Energie-Kommune des Monats: Neuerkirch und Külz
Januar 2017
Die derzeit größte Solarthermieanlage von Rheinland-Pfalz steht in der Verbandsgemeinde Simmern im Rhein-Hunsrück-Kreis. Auf einer Fläche von über 1.400 Quadratmetern nutzen Vakuumröhrenkollektoren seit Sommer 2016 Sonnenenergie zur Wärmeerzeugung. Kombiniert mit der Wärme, die zwei Holzhackschnitzelkessel produzieren, gelangt die Wärme über ein Nahwärmenetz zu rund 140 Haushalte in den Ortsgemeinden Külz und Neuerkirch. Das interkommunale Wärmeprojekt ist vorbildlich, weil es regenerative Wärmetechnologien miteinander verbindet und es so gelingt, in zwei Ortsgemeinden pro Jahr über 300.000 Liter Heizöl zu ersetzen. Die an das Wärmenetz angeschlossenen Wärmekunden machen sich damit unabhängiger von fossilen Energieimporten und setzen auf eine Wärmeversorgung aus regionalen Quellen.
In der Verbandsgemeinde Simmern/Hunsrück leben rund 18.000 Einwohner*innen. Der Verbandsgemeinde gehören die namensgebende Stadt Simmern sowie 31 eigenständige Ortsgemeinden an – u.a. die Ortsgemeinden Külz und Neuerkirch. In den beiden Gemeinden wohnen 500 bzw. 300 Personen. Die Bewohner beider Ortsgemeinden haben erst unabhängig voneinander und dann gemeinsam darüber beraten, wie die kommunale Wärmeversorgung auf Erneuerbare Energien umgestellt werden kann. Durch die gemeinsame Arbeit an einer Lösungsmöglichkeit konnte schließlich im Spätsommer 2016 gemeinsam ein vorbildliches Projekt realisiert werden. „Ziel der sehr regen Arbeitsgruppen in den beiden Orten ist es, die solidarische und lebendige Dorfgemeinschaft zu fördern“ sagt Bernd Ries, Ortsbürgermeister von Külz. „Der Nahwärmeverbund ist Bestandteil einer ganzheitlichen Philosophie.“ Und sein Kollege aus Neuerkirch, Volker Wichter, ergänzt: „Der Nahwärmeverbund ist der aktuelle Höhepunkt einer rasanten Entwicklung im Landkreis, welche im Jahr 2006 mit dem Bau des ersten Netzes begonnen hat. Die Besonderheit unseres Wärmeprojektes liegt auch darin, dass erstmalig ein gemeinsamer Nahwärmeverbund für zwei angrenzende Orte errichtet wurde.“
Entstehungsgeschichte des regenerativen Wärmekonzeptes für Neuerkirch und Külz
Den Grundstock für die Nahwärme bildete der erste Verbund im Jahr 2009, welcher unter Federführung der Gemeinde Külz nachbarschaftlich organisiert wurde. Eine Holzpelletanlage im Rathaus versorgt nicht nur dieses Gebäude, sondern über ein kleines Netz noch 11 weitere in der Nachbarschaft. Daraus entstand die Idee, im Ort weitere Wärmeprojekte nach diesem Prinzip aufzubauen. Der benachbarte Ortsteil Neuerkirch hingegen kam auf das Thema durch die Arbeitsgruppe Ökologie, die Einwohner im Rahmen des Dorfentwicklungsprogramms „Fit für die Zukunft“ gegründet hatten. Begleitet durch den Gemeinderat entwickelten die Bürger*innen die Idee einer Nahwärmeversorgung auf Basis von Erneuerbaren Energien und begannen, verschiedene Konzepte zu prüfen. Die Arbeitsgruppe erwog nicht nur verschiedene Gesellschaftsformen, wie z.B. Genossenschaft, Gesellschaft bürgerlichen Rechts, kommunaler Eigenbetrieb, sondern auch unterschiedlichen Energiequellen.
Von Anfang an setzten die Bürger*innen beider Gemeinden, die von der Idee einer regenerativen Wärmeversorgung überzeugt waren, auf Öffentlichkeitsarbeit: Sie organisierten Informationsveranstaltungen, verteilten Infoblätter an die Haushalte, boten Sprechstunden für offene Fragen sowie Fahrten zu bereits bestehenden Nahwärmeanlagen in Büsingen und Mannebach an. Durch die Öffentlichkeitsarbeit gab es auch einen Austausch zwischen den benachbarten Ortsgemeinden. In Külz hatten sich inzwischen so viele Interessenten für regenerative Wärme gefunden, dass das ursprüngliche Konzept, mehrere kleinerer Nahwärmeinseln über den Ort zu verteilen, schon nicht mehr ausreichte, um den Bedarf zu decken. Auch hier waren die interessierten Bürger*innen nun schon dabei, über eine Heizzentrale nachzudenken. Wie auch in Neuerkirch war es allgemeiner Konsens, den Schwerpunkt der Beheizung über regenerativen Energieträger zu gewährleisten, und damit fossile Brennstoffe wie Erdöl und Flüssiggas zu ersetzen. Von da an begann man, gemeinsam an einer Lösung zu arbeiten. Durch den größeren zu deckenden Wärmebedarf wurde die Kombination von Solarthermie und Holzenergie eine wirtschaftliche Option.
Nach Ostern 2015 begannen schließlich die Bauarbeiten an der neuen Heizzentrale und dem Wärmenetz. Die Wärmerzeugung erfolgt zum einen über zwei Holzhackschnitzelkessel mit insgesamt 1.260 Kilowatt Leistung. Sie nutzen pro Jahr rund 4.600 Schüttraummeter Holzhackschnitzel aus Waldrestholz aus regionalen Quellen. Zum anderen ist eine solarthermische Anlage mit einer Solarkollektorfläche von über 1.400 Quadratmetern in Betrieb. „Hierdurch werden die lokalen Biomassepotentiale geschont und können möglichst effektiv genutzt werden“, sagt Volker Wichter. Die Solaranlage erzeugt jährlich rund 650.000 Kilowattstunden Wärme und deckt damit rund 20 Prozent des gesamten jährlichen Wärmebedarfs der angeschlossenen Haushalte von rund 3.100 Megawattstunden. Im Sommer reicht die Solarenergie aus, um 100 Prozent des Wärmebedarfs zu decken. Dafür verfügt das System noch über einen Pufferspeicher mit über 120.000 Liter Volumen. Sollten sowohl die Solarthermieanlage als auch die beiden Holzkessel gleichzeitig ausfallen, verfügt die Heizzentrale noch über einen Ölkessel. Die Erneuerbare-Energien-Anlagen sind allerdings so ausgelegt, dass sie den jährlichen Wärmebedarf alleine decken können und pro Jahr über 300.000 Liter Heizöl einsparen. Bei einem aktuellen Heizölpreis von 60 Cent je Liter verbleiben also in den kommenden 20 Jahren mindestens 3,6 Millionen Euro in der Region, die sonst abgeflossen wären.
Die in der Heizzentrale erzeugte Wärme gelangt über ein insgesamt sechs Kilometer langes Wärmenetz zu den Wärmekunden. Die Bauarbeiten wurden genutzt, um gleichzeitig Glasfaserleitungen als Basis für schnelles Internet bis zu 300 mbit/s zu legen. Die 140 Anschlussnehmer, Haushalte, ein Bäcker und die Dorfhalle, wurden nach und nach ans Netz angeschlossen. Die Nahwärme-Anschlussquote vor allem in Neuerkirch ist mit über 80 Prozent noch deutlich höher als in den meisten vergleichbaren Projekten.
Volker Wichter ist, wie Bernd Ries, stolz auf das Nahwärmeprojekt: „In Neuerkirch werden aktuell lediglich fünf von 105 Häusern rein fossil beheizt. Die Klimaschutzziele des Bundes für den Wärmebereich für das Jahr 2050 sind in diesem historisch gewachsenen Ort, der durch alte Fachwerkhäuser geprägt wird, bereits heute erreicht. Dies zeigt, was machbar ist, wenn der Wille vorhanden ist.“
Die Verbandsgemeindewerke Simmern investieren rund fünf Millionen Euro in das regenerative Wärmenetz
Die Errichtung und den Betrieb von Anlagen und Netz haben die Verbandsgemeindewerke Simmern, die Eigenbetriebe der Verbandsgemeinde Simmern/Hunsrück, übernommen. Sie verantworten nicht nur die Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung, sondern verfügen seit 2013 auch über den Betriebszweig Energieversorgung, um Projekte wie das in Neuerkirch und Külz umzusetzen. Bisher hatten sie schon Projekte in Simmern und Fronhofen erfolgreich realisiert. „Die Übernahme der Projektträgerschaft durch die Energieversorgung Region Simmern ist eine ideale Konstellation, um das Ehrenamt zu entlasten“, sagt Ortsbürgermeister Ries.
Die Gemeindewerke arbeiten im Sinne des Klimaschutzkonzeptes der Kreises: Dessen Ziel ist es, die vorhandenen lokalen Einspar- und Erneuerbare Energiepotentiale aus Biomasse, Sonne und Wind konsequent bis zum Jahr 2050 aus zu schöpfen, den Gesamtenergieverbrauch (Wärme, Verkehr, Strom) um 40 Prozent zu reduzieren, den Energiebedarf im Gebäudebestand zu halbieren und jährlich die fossile Energiemenge von umgerechnet 210 Millionen Litern Heizöl zu verdrängen. Bis zum Jahr 2050 sollen hierdurch rund 250 Million Euro jährliche Energiebezugskosten regional gebunden werden. „Das von den Bürger*innen von Neuerkirch und Külz erarbeitete Nahwärmeprojekt passt sehr gut in die Klimaschutzstrategie des Kreises, denn es trägt dazu bei, Energieimportkosten in regionale Arbeitsplätze und Wertschöpfung umzuwandeln“, bilanziert Marc Meurer, Verbandsgemeindewerke Simmern.
Für die Realisierung des Nahwärmeprojektes investierten die Gemeindewerke rund fünf Millionen Euro, die vorwiegend als Auftragsvolumen für regionale Unternehmen verausgabt wurden. Finanziert und gefördert wird das Projekt durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) (ca. 1,1 Millionen Euro.) und das Land Rheinland-Pfalz (480.000 Euro).
Pachteinnahme von Windkraftprojekten fördern Erneuerbare Wärme
Im Sinne der Daseinsvorsorge für die Bürger*innen fördern die Gemeinden seit dem Jahr 2014 die Umstellung auf regenerative Wärmeversorgung mit 4.000 Euro je Haushalt. Die Bürger*innen können dabei den Weg zum Ziel frei wählen. Gefördert wird der Bau von Passivhäusern, sowie der Einbau von Holzvergaser-, Hackschnitzel- und Pellet-Heizkesseln, Wärmepumpen, die an ein wasserführendes Heizungsnetz angeschlossen sind oder werden, thermische Solaranlagen für die Brauchwasserbereitung und zur Heizungsunterstützung sowie der Anschluss an die örtlichen Nahwärmenetze.
Das Geld für die Förderung stammt aus Pachteinnahmen. Auf der Gemarkung Neuerkirch produzieren neun Windkraftanlagen 43 Millionen Kilowattstunden Strom pro Jahr. Auf der Gemarkung Külz befinden sich ebenfalls neun Windkraftanlagen, die jährlich 34 Millionen Kilowattstunden erzeugen. Die Betreiber zahlen Pacht an die Ortsgemeinden und die Gemeindevertreter haben sich dafür entschieden, die Einnahmen zu nutzen, um den lokalen Ausbau Erneuerbarer Wärme zu fördern. „Unsere Gemeinden gestalten bereits seit Jahren, auch Dank der Einnahmen aus der Windkraft, unsere Orte zukunftsfähig“, sagt Bernd Ries.
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