Energie-Kommune des Monats: Kreis Paderborn

Januar 2023

Als erster Landkreis in Nordrhein-Westfalen ist es dem Kreis Paderborn 2018 gelungen, seinen gesamten Strombedarf ausschließlich durch Erneuerbare Energien zu decken. Mittlerweile ist der Ökostromanteil auf rund 150 Prozent angestiegen. Damit ist der Kreis im Osten des Bundeslandes auch deutschlandweit ein Vorreiter. Mit über 300.000 Einwohner*innen und der gleichnamigen Kreis- und Universitätsstadt im Zentrum kommt der Erfolg aber nicht von ungefähr. Bereits 2011 wurde das erste Klimaschutzkonzept aufgestellt, beständig umgesetzt und in den Jahren 2020/21 fortgeschrieben. Enge Zusammenarbeit mit den zehn Kommunen des Kreises und ständiger Austausch mit den Nachbarlandkreisen sowie der Einbezug der Bürger*innen sind bis heute die Eckpfeiler der kommunalen Energiewende im Kreis Paderborn. Der erste Schritt, der Aufbau einer robusten, erneuerbaren Stromproduktion, ist getan. Aktuell stellt der Kreis durch den Ausbau der Wasserstoffinfrastruktur und Investitionen in die Verkehrswende sicher, dass er sein Ziel – die bilanzielle Klimaneutralität aus eigener Kraft – möglichst schnell erreichen kann. Durch engagierte Bürger*innen und Investitionen vor Ort bleibt die produzierte Wertschöpfung im Kreis.

Windpark in Bad Wünneberg im Süden des Landkreises (Foto: Kreis Paderborn).

Synergien finden und im Verwaltungsverbund voneinander lernen

Als Landkreis wird Paderborn vor eigene Herausforderungen bei der Umsetzung der Energiewende gestellt. Für den Kreis, zu dem zehn kreisangehörige Städte und Gemeinden zählen, ist eine transparente und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit deren Klimaschutzmanager*innen Voraussetzung für ein Gelingen der gesetzten Ziele. Gleichzeitig liegt in dieser Herausforderung eine Chance. Da Klimaschutz nicht an den kommunalen Grenzen Halt macht, ermöglicht ein intensiver Austausch zwischen Kommunen und Kreis das Entstehen ganz eigener Synergien. Darüber hinaus ist der Kreis über die „Klimakampagne OWL“ (Ostwestfalen-Lippe) in der gesamten Region vernetzt und ständig im Austausch bezüglich neuer Projekte und Best-Practice-Beispielen. „Durch diese Zusammenarbeit muss das Rad nicht immer neu erfunden werden und der Klimaschutz kann zügig und effektiv vorangetrieben werden. Das ist für uns alle elementar“, erklärt Leah Laven, Pressesprecherin des Kreises.

Die Kreisverwaltung und Landrat Christoph Rüther setzen auf E-Mobilitaet (Foto: Kreis Paderborn/ Besim Mazhiqi).Dieser Erfolg lässt sich messen. Das ist das Ergebnis der 2019 durchgeführten Evaluierung des ersten Klimaschutzkonzeptes. Im Vergleich mit 2010 – also ein Jahr vor Verabschiedung des ersten Konzeptes auf Kreisebene – konnten die Pro-Kopf-Emissionen bis 2018 um 35 Prozent auf 6,1 Tonnen CO2-Äquivalent gesenkt werden. Zum Vergleich: Laut dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz liegt der Pro-Kopf-Ausstoß der Deutschen 2022 weiterhin im Durchschnitt bei über zehn Tonnen CO2-Äquivalent. Absolut konnte sogar ein bilanzieller Rückgang von 1990 bis 2018 um 39 Prozent festgestellt werden. Mit der Fortschreibung des Klimaschutzkonzeptes in den letzten Jahren setzt sich der Kreis ähnlich ambitionierte Ziele. Bis 2030 will die Kreisverwaltung CO2-neutral sein. Das heißt, Eigenbetriebe und Gesellschaften werden spätestens bis zum Stichjahr bilanziell keine Treibhausgase mehr produzieren. Erste Schritte sind hier bereits gemacht. 2019 wurde der Fuhrpark der Kreisverwaltung komplett auf Elektro- bzw. Hybridautos umgestellt. Bis 2045 wird der Kreis laut dem neuen Klimaschutzkonzept klimaneutral sein und spätestens 2050 soll die gesamte Strom- und Wärmeversorgung des Kreises bilanziell durch Erneuerbare Energien gedeckt werden.

Rückenwind für Klimaziele im Kreis durch den Ausbau der Erneuerbaren

Bau einer Windenergieanlage im Windpark Etteln an der A33 (Foto: WestfalenWIND GmbH).Die Erfolge des Kreises bei der Vermeidung von CO2-Emissionen basieren maßgeblich auf dem Ausbau der Erneuerbaren Energien. Insbesondere der großflächige Ausbau der Windenergie im Kreisgebiet stellt bis heute einen Großteil des erzeugten Stroms bereit. Wurden 2011 in Paderborn knapp 750 Gigawattstunden erneuerbarer Strom jährlich produziert, so waren es 2018 über 2.600 Gigawattstunden. Davon entfielen ganze 84 Prozent auf die Windenergie. Weitere 9 Prozent werden durch Photovoltaikanlagen produziert. Entscheidende Ausbauimpulse wurden bereits 2009 von den Paderborner*innen gesetzt. Das vom Kreis unabhängige Unternehmen WestfalenWIND wurde von Paderborner Unternehmer*innen aus der Idee heraus gegründet, mehr für die Region zu tun und gleichzeitig das Klima zu schützen.

Finale Arbeiten an der Kabine einer Windenergieanlage (Foto: WestfalenWIND GmbH).Mitgründer und Geschäftsführer Johannes Lackman beschreibt es so: „Der Antrieb von WestfalenWIND ist seit der Gründung des Unternehmens bis heute, Erneuerbare Energien voranzubringen und mit den Erträgen auf vielfältige Weise die Region zu stärken.“ Heute betreibt WestfalenWIND erneuerbare Energieanlagen im Kreis mit einer installierten Leistung von circa 450 Megawattstunden: davon etwa 170 Windenergieanlagen im gesamten Kreisgebiet. Der Leitgedanke beim Ausbau der Erneuerbaren ist weiterhin, über verschiedene Maßnahmen auch die Bürger*innen vor Ort mitzunehmen und Wertschöpfung möglichst in der Region zu halten. Konkret bedeutet das: Über ein Flächenpachtsystem werden möglichst viele Landwirt*innen, die sich in unmittelbarer Nähe zu den Windenergieanlagen befinden, an den Gewinnen beteiligt. Anwohner*innen sowie regionale Unternehmen profitieren von günstigem, erneuerbarem Strom und städtische Haushalte können über gesteigerte Gewerbesteuereinnahmen konsolidiert werden. Durch die Windenergie werden auch unmittelbar Vorhaben vor Ort gefördert. Die 2013 im Zuge des Baus eines Windparks gegründete Energiestiftung Sintfeld unterstützt regionale Organisationen, insbesondere im Stadtgebiet von Bad Wünnenberg im Süden des Kreises. Teile der Einnahmen aus den Windenergieanlagen in Höhe von etwa 180.000 Euro pro Jahr kommen so unmittelbar dem Vereinswesen vor Ort zugute. Während immer noch bürokratische Fesseln auf Bundes- und Landesebene den weiteren Ausbau ausbremsen, spricht WestfalenWIND von stetig steigender Akzeptanz im Kreis. Insbesondere in Zeiten steigender Energiepreise wird der lokale, günstige und CO2-neutrale Strom zu einem handfesten Wettbewerbsvorteil für die Unternehmen vor Ort.

Weiter gestärkt wird die Akzeptanz des Ausbaus der Erneuerbaren von der Kreisverwaltung über die Einrichtung verschiedener Informationsangebote und einer Beratungsstelle für die Paderborner*innen. Auf dem „Forum Klimaschutz“ werden regelmäßig Anwohner*innen und Unternehmen von Expert*innen über aktuelle Entwicklungen in Sachen Klimaschutz informiert. Über die Vorstellung von Best-Practice-Beispielen und Hilfsangeboten werden Interessierte niederschwellig und praxisnah beraten. Bildungsangebote wie das Projekt „Energiesparen macht Schule“, das seit 2020 am kreiseigenen Berufskolleg angeboten wird, bringen wichtige Themen wie Ressourcenbewusstsein und praktische Empfehlungen zum Energiesparen direkt ins Klassenzimmer.

Die Zukunft bringt mehr Photovoltaik, mehr Windenergie, mehr Wasserstoff und mehr Fahrrad

Landrat Christoph Rüther auf dem Dach des Kreishauses in Paderborn (Kreis Paderborn/ Besim Mazhiqi).Der Kreis Paderborn hält seinen Klimakurs auch in der Zukunft. Der weitere Ausbau Erneuerbarer Energien bleibt notwendig, um den im Rahmen der Dekarbonisierung anderer Sektoren steigenden Strombedarf in Zukunft weiter durch die kreiseigene Produktion zu decken. Aktuell werden Liegenschaften der Kreisverwaltung mit PV-Anlagen bestückt. Aber auch die Windenergie wird über Repowering und den Bau neuer Anlagen weiter gestärkt. Zukünftig wird ein Teil zudem zur Produktion von grünem Wasserstoff verwendet werden. Über das Projekt „HyDrive OWL“ ist der Kreis seit 2021 an der Etablierung einer Wasserstoffinfrastruktur in der Region Ostwestfalen-Lippe beteiligt. Der Kreis setzt aber auch eigene Projekte um. Auf dem Gebiet des Entsorgungszentrums „Alte Schanze“ soll neben erneuerbarem Strom aus Wind, Sonne und Deponiegas bald auch grüner Wasserstoff produziert werden. Der Kreis will hier in Kooperation mit den Betreibern des Zentrums und weiteren Partner*innen aus der Privatwirtschaft in Zukunft die gesamte Wasserstoff-Wertschöpfungskette etablieren. Die notwendige Infrastruktur von der Erzeugung mittels Elektrolyseurs über die Speicherung bis zum Abtransport wird dafür in den nächsten Jahren auf dem Deponiegelände gebaut werden, so wurde es im bereits unterschriebenen Kooperationsvertrag beschlossen. Der Kreis will hier Synergien nutzen, um über Blockheizkraftwerke auch die Wärmewende voranzubringen. Darüber hinaus könnte der gewonnene Wasserstoff dem klimaneutralen Betrieb der schweren Nutzfahrzeuge wie den kommunalen Müllwagen dienen. Das wäre ein weiterer Schritt in Richtung eines klimaneutralen Verkehrs.

Gerade die Reduktion von Treibhausgasen im Verkehrsbereich stellt viele Kommunen vor Herausforderungen. Neben der Nutzung von Wasserstoff und den Programmen von Bund und Land zur Förderung der E-Mobilität will der Kreis Paderborn seinen Bürger*innen den Umstieg aufs Fahrrad möglichst leicht machen. Seit letztem Jahr engagiert sich der Landkreis bei der Arbeitsgemeinschaft fußgänger- und fahrradfreundlicher Städte, Gemeinden und Kreise in Nordrhein-Westfalen (AGFS NRW). Als 99. Mitglied des Arbeitskreises kann Paderborn bereits mit Expertise glänzen. 2022 wurde der Kreis für seine federführende Rolle bei der Erstellung des Infrastrukturkonzepts Radnetz OWL mit dem 22. Deutschen Fahrradpreis ausgezeichnet. Das Konzept sieht vor, Lücken im bestehenden Radnetz zu schließen und so eine flächendeckende Anbindung zu bestehenden Hauptrouten und dem sich entwickelnden Radnetzes im Kreis zu schaffen. In ein paar Jahren könnten Fahrradtouren von Paderborn nach Bad Wünnenberg zwischen Windenergieanlagen als stille Zeugen einer erfolgreichen Energiewende zur neuen Normalität gehören. Eine Strecke zwischen Paderborn und Bad Lippenspringe, einem Kurort im Nordosten des Kreises, befinden sich bereits in der Detailplanung.