Mehr Speicher
Unabhängig vom Anteil der Erneuerbaren Energien kommt kein Energiesystem ohne Speicher aus. Wenn die wetterabhängigen Quellen Sonne und Wind einen Großteil der Versorgung übernehmen, übersteigt das Angebot häufiger die Nachfrage – und umgekehrt. Um Wetter und Jahreszeiten auszugleichen, springen neben anderen steuerbaren Energiequellen wie Bioenergie auch Speicher ein. Sie erhöhen nicht nur die Flexibilität. Speicher können dazu beitragen, die notwendige Brücke zwischen erneuerbarer Stromerzeugung, Wärmeversorgung und Mobilität zu bauen.
Auf einen Blick
- Insbesondere erneuerbare Gase sind perspektivisch notwendig für ein erfolgreiches Update.
- Viele Speichertechnologien sind technisch schon ausgereift und könnten für ein Update eingesetzt werden.
- Aus Verbrauchersicht schaffen die stark sinkenden Investitionskosten für Batterien eine sich gegenseitig verstärkende Dynamik mit immer günstigerem Solarstrom vom eigenen Dach.
- Unter gegenwärtigen Marktbedingungen sind viele Speicher jedoch noch nicht wirtschaftlich, wodurch das Update verzögert wird.
Wo Speicher eine Rolle spielen
Energiespeicher lagern Energieträger, um sie zu einem späteren Zeitpunkt nutzen zu können. Das ist nichts Neues: Der uralte Energieträger Holz ist im weitesten Sinne gespeicherte Bioenergie. Leicht zu speichern ist Bioenergie auch in Form von Biogas in einem Gasspeicher. Bioenergieträger können genau zum Zeitpunkt des Bedarfs eingesetzt werden, ob für die Wärmeversorgung, zur Stromerzeugung oder als Biokraftstoff im Verkehr. Stromspeicher wie Pumpspeicherkraftwerke sind seit über 100 Jahren das Rückgrat der europäischen Stromnetze. Hinzu kommen nun immer mehr Batterien. Wärmespeicher dagegen puffern beispielsweise Solarthermie, Erdwärme oder Wärme aus Bioenergie, sei es in einfachen Wasserbehältern, in Kies oder anderen Materialien.
Neben dieser schon heute üblichen zeitlichen Überbrückung wird es im Energiesystem der Zukunft noch wichtiger, auch Brücken zwischen Strom, Wärme und Mobilität zu bauen. Bioenergie kann das. Sie lässt sich je nach Bedarf in den drei Sektoren einsetzen. Weitere Speichertechnologien sind dafür prädestiniert. Einen wichtigen Brückenschlag leistet die Elektromobilität: Elektrofahrzeuge bieten mit ihren Batterien eine mobile Speichertechnologie. So lässt sich erneuerbarer Strom in den Verkehrssektor verschieben. Parkt ein Elektrofahrzeug und ist die Batterie an das Stromnetz angeschlossen, kann Strom nicht nur eingespeichert, sondern auch ins Netz zurückgespeist werden.
Trifft viel erneuerbarer Strom auf eine schwache Nachfrage, kann per Elektrolyse aus dem Strom auch Wasserstoff erzeugt werden („Power-to-Gas“). Als Wasserstoff gespeichert, kann erneuerbarer Strom zu einem späteren Zeitpunkt wiederum als Strom, Wärme oder im Verkehrssektor (Wasserstoffahrzeuge) genutzt werden. In einem weiteren Schritt lässt sich Wasserstoff umwandeln zu einem erneuerbaren synthetischen Methan. Dieses erneuerbare Gas ist in seiner Beschaffenheit dann identisch mit fossilem Erdgas. So kann es langfristig im bestehenden Erdgasnetz mit seinen Gasspeichern zwischengelagert werden. Zu einem späteren Zeitpunkt lässt es sich dann für die Strom- und Wärmeversorgung wieder entnehmen. Gleiches gilt für Biogas, das gereinigt zu Biomethan aufbereitet wird. Es ist dann identisch mit fossilem Erdgas und synthetischem Methan. Dadurch steht Biomethan ebenfalls die Einspeisung in das bestehende Erdgasnetz mit seinen umfangreichen Gasspeichern offen.
Nicht zuletzt für den Verkehrssektor ist das wichtig: Hier können Fahrzeuge mit Gasmotor erneuerbares Methan oder Biomethan nutzen. Werden diese erneuerbaren Gase verflüssigt, stehen sie auch für Fahrzeuge mit Otto- oder Dieselmotor zur Verfügung. Bei der Herstellung synthetischer Kraftstoffe mittels erneuerbarem Strom („Power-to-liquid“) findet erneuerbarer Strom dann seinen Weg sogar in Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor.
Speicher in der Praxis
Ob Strom, Wärme oder erneuerbares Methan: die Reichweiten der Speicher können höchst unterschiedlich sein. Das Potenzial einer Speichertechnologie hängt davon ab, ob sich mit ihr nur wenige Wattsekunden oder Milliarden von Kilowattstunden speichern lassen. Manche Speicher bestechen durch ihre hohe Energiedichte, d.h. können viel Energie auf kleinem Raum aufnehmen, während andere Speicher dafür ein Vielfaches an Volumen benötigen. Je nachdem, ob nur während eines sehr kurzen Zeitraums oder über mehrere Monate Energie gespeichert werden kann, kommen bestimmte Einsatzbereiche in Frage. Die Rolle einer Speichertechnologie hängt nicht zuletzt davon ab, ob die gespeicherte Energie nur vor Ort oder über räumliche Entfernungen hinweg abgerufen werden kann.
Kurzzeitspeicher für Strom wie Spulen und Kondensatoren kommen daher nur für den kurzfristigen Einsatz in der Netzstabilisierung in Frage. Batterien haben dagegen bereits ein viel größeres Einsatzfeld wie z.B. in Elektrofahrzeugen oder als dezentraler Speicher für Solaranlagen. Pumpspeicherkraftwerke sind zwar technologisch seit über 100 Jahren etabliert, haben aber in Deutschland insgesamt ein begrenztes Ausbaupotenzial.
Die Herausforderungen für das Speichern von Wärme sind andere: Im Gegensatz zur Stromversorgung steht meist kein flächendeckendes Wärmenetz zur Verfügung. Sie muss, wenn sie nicht unmittelbar verbraucht wird, nah ihres Entstehungsortes gespeichert oder zum Abnehmer transportiert werden. Die Kurzzeitspeicherung von Wärme als Warmwasser in Pufferspeichern von Heizungsanlagen ist weit verbreitet. Hinsichtlich der Reichweite sind diese aber begrenzt. Voluminöse Kies-Wasser-Speicher, Erdsonden-Wärmespeicher und wasserführende Schichten im Erdreich ermöglichen eine Wärmespeicherung über Wochen und Monate. So lassen sich Wärmeüberschüsse aus den Sommermonaten in die kalten Wintermonate retten.
Bestimmte Speichermedien wie Paraffine oder Salze können als Phasen-Wechselmaterialien die Wärme aber auch durch den Wechsel ihres Aggregatzustands langfristig fixieren, z.B. von fest zu flüssig. Sorptionsspeicher wie Zeolithe und Silikagele binden dagegen chemische Reaktionswärme. Sie lassen sich in umgekehrter Reaktion auch für die Kälteerzeugung nutzen.
Wie Speicher beim Update unseres Energiesystems helfen
Für den Ausgleich von Angebot und Nachfrage sind Speicher schon im bisherigen System unverzichtbar. Dies gilt verstärkt noch nach der angestrebten Modernisierung unserer Energieversorgung. Ein zu 100 Prozent erneuerbares Energiesystem wird mit mehr Speichern flexibler und sicherer. Das Update unseres Versorgungssystems ist allerdings komplizierter. Mit dem Ausbau der Erneuerbaren Energien einfach große Speicherkapazitäten zu ergänzen, reicht nicht. Was zählt, sind nicht allein die Quantität, sondern vielmehr die spezifischen Erfordernisse eines erneuerbaren Energiesystems.
Dabei ist die räumliche Perspektive ebenso zu berücksichtigen wie die zeitliche Dimension. Auf lokaler Ebene können Schwankungen bei der Strom- und Wärmenachfrage schon heute leicht durch flexible Biogasanlagen ausgeglichen werden, die dazu auf Wärmespeicher und Gasspeicher zurückgreifen.
Batterien können ebenfalls auf Preissignale reagieren oder dann ins Netz einspeisen, wenn beim Wind Flaute herrscht. Bei erneuerbaren Anteilen am Strommix von mehr als 60 Prozent muss jedoch überregional noch stärker ausgeglichen werden. Dann werden Langzeitspeicher wie erneuerbare Gase (Power-to-Gas) relevant, um Angebot und Nachfrage in Einklang bringen zu können. Nur mit erneuerbaren Gasen kann eine ausreichend große Speicherkapazität erreicht werden, um mehrere Tage oder Wochen mit geringer Solar- und Windstromerzeugung zu überbrücken.
Herausforderungen für mehr Speicher
In welchem Umfang und wann welche Speichertechnologien zum Einsatz kommen können und müssen, hängt zunächst von wirtschaftlichen Faktoren ab: Rechnet es sich, eine bestimmte Speichertechnologie zu nutzen oder sind andere Optionen attraktiver? Gegenwärtig rentiert es sich kaum, zu Zeiten mit niedrigen Strompreisen zu speichern und zu Hochpreiszeiten wieder zu verkaufen. Die Preisdifferenz an der Strombörse ist zu gering. Stromimporte und besser ausgebaute Netze könnten schneller und günstiger zu haben sein.
Neue Pumpspeicherkraftwerke oder Power-to-Gas-Technologien müssen sich darum mit ihren spezifischen Vorteilen für bestimmte Anforderungen des Energiesystems der Zukunft behaupten. So sind Power-to-Gas-Technologien zwar vergleichsweise ineffizient, d.h. sie können nur einen Teil der eingespeicherten Energie wieder zurückliefern. Andererseits schlagen sie die Brücke zum Gasnetz als langfristigem Speicher. Tritt nach 2030 zeitweise ein großes Überangebot von erneuerbarem Strom auf, kann Power-to-Gas seine Vorteile ausspielen.
Wie schnell sich verschiedene Batterietechnologien als Speicher durchsetzen, hängt auch davon ab, wie schnell die Herstellungskosten weiter sinken und wie sich diese dann im Verhältnis zum Strompreis darstellen. Wenn dann immer mehr Haushalte auf immer billigeren Solarstrom vom eigenen Dach setzen, könnte auch die Nachfrage nach Batterien steigen und damit deren Investitionskosten weiter sinken. Je nachdem, welche erneuerbaren Wärmequellen in Zukunft verstärkt zum Einsatz kommen und je nachdem, welche Verkehrsmittel wann wichtiger werden, könnten die dazu passenden Speicher sich schneller durchsetzen.
Politischer Rahmen für mehr Speicher
Weder auf Bundes- noch EU-Ebene gibt es übergreifende Ziele für den Ausbau von Speichertechnologien. Auch ist die rechtliche Definition von Speichern nicht einheitlich. Für Stromspeicher ist die abgaben- und steuerrechtliche Situation darum unter Umständen ungünstig. Da sie teilweise als Verbraucher betrachtet werden, weil sie Strom aus dem Netz entnehmen, naturgemäß aber auch wieder einspeisen, kann es zu Doppelbelastungen kommen. Das EEG 2017 gestattet Ausnahmen für Speicher, die sowohl für Eigenverbrauch und Regelenergie genutzt werden. Der Zugang zu Regelenergiemärkten ist jedoch noch mit technischen Hürden versehen. Neue Stromspeicher werden vom Energiewirtschaftsgesetz unter bestimmten Bedingungen zwar von den Netzentgelten befreit, doch sind bestehende Pumpspeicherkraftwerke weiterhin benachteiligt.
Direkte finanzielle Förderung wird in Deutschland nur für kleine Batteriespeicher gewährt, die Photovoltaik-Anlagen unterstützen. Einige Bundesländer fördern zudem ergänzend die Forschung und Anwendung von Speichertechnologien. Durch stärkere Preissignale könnten Speicher angereizt und belohnt werden. Dynamischere Netzentgelte würden möglicherweise ebenfalls Investitionen in Stromspeichertechnologien antreiben. Ehrgeizige Vorgaben zur Dekarbonisierung im Verkehrssektor könnten die Nachfrage nach erneuerbarem Methan und Wasserstoff vorantreiben. Diese bieten schließlich neben Biokraftstoffen nach aktuellem Stand die einzige Option für klimaschonende Energieträger im Schwerlastverkehr und in der Luftfahrt. Das EEG 2017, das Energiewirtschaftsgesetz und die Gasnetzzugangsverordnung entwickeln erstmals rechtliche Grundlagen für eine Integration von erneuerbarem Methan bzw. gasförmigen Speichern wie Wasserstoff in das Energiesystem der Zukunft.
Energie-Update mit mehr Speichern
- Nutzung von Stromspeichern
- Nutzung von Wärmespeichern
- Nutzung von Gasspeichern
- Erzeugung von synthetischem Methan
- Erzeugung von Wasserstoff
Auch für einen >funktionierenden Markt braucht es eine ausreichende >Netzinfrastruktur, in Wechselwirkung mit >höherer Flexibilität und mehr Speichern.
Stand: September 2017
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