Energie-Kommune des Monats: Landkreis Schwäbisch Hall
Der ländlich geprägte Landkreis Schwäbisch Hall im Nordosten Baden-Württembergs wird von zahlreichen pittoresken Tälern durchzogen und beherbergt knapp 20 Naturschutzgebiete. Damit Kleinode wie beispielsweise das Kupfermoor in der Gemeinde Untermünkheim auch zukünftigen Generationen erhalten bleiben, setzt der Kreis unter der Koordination von Klimaschutzmanagerin Caroline Schöner aktuell einen Katalog aus Klimaschutzmaßnahmen um, die im Klimaschutzkonzept von 2016 identifiziert wurden. Vor besondere Herausforderungen wird der Landkreis dabei bei der Umsetzung der Verkehrswende gestellt. Der mit einer Fläche von knapp 1.500 Quadratkilometern und knapp 200.000 Einwohner*innen dünn besiedelte Kreis muss den Spagat zwischen einem attraktiven Verkehrsangebot, das die regionalen Zentren Schwäbisch Hall, Crailsheim und Gaildorf, aber auch die ländlichen Kreisgebiete miteinander verbindet, sowie einer möglichst schnellen Reduktion der sektorspezifischen CO2-Emissionen schaffen. Hier geht der Landkreis zum einen durch die Umstellung des Fuhrparks als Vorbild voran und beteiligt sich andererseits an innovativen Projekten. Insbesondere das Projekt FluxLiCon verbindet auf innovative Weise Verkehrs- und Stromsektor, nutzt dazu auch noch alte Autobatterien und gibt diesen ein zweites Leben.
Klimaschutzkonzept, Klimaschutzmanager*in und energieZENTRUM rahmen die kommunale Energiewende ein
Bei der Stromversorgung kann der Landkreis mit einem Anteil von über 100 Prozent Erneuerbarer Energien an der Stromversorgung (bilanziell) bei einem Jahresverbrauch von circa einer Terawattstunde schon heute überzeugen. Das hielt die engagierte Kreisverwaltung aber nicht davon ab, im Klimaschutzkonzept noch deutlich ambitioniertere Ziele zu verankern. Mit einem Anteil von 140 Prozent bis 2030 und 200 Prozent bis 2050 plant der Kreis die eigenen Erzeugungskapazitäten in den nächsten Jahrzehnten nochmal zu verdoppeln. Gleichzeitig wird die regenerative Wärmeproduktion gestärkt. Der Anteil von regenerativer Wärmeenergie am Brennstoffverbrauch soll bis 2030 auf 50 Prozent und bis 2050 auf 80 Prozent steigen. Ergänzend dazu muss die jährliche Sanierungsquote landkreisweit auf 2,5 Prozent angehoben werden, um gerade in diesen Zeiten wertvolle Wärmeenergie möglichst effizient zu nutzen. Insgesamt stellt das Klimaschutzkonzept nach Umsetzung aller Maßnahmen eine Reduktion der CO2-Emissionen im Kreisgebiet von 85 Prozent bis 2050 in Aussicht.
Dafür wurden die einzelnen Klimaziele in sechs Themengebieten eingeordnet. Diese enthalten wiederum konkrete 47 Einzelmaßnahmen, die der Landkreis bis zur Mitte des Jahrhunderts umsetzen muss. Seit der Erstellung des Konzeptes konnten inzwischen zahlreiche Maßnahmen umgesetzt werden, andere wurden wiederum angepasst oder durch neue Maßnahmen ersetzt. Im Projekt kommunale Klima-Scouts werden beispielsweise Auszubildende des Landratsamts oder der Kommunen in drei Workshops zu Klima-Scouts ‚ausgebildet‘. Dort werden sie für geringinvestive Klimaschutzmaßnahmen sensibilisiert und sind anschließend in der Lage, in kommunalen Gebäuden Stromfresser zu identifizieren und die Energienutzung in der Verwaltung effizienter zu gestalten. Durch solche Maßnahmen können Energieeinsparungen von 15 Prozent erreicht werden. Weitere Maßnahmen wie die Erstellung eines Radverkehrskonzeptes befinden sich im Moment noch in Umsetzung.
Neuen Schwung erhielt die Energiewende im Landkreis mit der Verabschiedung der gemeinsamen Klimastrategie 2022. Der Kreis verabschiedete zusammen mit 24 seiner 30 Kommunen eine Strategie, die Maßnahmen auf Kreis- und Kommunalebene entwickelt und umsetzt. Zentral gelenkt wird deren Umsetzung durch das energieZENTRUM, der regionalen Energieagentur des Landkreises. Klimaschutzmanagerin Schöner fasst die Eckpunkte zusammen: „Kern der Strategie ist die zentralisierte Bildung eines Teams von Expert*innen, das vielfältige Aufgaben übernimmt und die Kommunen bei der Lösung unterstützt. In erster Linie werden dadurch die übergeordneten Themen des Klimaschutzes in den Kommunen organisiert und Grundlagen zur Optimierung geschaffen werden.“ Durch eine solche Zusammenarbeit profitieren vor allem kleinere Kommunen. Diesen fehlt oft Zeit, Personal oder Expertise. Diese Lücke soll das energieZentrum füllen . Es schafft Synergien und entwickelt Blaupausen, von denen alle teilnehmenden Kommunen gleichermaßen profitieren.
Schwäbisch Hall investiert in einen erneuerbaren Verkehrssektor
Die besondere Bedeutung der Verkehrswende für den Landkreis wird schnell klar, wenn man bedenkt, dass knapp 50 Prozent der CO2-Emissionen im Kreisgebiet im Verkehrssektor anfallen. Gleichzeitig eignet sich das ländlich geprägte Gebiet des Kreises nur bedingt zur Etablierung eines leistungsfähigen Personennahverkehrs. Dieser stellt zweifellos einen Teil der Lösung dar, aber insbesondere bei der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel ist der Landkreis weiterhin darum bemüht, über ein besseres Angebot sowie gezielte Öffentlichkeitsarbeit die Gewohnheiten der Bürger*innen langfristig zu verändern. „Alte Muster müssen durchbrochen werden und Mobilität nicht mehr nur über das eigene Auto definiert werden“, weiß Klimaschutzmanagerin Schöner. „Es wäre falsch, eine Antriebswende im privaten Sektor mit der Verkehrswende gleichzusetzen. Veränderungen müssen parallel stattfinden.“
Tendenziell steigende Zulassungszahlen von PKWs zeigen jedoch, dass auch im Bereich der privaten Mobilität ein Umdenken bei den Bürger*innen stattfinden muss. Ein Ziel der kommunalen Entscheidungsträger*innen ist es daher, den Anteil an E-Mobilität im Landkreis zu erhöhen. Zumindest die Kreisverwaltung ist in diesem Bereich bereits Vorbild für ihre Bürger*innen. Im Rahmen der Maßnahmen des Klimaschutzkonzeptes wurden zwischen 2018 und 2021 insgesamt 13 Elektrofahrzeuge, zwei Pedelecs und zwei E-Lastenräder angeschafft. Diese ersetzen 17 Verbrenner der Kreisverwaltung und werden selbstverständlich mit Öko-Strom geladen. In Verbindung mit dem im Klimaschutzkonzept geplanten weiteren Ausbau der Ladeinfrastruktur und der Entwicklung von E-Car-Sharing-Projekten in einzelnen Kommunen sollen die Bürger*innen zum Umstieg auf eine CO2-freie Art der Fortbewegung angeregt werden. Insbesondere eine leistungsstarke Ladeinfrastruktur ist entscheidend für die Attraktivität von E-Autos. Seit November 2021 wird deswegen der Ausbau einer gewerblichen sowie kommunalen Ladeinfrastruktur forciert. Finanzielle Unterstützung erhält der Landkreis dabei vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur. Im Rahmen einer Bundes-Förderrichtlinie werden Ladestationen an Mitarbeiter*innenparkplätzen mit bis zu 900 Euro pro Ladepunkt bezuschusst. Der Einstieg in die E-Mobilität wird damit für gewerbliche sowie kommunale Partner*innen insbesondere beim Umstieg ganzer Flotten interessant. Zu einem ganzheitlichen Mobilitätskonzept gehört selbstverständlich auch das Fahrrad. Durch zahlreiche Maßnahmen wie besserer Instandhaltung der Wege, dem Ausbau des Winterdienstes und vor allem der Erweiterung des Radwegenetzes will der Kreis die Attraktivität von Fahrrädern weiter erhöhen.
Eine erfolgreiche Verkehrswende führt am Ende nicht nur zur Reduktion von CO2-Emissionen, sondern bietet auch Chancen für die Städte des Kreises. „Durch die Elektrifizierung des Verkehrs wird einerseits die Lärmbelastung reduziert“, erklärt Frau Schöne. Sie führt weiter aus: „Außerdem kann der Umstieg auf Verkehrsmittel des Umweltverbunds zur Reduktion des Verkehrs führen und damit wird Platz in den Innenstädten geschaffen. Dieser Raum kann im Anschluss für Fahrradwege, Gastronomie oder Grünflächen genutzt werden.“
Der Landkreis gibt alten Second-Life-Batterien als FLuxLiCon-Speicher ein neues Leben
Einen weiteren Innovationsschub im Verkehrssektor bringt das im September 2021 gestartete Forschungsprojekt FluxLiCon. Ziel des Vorhabens ist, ein intelligentes und flexibles System zum Einsatz von Second-Life-Batterien in der kommunalen Ladeinfrastruktur zu entwickeln und anschließend in zwei Pilotkommunen in der Praxis zu testen. Das Potenzial des Projektes geht dabei weit über den Verkehrssektor hinaus, da die Notwendigkeit von ressourceneffizienten sowie zuverlässigen Speichermöglichkeiten zur Überbrückung von windstillen oder sonnenarmen Phasen in einem erneuerbaren Energiesystem weiter zunimmt. Dafür wird Batterien aus E-Autos, die trotz vorhergehender Nutzung weiterhin im Durchschnitt 80 Prozent der ursprünglichen Kapazität besitzen, ein zweites Leben als lokaler stationärer Energiespeicher gegeben. Diese Second-Life-Batterien eignen sich zum einem gut zum ‚Fast Charging‘ und bringen so den Ausbau der Ladeinfrastruktur voran, andererseits dienen sie aber eben auch als Netzschnittstelle für die Integration von Erneuerbaren Energien. Hier kann der Speicher aus Second-Life-Batterien zur kurzfristigen Ein- und Ausspeisung genutzt werden und damit Frequenzschwankungen effektiv ausgleichen. So wird das Stromnetz flexibilisiert und sonst abgeregelter Solar- oder Windstrom kann zur späteren Einspeisung gespeichert werden. Außerdem können mittels Peak-Shaving Lastspitzen in Zeiten von hohem Verbrauch über den Speicher ausgeglichen werden. Insbesondere die Nutzung von bereits existierenden Batterien ermöglicht den flexiblen Einsatz des Speichers. Das wird durch das modulare Design weiter unterstrichen. Ein Novum des Fluxlicon-Speichersystems ist nämlich die Möglichkeit, Batteriesysteme unterschiedlichster Art zu verwenden. Durch die Entkopplung einzelner Batteriepacks und durch eine durchdachte Steuerung lassen sich Traktionsbatterien unabhängig ihrer Spezifikationen, Nutzungshistorie oder ihres Herstellers in das Speichersystem integrieren. Damit steigt die Produktverfügbarkeit und bei einem Ausfall können andere Batteriesysteme eingesetzt werden.
Konkret bedeutet das für den Landkreis, dass mit der Integration des FluxLiCon-Speichers schnell und flexibel den Herausforderungen eines immer stärker auf Strom basierenden Energiesystems begegnet werden könnte. Aktuell befindet sich das Forschungsprojekt in der zweiten Phase des Auswahlprozesses. Als eine von acht Modellkommunen hat es der Landkreis in die nächste Bewerbungsrunde geschafft. Ende November 2022 beginnt ein Projektteam aus Expert*innen von der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen (RWTH Aachen), PEM Motion, ConAC, der DEKRA sowie der Agentur für Erneuerbare Energien gemeinsam mit Vertreter*innen des Landkreises, der Stadtwerke Schwäbisch Hall und Mitarbeitenden des energieZENTRUMs Anwendungsfälle für den Speicher zu identifizieren. Im März 2023 wird dann entschieden, in welchen zwei Kommunen die Speicher aufgestellt werden.
Bis zum Abschluss des Pilotprojektes im Jahr 2024 bleibt die Nutzung des Systems auf die zwei Pilotkommunen beschränkt. Erfüllt das Projekt die Erwartungen, steht einer schnellen Verbreitung der Technologie nicht zuletzt aufgrund der guten Verfügbarkeit von Second-Life-Batterien auf dem Land sowie in den Städten nichts mehr entgegen.
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