Energie-Kommune des Monats: Stadt Halle (Saale)
Dezember 2023
Halle (Saale) kann auf eine über 1200-jährige bewegte Geschichte zurückblicken. Als eines der drei Oberzentren in Sachsen-Anhalt ist die rund 243.000 Einwohner*innen zählende Großstadt ein wichtiges Wissenschafts- und Wirtschaftszentrum in Ostdeutschland – Fortschritt hat hier Tradition. Gleichzeitig konnte die Händelstadt ihr kulturelles Erbe bewahren. Mit der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg befindet sich eine der ältesten deutschen Universitäten an der Saale und bis 2028 will der Bund hier das „Zukunftszentrum für Deutsche Einheit und Europäische Transformation“ errichten. Die Stadt setzt sich aber auch ambitionierte Klimaziele: Nach dem aktuellen Beschluss des Stadtrates will Halle (Saale) bis 2040 treibhausgasneutral werden und somit fünf Jahre vor den Klimazielen des Bundes bilanziell keine Treibhausgase mehr emittieren.
Halle erarbeitet „Energie- und Klimapolitisches Leitbild“
Grundlage für die Umsetzung der Klimaziele war die Erarbeitung des „Energie- und Klimapolitischen Leitbildes“ für die Stadt im Jahr 2015, um ambitionierte Ziele und wirtschaftlich Machbares zusammenzubringen. „Unter anderem ist es erforderlich, bei der Umstellung der Energieerzeugung Ökonomie und Ökologie zu verbinden, denn Energiepreise sind ein wesentlicher Standortfaktor für Kommunen und bestimmen maßgeblich auch die Lebensqualität“, erklärt Drago Bock, Pressesprecher der Stadt. In den folgenden Jahren wurde so ein Bündnis zwischen Bürger*innen, Verwaltung und weiteren Stakeholder*innen geschaffen, das Investitionen in den Fernwärmeausbau, die Kraft-Wärme-Kopplung, den Ausbau Erneuerbaren Energien, Technologieeffizienz bzw. Transformation ermöglicht und den Ausbau der Netze unterstützt.
Zur Umsetzung der Ziele wurde 2016 die Energie-Initiative Halle (Saale) ins Leben gerufen. Der Zusammenschluss aus Wohnungsgesellschaften, Industrieunternehmen, Forschungseinrichtungen, der Stadtwerke Halle GmbH sowie der Stadt und weiterer Institutionen möchte partnerschaftliche Projekte für die lokale Energiewende realisieren. Bis heute ist das Bündnis auf über 30 Partner angewachsen. Diese arbeiten weiterhin gemeinsam daran, die Energieversorgung in Halle (Saale) nachhaltig, sicher, zuverlässig, umweltfreundlich und bezahlbar zu gestalten. Einer der Arbeitsschwerpunkte ist das Thema Fernwärmeversorgung.
Auf dem Weg zur CO2-neutralen Wärme
Seit der Wende hat sich die Stadt in eine gute Ausgangsposition gebracht. Halle produziert beispielsweise seit vielen Jahren Wärme über die „Energieversorgung Halle Netz GmbH“ (EVH) durch Kraft-Wärme-Kopplung. Über ein 217 Kilometer langes, modernes Fernwärmenetz wird diese anschließend in die städtischen Haushalte transportiert. Bereits circa 60 Prozent der im Stadtgebiet liegenden Haushalte sind an das Netz angeschlossen. Absolut werden so 74.000 Wohnungen mit Fernwärme versorgt. Zurzeit wird die Wärme aus den Energieparks Dieselstraße und Trotha durch die Verbrennung von Erdgas. Seit 2018 wurde die Wärmeversorgung mit der Inbetriebnahme des Wärmespeichers auf dem Gelände des Energieparks Dieselstraße weiter flexibilisiert. Der Speicher mit einer Gesamthöhe von 45 Metern besitzt dafür ein nutzbares Speichervolumen von 2.000 Megawattstunden und kann so den Wärmebedarf der angeschlossenen Haushalte für drei Tage decken. Darüber hinaus stellt seit 2019 das ein Hektar große Solarkollektorfeld auf dem Gebiet der Lagerhalde des 1993 stillgelegten Kohlekraftwerks „Rudolf Breitscheid“ erneuerbare Wärme bereit. Insgesamt konnte seit 1990 – insbesondere durch die Umstellung von Kohle und Öl auf Erdgas sowie Effizienzsteigerungen – der Ausstoß von Treibhausgasen durch die Elektrizitäts- und Wärmeerzeugung bereits um 70 Prozent reduziert werden.
Damit die Fernwärmetransformation bis 2045 gelingt, arbeitet die Energie-Initiative Halle (Saale) aktuell an einem Transformationsplan. Der soll einen Weg für die vollständige Dekarbonisierung der Wärmeproduktion in Halle (Saale) aufzeigen. Die Erstellung wird noch bis Ende 2024 andauern. Währenddessen gibt es bereits vielversprechende Ideen, wie man unerschlossene Wärmepotenziale in Halle (Saale) nutzen könnte. Neben der Erarbeitung des Transformationsplans für das Wärmenetz erarbeitet die Stadt gerade eine kommunale Wärmeplanung. Diese soll voraussichtlich bis 2025 abgeschlossen sein und bezieht neben Wärmenetzen auch dezentrale Wärmeversorgungskonzepte ein. Hierbei werden möglichst viele Akteure und Technologien schon bei der Konzepterstellung herangezogen, damit im Anschluss die Projektumsetzung möglichst schnell beginnen kann.
Klärwerk Halle-Nord wird bis 2026 energieautark
Während Halle (Saale) zur Dekarbonisierung der Wärmeversorgung noch bis 2045 Zeit hat, will die Großstadt einen ihrer größten Energieverbraucher bereits in knapp drei Jahren vollständig energieautark betreiben. Mit einem jährlichen Verbrauch von über 10,5 Gigawatt im Jahr 2021 gehört das Klärwerk Halle-Nord zu einem der größten städtischen Stromverbraucher. Das erzeugte Klärgas wird bereits seit 1998 in einem Blockheizkraftwerk zur Erzeugung von klimafreundlichem Strom und Wärme genutzt. Durch verbrauchssenkende und energieerzeugende Maßnahmen soll der mittlere jährliche Energiebedarf vollständig durch auf dem Gelände des Klärwerks betriebene Anlagen gedeckt werden.
Erste Maßnahmen zur Verbrauchssenkung wurden bereits erfolgreich umgesetzt. Durch den Umbau der Gebläsestation der Anlage 2021 konnte der Energiebedarf bereits um 547.000 Kilowattstunden gesenkt werden. Durch den Einsatz energiesparender Aggregate sowie die weitere Optimierung der Steuerungsprozesse wird der Energieverbrauch der Anlage in den kommenden Jahren weiter sinken. Ergänzt werden diese Maßnahmen durch den konsequenten Ausbau der Eigenstromproduktion auf dem Betriebsgelände des Werkes. Aktuell befindet sich ein Photovoltaik-Faltdach in Planung. Dieses wird entsprechend der Planung über dem Belebungsbecken – einem Becken zur biologischen Reinigung des Abwassers – installiert werden und so ohne zusätzlichen Flächenverbrauch bis zu 594 Tonnen CO2 pro Jahr einsparen – bei einer Betriebskosteneinsparung von bis zu 350.000 Euro pro Jahr. Die geplante Photovoltaik-Anlage (PV-Anlage) auf dem Klärwerk ist aber nur die Spitze des Eisberges. In den kommenden Jahren setzt die Stadt voll auf den Ausbau der Solarenergie und unterstütz ihre Bürger*innen mit zahlreichen Angeboten bei der Installation eigener PV-Anlagen.
PV-Dachanlagen auf allen kommunalen Dächern bis 2026
Nachdem der Ausbau von Solaranlagen deutschlandweit in den letzten Jahren erneut Fahrt aufgenommen hat, setzt auch Halle (Saale) auf die Erweiterungen der eigenen PV-Erzeugungskapazitäten. Die Stadt geht hier als Vorbild voran. Zunächst ist geplant, Dächer öffentlicher Gebäude, auch kleinere ungenutzte öffentliche Flächen wie Haltestellendächer, bis 2026 mit PV-Anlagen auszustatten. In Zusammenarbeit mit der Halleschen Verkehrs-AG werden seit 2023 fünf solcher Anlagen auf den Dächern verschiedener Haltestellen betrieben.
Damit die Energiewende gelingen kann, braucht es neben öffentlichen Investitionen auch privates Engagement. Das hat auch die Stadtverwaltung erkannt. „Entscheidend für den Erfolg der Transformation wird letztendlich aber sein, dass außerhalb gesetzlicher Leitplanken jeder Akteur der Stadtgesellschaft überzeugt ist und seinen Beitrag zum Gelingen dieser Transformationsprozesse leistet“, erklärt Pressesprecher Bock. Deswegen setzt die Stadt nicht nur eigene Vorhaben um, sondern will auch Privaten den Einstieg in die Energiewende leicht machen. So wird gerade ein Solarpotenzialkataster erarbeitet. Damit können interessierte Bürger*innen auf einen Blick sehen, ob sich eine PV-Anlage auf dem eigenen Dach lohnt. Die Solardachbörse, die planmäßig zum Ende des 1. Quartals 2024 online gehen wird, erleichtert die Vermietung, Verpachtung und den Verkauf von geeigneten Dachflächen für die Bürger*innen zusätzlich. Mit der Verstetigung der Vernetzungsplattform „Klima engagiert in Halle“ unterstützt die Verwaltung Privatpersonen und Unternehmen zusätzlich bei der Vernetzung und Umsetzung eigener Transformationsprojekte.
Social Media