"Wir glauben aber an eine Welt, die ganz auf grüne Energien setzt."

"Ich fände es fatal, wenn die Energiekrise in Folge des Ukraine-Kriegs nun dazu führt, dass die erneuerbare Energiewende einmal mehr in eine unbestimmte Zukunft verschoben wird", sagt OSTWIND-Pressesprecher Christoph Markl-Meider.

Herr Markl-Meider, Sie waren 2009 bei der UN-Klimakonferenz in Kopenhagen. Dieses Jahr im November findet die mittlerweile 27. Klimakonferenz in Scharm asch-Schaich statt. Werden Sie wieder dabei sein?

Meine Teilnahme in Kopenhagen 2009 war eine Ausnahme und eine sehr tiefgreifende Erfahrung der Hoffnung und des Scheiterns, die mit einer solch hochkarätigen internationalen Veranstaltung einhergehen kann. Die Konferenz ist damals am mangelnden Willen der wichtigen Großmächte und an einer miserablen Verhandlungsführung gescheitert. Sie hat den Klimaschutz weit zurückgeworfen – mindestens bis Paris 2015. Für uns VertreterInnen der NGOs war Kopenhagen ein einzigartiges Erlebnis einer vielfältigen Eine-Welt-Bewegung und eine große politische Enttäuschung zugleich.  

Haben Sie Erwartungen an die diesjährige Klimakonferenz im November oder ist sie als Konstrukt schon überholt?

Klimakonferenzen waren wichtige Mahnerinnen, was uns bevorsteht, wenn wir nicht klimagerecht Markl-Meider, Foto: F. Hammerichhandeln. Inzwischen hat sie die Realität längst eingeholt – und leider überholt. Dennoch bleiben solche Treffen eine wichtige Einrichtung im internationalen Ringen um ein gemeinsames Verständnis, was gegen die Erderhitzung und für eine lebenswerte Welt unserer Kinder und unserer nachfolgenden Generationen getan werden muss. Am Ende zählen aber die Fakten – und die sind sehr ernüchternd.

Die Gaskrise und die AKW-Probleme in Frankreich zeigen, dass die Energiewende deutlich schneller vonstatten gehen muss, als es bisher geschah. Falsche Entscheidungen zur Solar-Industrie, lange Genehmigungsprozesse, Fachkräftemangel und auch Klientelpolitik spielten dabei eine große Rolle. An welchen Stellschrauben sollte man Ihrer Meinung nach am schnellsten drehen?


Wir könnten mit dem notwendigen Umbau unseres Energiesystems schon viel weiter sein, aber politische Wirrungen haben das verhindert. Ich fände es fatal, wenn die Energiekrise in Folge des Ukraine-Kriegs nun dazu führt, dass die erneuerbare Energiewende einmal mehr in eine unbestimmte Zukunft verschoben wird. Die Nutzung von Sonne und Wind in Verbindung mit einer Effizienzrevolution ist die Lösung unserer aktuellen Energieprobleme. Der Einsatz fossiler Energien wie Flüssiggas oder Kohle darf nur sehr kurzfristig sein und die verlängerte Laufzeit der Hochrisikotechnologie Atomkraft verbietet sich angesichts einer akuten nuklearen Bedrohung wie in der Ukraine von selbst.

Im Zusammenhang mit der Einsatzreserve wird stets auf Bayern verwiesen – Ostwinds Firmensitz ist in Regensburg. Wie ist die Stimmung in Ihrer Region?

Es ist doch zum Verzweifeln, wenn ein Bundesland, das in diesem Jahr bis Ende September gerade einmal vier Neugenehmigungen für Windenergieanlagen geschafft hat, als Erstes nach einer längeren Nutzung von Atomenergie ruft – wissend, dass der Energie- und Kosteneffekt gegen Null geht, das atomare Risiko aber immer mehr steigt. Aus vielen Gesprächen mit kommunalen EntscheidungsträgerInnen und BürgerInnen wissen wir, dass diese aufgrund der Energiekrise und der sehr hohen Energiepreise den Umbau der Energieversorgung hin zu einem dezentralen System wollen – und zwar jetzt!

Haben die Worte des bayerischen Ministerpräsenten Einfluss auf die Akzeptanz der Bayern gegenüber Windenergie?

Die Seehofersche 10H-Abstandsregelung hat dazu geführt, dass der Ausbau der Windenergie in Bayern zum Stillstand gekommen ist. Das zeigt den großen Einfluss der bayerischen Staatsregierung und ihres Ministerpräsidenten – zukünftig hoffentlich zum Positiven.  

In 30 Jahren hat Ostwind mehr als 600 Windenergieanlagen geplant und gebaut. Sie errichten onshore Windparks und verwirklichen Solarprojekte. Wo sehen Sie das Potenzial der Wind- und Solarenergie bis 2030?

Wenn die Planungsfristen weiter so lange dauern und die Genehmigungsverfahren weiter so zäh verlaufen wie zuletzt, werden wir in den nächsten gerade mal sieben Jahren nur einen geringen Teil des großen Potenzials der Erneuerbaren realisieren können. Wir glauben aber an eine Welt, die ganz auf grüne Energien setzt – und entsprechend langfristig stellen wir uns auf.

Erneuerbare Energien sind nicht nur Klimaschutz, sie bedeuten gerade auch für Kommunen eine große Wertschöpfung. Was geht in Ihnen vor, wenn Sie sehen, wie oft die Erneuerbaren abgeregelt werden, weil AKWs und Kohlekraftwerke behäbig das Stromnetz verstopfen?

Das zeigt mir vor allem, dass der Ausbau der Erneuerbaren und der Ausbau des Stromverteilnetzes Hand in Hand gehen müssen. Sonst klappt das auch mit der Wertschöpfung vor Ort nicht so wie gewollt.

Das Interview führt Anika Schwalbe.

Das Gespräch entstand im Rahmen der Atomausstiegskampagne „Erneuerbar statt atomar“.

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