Sektorenkopplung effizient voranbringen - wie eine Reform der Energieträgerpreise dazu beitragen kann

Sektorenkopplung – ein oft benutztes Schlagwort der Energiewende. Doch in der Praxis steckt die Sektorenkopplung noch immer in den Kinderschuhen. Wir sind weit davon entfernt, mit Strom aus erneuerbaren Energiequellen die Emissionen im Verkehrssektor zu reduzieren und Biomasse für Industrieprozesse nutzen zu können. Doch was muss getan werden, um die starren Grenzen zwischen den Sektoren zu überwinden, sodass Energieträger optimal eingesetzt und klimaschädliche Emissionen effizient reduziert werden?

Verzerrungen abbauen, Umweltschäden einpreisen
Damit sich klimaschonende Technologien effizient durchsetzen können und Innovationen gefördert werden, müssen Energieträger in einem unverzerrten Wettbewerb konkurrieren. Denn nur so kann das „Entdeckungsprinzip des Marktes“ greifen. Unverzerrt bedeutet, dass die Preise der Energieträger die Kosten richtig widerspiegeln, die bei ihrer Bereitstellung (Förderung, Transport, Handel) und ihrer Nutzung entstehen. Im Energiebereich gilt es dabei, insbesondere Umweltschäden zu berücksichtigen, wie den Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgasemissionen. Im heutigen Marktdesign gibt es jedoch aus klimapolitischer Sicht Verzerrungen, die zugunsten fossiler Energien wirken:

  • Die Energiesteuer auf Heizöl und Erdgas ist zu niedrig, um die Umweltschäden vollständig abzubilden, die bei der Verbrennung dieser Energieträger entstehen.
  • Strom wird durch Steuern, Abgaben und Umlagen sehr hoch belastet: Der Ausstoß klimaschädlicher Emissionen wird bereits durch das europäische Emissionshandelssystem (EU-ETS) abgedeckt. Andere staatlich induzierte Preisbestandteile wie die EEG-Umlage, KWKG-Umlage und die Stromsteuer preisen nicht in vollem Umfang weitere Umweltschäden ein.

Um einen unverzerrten Wettbewerb zu schaffen, müssen die Energieträgerpreise reformiert und an die heutigen Erkenntnisse und Ziele angepasst werden.
Das ist jedoch keine leichte Aufgabe. Denn der Staat führt Steuern, Abgaben und Umlagen nicht nur ein, um Schäden einzupreisen, also eine Lenkungswirkung zu erzielen. Er tut dies auch, um Geld für öffentliche Aufgaben zu erhalten. An welcher Stelle er am besten ansetzen kann, um gesamtwirtschaftlich optimal die öffentliche Hand zu finanzieren, ist eine herausfordernde Frage der Finanzwissenschaft. Ist es für die gesellschaftliche Wohlfahrt zum Beispiel besser, die Lohnsteuer zu erhöhen, um Strom gleichzeitig zu entlasten? Sicher ist jedoch, dass vor dem Hintergrund der immensen drohenden Schäden durch den Klimawandel großer Handlungsbedarf im Energiebereich besteht.

Ein CO2-Preis in allen Sektoren als Herzstück eines wirksamen und effizienten Marktdesigns
Mit dem im Klimapaket beschlossenen nationalen Emissionshandel kommt die Bundesregierung einer langjährigen Forderung aus Wissenschaft und Wirtschaft nach und führt im Wärme- und Verkehrssektor einen CO2-Preis in Deutschland ein. Zusammen mit dem EU-ETS sind somit die meisten Emissionen aus dem Energiebereich abgedeckt. Dies ist ein großer Schritt nach vorn in der nationalen Klimapolitik, auch wenn die Höhe des CO2-Preises noch weiter geprüft werden muss.

Doch für den Klimaschutz braucht es mehr als nationale Alleingänge. Hinzu kommt, dass bei Alleingängen Wettbewerbsnachteile für deutsche Unternehmen gegenüber europäischen Konkurrenten entstehen können. Wichtig ist deshalb, von Anfang an Partnerländer für ein gemeinsames Vorgehen zu finden und eine europäische Lösung ab 2030 für einen umfassenden, einheitlichen Preis anzustreben. Dann laufen die Regelungen der europäischen Lastenteilung aus, welche die Reduktionsziele der einzelnen Mitgliedstatten für die Emissionen außerhalb des EU-ETS vorgeben.

Eine doppelte Dividende für den Klimaschutz: Einnahmen aus der CO2-Bepreisung gezielt einsetzen
Die CO2-Bepreisung allein reicht jedoch noch nicht aus. Ein level playing field kann nur erreicht werden durch eine begleitende Reform der bestehenden Steuern, Abgaben und Umlagen. Um die Sektorenkopplung zu fördern, müsste die Politik klimapolitisch nicht gerechtfertigte Belastungen und Verzerrungen reduzieren. Die besondere Herausforderung dabei ist, durch fehlende Einnahmen im Energiebereich neue Verzerrungen an anderer Stelle im Marktdesign zu verhindern.

Aus der Einführung einer CO2-Bepreisung ergibt sich dafür eine besondere Chance: Wenn die Politik die Einnahmen aus dem neuen Emissionshandel und dazu ggf. steigende Einnahmen aus dem EU-ETS nutzt, um den Strompreis zu entlasten, kann sie eine doppelte Dividende für den Klimaschutz erreichen. Erstens verteuert sie klimaschädliche Emissionen und macht somit den Einsatz fossiler Energieträger wirtschaftlich unattraktiv. Zweitens fördert sie die Sektorenkopplung und somit klimaschonende Technologien, da Strom im Vergleich zu anderen Energieträgern wie Öl und Erdgas günstiger und somit wirtschaftlich attraktiver würde.

Der nationale Emissionshandel wird Mittel im zweistelligen Milliardenbereich freisetzen. Besonders zielführend wäre es, den Großteil dieser Einnahmen dafür einzusetzen, die EEG-Umlage abzusenken, anstelle die Einnahmen für viele Einzelmaßnahmen wie eine Erhöhung der Pendlerpauschale – wie im Klimapaket vorgesehen – zu verwenden. Sollte der CO2-Preis aufgrund der jüngst verschärften Klimaziele der EU so weit ansteigen, dass nach einer Gegenfinanzierung der EEG- und KWKG-Umlagen noch weitere Mittel zur Verfügung stünden, könnte die Politik sogar prüfen, als nächstes die Stromsteuer zu ersetzen. Diese Maßnahmen würden jedoch nicht nur dem Klima dienen. Sie würden gleichzeitig private Verbraucherinnen und Verbraucher sowie Unternehmen entlasten. Wie sich eine solche Reform auf die Energieträgerpreise auswirken würde, ist exemplarisch für einen CO2-Preis von 30 €/Tonne CO2 in Abbildung 1 gezeigt.

Durch beherzte Eingriffe in ein veraltetes Marktdesign könnte die Politik so die Sektorenkopplung voranbringen und das Innovationspotenzial des Marktes freisetzen.

(Foto: acatech/ Leopoldina/ Akademienunion)

Weitere Informationen können Sie der Stellungnahme „CO2 bepreisen, Energieträgerpreise reformieren. Wege zu einem sektorenübergreifenden Marktdesign“ entnehmen.

Autoren und Ansprechpartner
Prof. Dr. Felix Müsgens
Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg
Fakultät Maschinenbau, Elektro- und Energiesysteme Lehrstuhl für Energiewirtschaft; Lehrstuhlinhaber
felix.muesgens@b-tu.de
www.b-tu.de

Prof. Dr. Hartmut Weyer
Technische Universität Clausthal
Direktor Institut für deutsches und internationales Berg- und Energierecht
hartmut.weyer@tu-clausthal.de
www.iber.tu-clausthal.de

Dr. Cyril Stephanos
Stellvertretender Leiter „Energiesysteme der Zukunft“ (ESYS)
stephanos@acatech.de
energiesysteme-zukunft.de