterschied zwischen Quelle und Senke.

Die Jahresarbeitszahl (JAZ) beschreibt die im tatsächlichen Betrieb erreichte durchschnittliche Leistungszahl der Wärmepumpe. Hierbei sind unterschiedliche Umgebungs­bedingungen, Betriebsweisen und der Verbrauch von Neben­aggregaten (Lüfter, Pumpen) zu berücksichtigen.