Wissenschaftliches Projekt für die Entwicklung systematischer Konzepte zur energetischen Quartiersentwicklung

Die Transformation der energetischen Versorgung von urbanen Bestandsquartieren zu mehr Klimafreundlichkeit – und hier vor allem des Wärmesektors – ist eine gewaltige Herausforderung, der sich die beteiligten Akteursgruppen für eine erfolgreiche Energiewende stellen müssen. Für diese Transformation bietet sich eine wissenschaftliche Untersuchung, die gemeinsam von Stadtwerken und einer Hochschule durchgeführt wird, zur systematischen Herangehensweise mit einer quartiersorientierten Betrachtung an. Vor diesem Hintergrund wurde im Zeitraum von Ende 2020 bis Ende 2023 von der Hochschule Hamm-Lippstadt (HSHL) in enger Kooperation mit vier Stadtwerken das Projekt „Innovationswerkbank Stadtwerke - Energetische Quartiersentwicklung in urbanen Räumen“ durchgeführt.

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Zielsetzung des Projektes ist die Unterstützung der Stadtwerke bei der Frage, wie eine nachhaltige, sektorenübergreifende Energieversorgung von Bestandsquartieren aussehen kann und zukunftsorientiert zu gestalten ist. Dafür wurden von den Stadtwerken geeignete Bestandsquartiere, die hauptsächlich eine Wohnbebauung aufweisen, ausgesucht und die erforderlichen Quartiersdaten von allen Projektpartnern in Zusammenarbeit mit den jeweiligen Kommunen ermittelt. Dabei hat sich den Projektbeteiligten die Bedeutung einer möglichst digitalen Verfügbarkeit der Daten als quasi erfolgsentscheidender Aspekt gezeigt. Basierend auf dieser Datensammlung wurden unterschiedliche Kennzahlen für jedes der ausgewählten Bestandsquartiere ermittelt. Quartiere, die vergleichbare Ausprägungen der Kennzahlen in ihrer Gesamtheit aufweisen, wurden in vom Projektteam definierte Quartiersgruppen zusammengefasst.

Aufbauend auf dieser Klassifikation wurden für die ausgewählten Quartiere sektorenübergreifende Konzepte für die energetische Versorgung systematisch entwickelt, analysiert und bewertet. Diese beinhalten u.a. Lösungen für den Wärmesektor, Möglichkeiten der lokalen Stromerzeugung, Ladeinfrastrukturen für die Elektromobilität sowie Analysen der Kapazitäten elektrischer Verteilnetze. Die wesentlichen Grundgedanken waren dabei, dass die entwickelten Konzepte möglichst auf weitere Quartiere übertragen werden können und auf (ausgereiften) Technologien basieren, deren Umsetzbarkeit bereits heutzutage gegeben ist.

Aus technischer Sicht wurde zudem analysiert, welche Sanierungen bei den Bestandsgebäuden für die Konzepte notwendig sind, wie etwaige Nahwärmenetze und die dazugehörigen Wärmeerzeugungsanlagen zu dimensionieren sind und ob eine Integration der zusätzlichen elektrischen Anlagen mit der vorhandenen Versorgungsinfrastruktur im Quartier grundsätzlich möglich ist. Aus wirtschaftlicher Sicht wurden die Investitions- und Wärmegestehungskosten der jeweiligen Konzepte berechnet. Die ökologische Bewertung hat gezeigt, dass mit allen entwickelten Konzepten eine klimaneutrale energetische Versorgung möglich ist, wenn zukünftig die Stromversorgung ebenfalls klimaneutral organisiert ist.

Auf Grundlage der Klassifikation in Quartiersgruppen und der entwickelten Konzepte wurden allgemeine Handlungsempfehlungen für die Quartiersgruppen gegeben und darauf aufbauend Handlungsleitfäden als Aggregation aller Projektergebnisse entwickelt. Diese Handlungsleitfäden gestatten eine systematische Herangehensweise bei weiteren Quartiersprojekten. Es wird dargestellt, welche Kriterien bei der Auswahl von zu entwickelnden Quartieren zu beachten sind, welche Daten für eine Quartiersentwicklung benötigt werden, wie Quartiere im Bestand zu bewerten sind, wie die Potentiale der erneuerbaren Energien zu ermitteln sind und wie bei der Entwicklung von energetischen Versorgungskonzepten vorzugehen ist.

Die erzielten Projektergebnisse haben verdeutlicht, dass die verfolgte systematische und interdisziplinäre Herangehensweise mit einem einheitlichen methodischen Vorgehen vorteilhaft ist. Dieses führtbei der Betrachtung weiterer, möglichst ähnlicher Quartiere im Grundsatz zu wiederholbaren Ergebnissen. Die wechselseitige Kooperation mit den beteiligten Stadtwerken hat zudem veranschaulicht, dass kommunenübergreifend ähnliche Quartiersstrukturen zu finden sind, so dass eine Übertragbarkeit der Ergebnisse auf andere Versorgungsgebiete und Kommunen möglich ist. Das Projekt liefert damit wertvolle Impulse für eine forcierte, zielgerichtete kommunale Wärmeplanung, da die Inhalte und die grundsätzliche Vorgehensweise den Anforderungen eben dieser entsprechen. Das Kooperationsprojekt profitierte zudem von der interdisziplinären Ausrichtung der HSHL, in dem die Forschungsbereiche aus der Energietechnik und der Wirtschaftswissenschaft gewinnbringend miteinander verknüpft wurden. Zugleich profitieren die Studierenden der an der HSHL angebotenen Studiengänge maßgeblich von dem Vorhaben, wenn künftig Forschungsergebnisse hieraus die Lehrveranstaltungen bereichern und umgekehrt Studierende praxisorientierte studentische Arbeiten in auf dem hier skizzierten Projekt aufbauenden Initiativen erbringen können.