"Wie entwickeln wir Räume, die sowohl den Menschen als auch der Umwelt gerecht werden?"
„Wie setzen wir Prioritäten? Wie gestalten wir Etabliertes neu?“ – Fragen, die Albine Oster vom Amt für Umweltschutz Stuttgart immer wieder beschäftigen. Mit uns spricht sie über die Herausforderung, ökologische, soziale und wirtschaftliche Ziele gleichermaßen im Blick zu behalten, und darüber, welche Rolle interdisziplinäre Zusammenarbeit dabei spielt.
Stuttgart ist im Dezember als Energie-Kommune des Monats ausgezeichnet worden. Das Amt für Umweltschutz, dem auch Sie zugeordnet sind, hat hieran einen großen Anteil. Herzlichen Glückwunsch!
Wir freuen uns sehr über diese Auszeichnung. Durch die enge Zusammenarbeit in den vergangenen anderthalb Jahren konnten Sie einen guten Einblick in unser Engagement im Bereich der Energiewende gewinnen. Daher hat diese Würdigung für uns eine noch größere Bedeutung. Vielen Dank!
Sie haben lange Zeit als Architektin gearbeitet. Wie kamen Sie in das Amt für Umweltschutz?
Nachdem ich mehrere Jahre in der klassischen Hochbauplanung tätig gewesen war und anschließend an der Universität Baukonstruktion unterrichtet hatte, wuchs in mir der Wunsch, weitere Facetten des Architekturberufs kennenzulernen. Die Interdisziplinarität des Feldes und insbesondere die kommunikative Schnittstellenarbeit haben mich schon immer fasziniert. Deshalb begann ich, diese kommunikative und strategische Perspektive gezielt zu vertiefen. Als sich mit der Position in der Energieabteilung des Amts für Umweltschutz die Möglichkeit bot, fachliche Inhalte, Kommunikation und Arbeiten auf einer übergeordneten Ebene zu verbinden, entschied ich mich dafür, meinen Horizont über das klassische Architekturbüro hinaus zu erweitern.
Zudem interessiere ich mich seit langem für Nachhaltigkeitsthemen. Der Wechsel in diesen Bereich bot mir daher eine ideale Gelegenheit, mein Profil sowohl fachlich als auch inhaltlich zu ergänzen und im Sinne eines ganzheitlichen Verständnisses weiterzuentwickeln.
Mit Blick auf den Gebäudesektor, die Stadtplanung, das Baumaterial etc. spielt Architektur eine ganz bedeutende Rolle hinsichtlich Nachhaltigkeit. Wie konnten Sie bei Ihrer Arbeit im Amt für Umweltschutz davon profitieren?
In meiner Arbeit im Amt für Umweltschutz konnte ich meinen Architekturhintergrund fachlich nur teilweise einbringen, da die Energieabteilung stark auf Energiemanagement ausgerichtet ist und nachhaltige Aspekte der Bau- und Stadtplanung dort vor allem an den Schnittstellen zu Energiethemen behandelt werden. Dennoch ist mein Wissen über Entwicklungen in der Architektur und über bauliche Zusammenhänge äußerst wertvoll. Es erleichtert mir nicht nur das Verständnis der fachlichen Inhalte, sondern auch das Einordnen von Vorgehensweisen und Entscheidungsprozessen.
Natürlich hilft mir mein fachlicher Hintergrund auch bei der Entwicklung neuer Konzepte und Maßnahmen. Die Art und Weise, wie man kreativ neue Ideen und deren Planung entwickelt, lässt sich im Grunde sehr gut aus der Architektur auf andere Bereiche übertragen.
Gleichzeitig umfasst meine Tätigkeit eine umfangreiche Schnittstellenarbeit, etwa mit der Pressestelle, der Wirtschaftsförderung, der Abteilung für Internationales sowie mit externen Institutionen wie der Agentur für Erneuerbare Energien (AEE). Hier kommen insbesondere meine Erfahrungen im Umgang mit Prozess- und Projektabläufen zum Tragen. Auch wenn ich mir zunächst einen Überblick über die Strukturen der Verwaltung verschaffen musste, profitiere ich gerade in der koordinierenden Tätigkeit von meinem beruflichen Hintergrund.
Und wie hat das Amt für Umweltschutz vielleicht auch Ihre Einstellung als Architektin beeinflusst?
Grundsätzlich hat sich meine Haltung als Architektin nicht verändert. Räumliche Qualität, Kontextbezogenheit und Nutzerorientierung sind mir weiterhin ebenso wichtig wie Klimaschutz, Ressourcenschonung und Energieeffizienz. Gleichzeitig zeigt die Praxis, dass ökologische, soziale und wirtschaftliche Ziele nicht immer gleichermaßen stark umsetzbar sind. Genau darin liegt eine große Herausforderung: Wie setzen wir Prioritäten? Wie gestalten wir Etabliertes neu? Und wie entwickeln wir Räume, die sowohl den Menschen als auch der Umwelt gerecht werden?
Besonders gestärkt wurde im Amt für Umweltschutz mein Blick für strukturelle Zusammenhänge. Architektur, Energieeffizienz und Klimaschutz lassen sich nicht isoliert betrachten, sondern stehen in einem größeren Gefüge aus politischen, gesellschaftlichen und organisatorischen Rahmenbedingungen. Entscheidungen wirken über viele Ebenen hinweg und benötigen entsprechende koordinierte Abstimmungen. Auch die Bedeutung eines dialogorientierten Vorgehens hat sich in meiner Arbeit bestätigt. Die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Fachrichtungen, Interessenvertretungen und öffentlichen Stellen ist entscheidend, um nachhaltige Entwicklungen voranzubringen. Unterschiedliche Perspektiven einzubeziehen und Schnittstellen aktiv zu gestalten, schafft langfristig tragfähigere Lösungen.
Im öffentlichen Kontext kommt zudem die Verantwortung hinzu, Orientierung und Verlässlichkeit zu bieten, gleichzeitig aber flexibel auf neue Anforderungen reagieren zu können. Veränderungen verlaufen selten linear und gelegentliche Kurskorrekturen sind Teil komplexer Planungsprozesse – ein Prinzip, das mir auch aus der Architektur vertraut ist.
Insgesamt hat die Arbeit im Amt verdeutlicht, wie zentral Kommunikation, Geduld und ein strategisches Vorgehen für erfolgreiche Projekte sind. Besonders wenn viele Beteiligte zusammenwirken und unterschiedliche Anforderungen miteinander vereinbart werden müssen, können tragfähige Lösungen oft nur gemeinsam entwickelt werden.
Stuttgart ist Teil unseres vom Auswärtigen Amt geförderten Projekts „Energiewende Partnerstadt“. Im Zuge dessen waren Sie zuletzt mit Ihrem Amtsleiter vom Amt für Umweltschutz, Andreas Neft, zusammen als Delegation in Ihrer Partnerstadt Bălți in der Republik Moldau. Was ist Ihnen besonders von dieser Reise in Erinnerung geblieben?
Es war wie ein Eintauchen in eine andere Welt – und teilweise auch in eine andere Zeit. Einer der Projektpartner vor Ort beschrieb das Land als einen Ort der Neufindung: geprägt von einer sowjetischen Vergangenheit, starken russischen kulturellen Einflüssen und zugleich einer neuen Bewegung in Richtung Westen. Auch wenn der Kontext sich stark von unserem unterscheidet, konnten wir uns nicht nur auf menschlicher, sondern auch auf fachlicher Ebene gut begegnen.
Wir wurden sehr gastfreundlich empfangen, und besonders gefreut hat uns, dass der Austausch im Projekt konkrete Ergebnisse hervorgebracht hat. Obwohl die Rahmenbedingungen für die Kommune Bălți herausfordernd sind und finanzielle Mittel knapp, sind die Beteiligten überzeugt, dass ein konsequentes Energiemanagement langfristige Vorteile bringt. Es ist schön zu sehen, dass wir durch den Austausch und die Vorstellung der Stuttgarter Erfahrungen einen spürbaren Einfluss leisten konnten.
Natürlich wäre dies ohne die engagierte Unterstützung der Projektbeteiligten der AEE und der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) nicht möglich gewesen. Ich möchte hervorheben, wie gut das Miteinander innerhalb der Projektgruppe funktioniert hat und wie viel Freude mir die offene und konstruktive Zusammenarbeit persönlich bereitet hat.
Wie bewerten Sie die Verknüpfung von Klimaschutz und Ausbau der Erneuerbaren Energien mit Blick auf interkommunale und internationale Zusammenarbeit?
Klimaschutz ist ein globales Thema, und Länder und Kommunen, die gut aufgestellt sind, können eine Vorreiterrolle übernehmen und andere inspirieren. Internationale Zusammenarbeit ist dabei nicht immer einfach, da sprachliche und kulturelle Unterschiede Barrieren schaffen, die überwunden werden müssen. Meine Erfahrungen vor Jahren als Architektin in einem omanischen Planungsbüro haben mir gezeigt, wie wertvoll interkultureller Austausch ist. Gerade durch große Unterschiede kann man fachlich wie persönlich viel voneinander lernen.
Im Projekt „Energiewende Partnerstadt“ freue ich mich besonders über die Entwicklungen und die begonnenen Schritte zum kommunalen Energiemanagement bei den Partnern aus Bălți. Ich bin gespannt, welche langfristigen Fortschritte daraus entstehen werden.
Worauf sollte ein stärkerer Fokus gelegt bzw. wie kann man Kommunen hierbei besser unterstützen?
Da ich in diesem Bereich nicht umfassend versiert bin und ein gefördertes Austausch-Projekt dieser Art für mich neu war, kann ich vor allem aus meinen Erfahrungen der letzten anderthalb Jahre berichten. Die flexible und zugleich strukturierte Herangehensweise der AEE als Organisator war äußerst hilfreich.
Der Projektstart war herausfordernd, vor allem in Bezug auf die Kommunikation. Durch die Einbeziehung externer Expertinnen und Experten konnten wir nicht nur zusätzliche Impulse gewinnen, sondern auch die GIZ als neue Projektpartnerin einbinden, die das Projekt parallel für eigene Zielsetzungen nutzen konnte. So entstand eine wertvolle Synergie, die die Zusammenarbeit deutlich konstruktiver gestaltete. Mit ihrer Unterstützung konnten wir zudem sprachliche und kulturelle Barrieren leichter überwinden. Dies war entscheidend, um ein möglichst realistisches Bild der Situation zu erhalten und bedarfsorientiert handeln zu können.
Natürlich sind viele weitere Faktoren in solchen Projekten individuell zu betrachten. In unserem Fall haben jedoch eine kooperative, offene Arbeitsweise sowie eine transparente Kommunikation nach innen wie nach außen dazu beigetragen, Prozesse sichtbar zu machen und den gemeinsamen Fortschritt zu fördern.
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