Deutschlands Wärmenetze - die großen und die kleinen Unbekannten
Die Wärmeversorgung über Netze ist einer der großen Hebel für eine erfolgreiche Wärmewende. Allerdings sind die bestehenden Wärmenetze und ihre notwendige Umrüstung auf ein klimafreundlicheres Energieangebot für die Bundesregierung in mancherlei Hinsicht große Unbekannte. Das jedenfalls geht aus ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen hervor. So hält sich die Regierung mit Aussagen zum Klimaschutzpotenzial umweltfreundlicher Technologien, die Kohle als Brennstoff in den Wärmenetzen ersetzen, stark zurück. Das Ergebnis hänge von den spezifischen Brennstoffen ab, vom Wirkungsgrad der Anlagen sowie der Stromkennzahl, stellt die Regierung fest. Klar ist: Die Emissionen von Erdgas werden mit 200 Gramm Kohlendioxid je Kilowattstunde (g CO2/kWh) angegeben, bei Braunkohle ist es fast das Doppelte. Trotzdem erreicht der Anteil der Kohle als Energieträger für die Wärmenetze in Deutschland noch rund 27 Prozent. Welche Heizkraftwerke nun tatsächlich auch in Wärmenetze einspeisen, kann die Regierung in ihrer Antwort auf die Anfrage der Bündnisgrünen nicht sagen, denn die Wärmenutzung durch Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) ist auch durch direkte Auskopplung, z.B. für industrielle Prozesswärme, möglich.
Ohne Klimabelastung lassen sich hingegen Erneuerbare Energien in den Wärmenetzen nutzen, wie die Agentur für Erneuerbare Energien (AEE) in ihrer Metastudie die „Neue Wärmewelt“ gezeigt hat. In der Studie befürwortet die AEE, die Bioenergie statt in Einzelheizungen künftig verstärkt in Netzen oder für Anwendungen in der Industrie zu nutzen. Das sei wichtig, um Kohle und Gas im Bereich der industriellen Prozesswärme klimaneutral zu ersetzen.
Potenziale für die verstärkte Nutzung Erneuerbarer Energien in Wärmenetzen sind reichlich vorhanden. Neben Bioenergie und Erdwärme eignet sich auch die Solarthermie bestens für die Einbindung in Nah- und Fernwärmelösungen. Hier können große Wasserspeicher integriert und ein optimales Zusammenspiel mit KWK-Anlagen erreicht werden. Dadurch haben große Solarthermieanlagen, die in Wärmenetze eingebunden sind, laut Neuer Wärmewelt deutliche Vorteile in der Wirtschaftlichkeit. Die Metastudie legte einen Zielwert von rund 100 Milliarden Kilowattstunden (Mrd. kWh) als jährlichen Gesamtbeitrag der Solarthermie in einem Mix Erneuerbarer Energien zugrunde, der für ein Komplettangebot mit erneuerbarer Wärme sorgt. Das entspricht mehr als einer Verdreifachung der aktuell an erneuerbarer Wärme in die Netze eingespeisten Gesamtmenge.
Denn wie die Bundesregierung auf die Bündnisgrünen-Anfrage erklärt, steuerten die Erneuerbaren zuletzt 28,9 Mrd. kWh zur Nah- und Fernwärmeversorgung in Deutschland bei, womit innerhalb von zehn Jahren etwa eine Verdopplung erreicht werden konnte. Gleichzeitig ging die Nutzung von Braun- und Steinkohle allerdings nur um rund 15 Prozent auf 39,3 Mrd. kWh zurück, während die Verbrennung von Erdgas für die Fernwärme um rund 20 Prozent auf 57,9 Mrd. kWh sank.
Wie wichtig der Ausbau der Erneuerbaren Energien in der Fernwärme ist, zeigt ein Blick auf die Neubau-Statistik. Während der Anteil der Wärmenetze an der Versorgung im Wohnungsbestand bei 14 Prozent liegt, erreicht er laut Angaben des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) bei Neubauten mit 25 Prozent deutlich höhere Werte. Die Steigerung ist wenig überraschend, weil die Fernwärme einen Wettbewerbsvorteil hat: Laut Erneuerbare-Energien-Wärme-Gesetz (EEWärmeG) entbindet der Anschluss an ein Wärmenetz von der Pflicht, Erneuerbare Energien wie Solarthermie oder Holzenergie im Neubau einzusetzen, sei es komplett oder anteilig. Somit ist eine Konkurrenzsituation zwischen Erneuerbaren und Fernwärme geschaffen worden. Diese gilt es aufzulösen. Dreh- und Angelpunkt: Die Anteile Erneuerbarer Energien in den Wärmenetzen stark erhöhen und den Kohleanteil massiv absenken. Dafür ist der schnelle Ausstieg aus der Kohleverstromung unabdingbar. Die viel beschworene Sektorenkopplung zwischen Strom- und Wärmesektor, in der KWK ist sie bereits Realität.
Leider wird bei der KWK aber mit zweierlei Maß gemessen: Anders als bei abgeschriebenen Kohlekraftwerken sind auskömmliche Erlöse aus der Wärmevermarktung z.B. für Bioenergieanlagen künftig überlebenswichtig, zumal ihre Einspeisevergütungen für Ökostrom, so in der aktuell wieder anstehenden staatlichen Ausschreibung der Bundesnetzagentur, knapp kalkuliert sind. Für KWK auf Basis Erneuerbarer Energien gilt es also, neben dem Stromabsatz eine möglichst einträgliche Vermarktung der produzierten Wärme zu sichern, die gleichzeitig attraktiv für die Kunden ist. Wärmekunden muss klar sein, dass KWK nicht gleich KWK ist. Wer Wärme aus Kohlestrom als klimafreundlich verkauft, betreibt Etikettenschwindel. Nur mit stark und schnell steigenden Anteilen Erneuerbarer Energien behält die KWK ihre Förderberechtigung.
Dieser Artikel wurde im Renews, dem Newsletter der Agentur für Erneuerbare Energien, veröffentlicht.
Social Media