Energie-Kommune des Monats: Dardesheim
Mai 2015
In Dardesheim im Landkreis Harz in Sachsen-Anhalt, seit 2010 ein Ortsteil der Einheitsgemeinde Osterwieck, leben rund 760 Menschen. Für sie ist ihr Ort einfach die ‚Stadt der Erneuerbaren Energien‘. Gemeinsam mit Stadtrat und Landkreis verfolgen die Dardesheimer seit mehr als zehn Jahren regenerative und innovative Energieprojekte. 1994 wurde hier das zweite Windrad Sachsen-Anhalts nach der Wende errichtet. Heute erzeugen die Dardesheimer mit Anlagen ein Vielfaches ihres Stromverbrauchs aus regenerativen Quellen vor Ort und arbeiten beispielhaft an Lösungen für das intelligente Energiemanagement. „Uns alle eint das Ziel, das Klima zu schützen und eine sichere und bezahlbare Vollversorgung aus Erneuerbaren Energien zu etablieren“, so Ortsbürgermeister Ralf Voigt.
Windpark Druiberg produziert Ökostrom
Der Ausgangspunkt der vielen aktuellen Aktivitäten ist das frühzeitige Engagement für den Ausbau der Windenergie. Auf einem der windreichsten Standorte der Gegend, dem Druiberg mit dem Gelände der ehemaligen Radarstation zwischen Dardesheim, Badersleben und Rohrsheim, befindet sich der Windenergieanlagenpark Druiberg mit derzeit 32 Anlagen. Diese haben zusammen eine Leistung von 68,9 Megawatt (MW) und produzieren etwa das 40-fache des gesamten jährlichen Stromverbrauchs von Dardesheim (ca. 120 Millionen Kilowattstunden). Im Ort Dardesheim hat ein achtköpfiges Service-Team seinen Standort, um von dort aus den hiesigen und weitere benachbarte Windparks zu warten. „Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels von dem der ländliche Raum betroffen ist, sind diese Arbeitsplätze ein positives Beispiel, wie Erneuerbare Energien die Wertschöpfung vor Ort positiv beeinflussen“, meint Ortsbürgermeister Voigt.
Schon 1994 errichtete eine Privatperson auf dem eigenen Land die erste Anlage, damals ein zweiflügliges Windrad mit einer Leistung von 80 Kilowatt,. Zum Vergleich: Die modernen Anlagen des Parks haben eine Leistung von je 2.000 Kilowatt. Nach 20 Jahren, 6 Monaten und 15 Tagen wurde der Oldtimer 2014 abgebaut – wie im Jahre zuvor drei weitere Pionieranlagen des Baujahrs 1995. Der Ablauf zeigt eindrücklich, welche geringen Folgen Windenergie im Vergleich zum Beispiel zum Energieträger Kohle für die Landschaft hat. Denn für den Abbau rückten zwei große Bagger an und bauten Flügel, Getriebe und Mast samt Fundament komplett zurück. Die entstandenen Löcher wurden mit Muttererde gefüllt. Auf den Flurstücken wurde der ursprüngliche Zustand wieder hergestellt, die Flächen gingen wieder in die landwirtschaftliche Nutzung über. Die Rückbaukosten einschließlich der Rekultivierung trug im vollen Umfang der Anlagenbetreiber.
Windparkchef Heinrich Bartelt plant, bis 2017 sieben weitere Anlagen zu errichten. Außerdem ist vorgesehen, einen Batteriespeicher auf dem Gelände zu installieren, um Windstrom bei Bedarf zwischen zu speichern. Das Speichersystem soll zusammen mit der Universität Magdeburg und dem Fraunhofer IWES erarbeitet werden.
Engagement der Menschen stärken
Die Betreiber haben sich außerdem dazu entschieden, den Windpark zu nutzen, um interessierte Bürgerinnen und Bürger über die Vorteile der Erneuerbaren Energien zu informieren. Dafür wird die ehemalige sowjetische Radarstation im Windpark zum „Informations- und Erlebnispark für Erneuerbare Energien“ umgebaut. Der Windpark ist dadurch Ausflugsziel für viele Schulklassen, Studierende, Unternehmen und Touristen. Es ist ein Informationspark über Erneuerbare Energien und die Flora und Fauna der Umgebung. Vor Ort befinden sich ein Spielplatz, Aussichts- und Ruhepunkte und ein Eventbereich, auf dem seit 2007 das Open Air Festival „Rock im Mai“ stattfindet. Zahlreiche Bürgerinnen und Bürger aus Dardesheim und den umliegenden Gemeinden profitieren finanziell vom Windpark, wenn sie sich mit Einlagen ab 100 Euro als Kommanditisten an der GmbH & Co. KG beteiligen Außerdem fließt ein Prozent jener Windparkeinnahmen, die durch den Betrieb von Windräder auf den Gemarkungen der Gemeinde erwirtschaftet werden, über den Förderverein Stadt Dardesheim e. V. als Sponsoringmittel in unterschiedliche kommunale und soziale Aktivitäten. So profitieren alle Bürgerinnen und Bürger vom Ertrag des Windparks. 2014 wurden viele kleine Baumaßnahmen in Dardesheim mit Sponsoringmitteln des Windparks über den Harz-Regenerativ-Druiberg e.V. durchgeführt. Außerdem wird seit zehn Jahren der Dardesheimer Umweltpreis ausgelobt. Am Wettbewerb teilnehmen können Bürgerinnen und Bürger aus Osterwieck und der Gemeinde Huy, also jene in Sichtweite der Windräder. Das Preisgeld – alljährlich sindes jeweils 5.000 Euro -– kommt vom Windpark. Und das Engagement der Menschen vor Ort lässt sich sehen. Die mehr als 1 MW Solarstromanlagen auf den Dächern der Dardesheimer sparen jedes Jahr Tonnen von CO2 ein und liefern allein schon mehr als den verbrauchten Haushaltstrom. Solarkollektoren, Pelletheizungen und Holzvergaser sorgen für saubere Wärme in den Häusern.
Dardesheim ist Teil des Forschungsprojektes zur sicheren Windenergieeinspeisung in Verteilnetzen
Energiewende bedeutet allerdings nicht nur den Ausbau von Erneuerbaren-Energien-Anlagen. Die Energie muss auch dann bereitstehen, wenn sie gebraucht wird – das ist den Dardesheimern als alten Hasen der Energiewende klar. Daher ist der hiesige Windpark Teil des Forschungsprojektes SECVER, das die Integration von Windstrom in Verteilnetze untersucht. Zuvor waren die Windräder schon in die Regenerative Modellregion Harz (RegModHarz, integriert, einem vom Bundeswirtschaftsministerium unterstützten Projekt zur Systemstabilität. Bis Ende 2013 wurden neue Technologien und Geschäftsmodelle für ein Internet der Energien entwickelt und im Landkreis Harz getestet.
SECVER steht für „Sicherheit und Zuverlässigkeit von Verteilungsnetzen auf dem Weg zu einem Energieversorgungssystem von morgen“. Das Projekt beschäftigt sich, unter der Koordination des Fraunhofer IFF, mit neuen Lösungen für die Herausforderung der Netzstabilisierung trotz steigender aber schwankender Einspeisung dezentraler Öko-Stromerzeuger. Das übergeordnete Ziel des SECVER-Vorhabens ist daher einerseits die Entwicklung von Algorithmen und Systemen für ein übergreifendes Monitoring und die Beobachtbarkeit der Verteilungsnetze mit hoher lokaler erneuerbarer Erzeugung unter dezidierter Anwendung digitaler Messtechnologien sowie andererseits die Erweiterung der Maßnahmen zur Unterstützung einer sicheren und zuverlässigen Führung von Verteilungsnetzen.
Neue Verbraucher und z.B. Elektrofahrzeuge sollen dabei zunehmend intelligente Rollen und Betriebsweisen übernehmen, so dass in Abhängigkeit der Netzsituation automatisch und angepasst geladen und verbraucht bzw. gefahren werden kann. Diese Funktionen werden vor allem im zweiten neuen Projekt „Tanken im Smart Grid (TSG)“ untersucht. Auch dafür bietet Dardesheim schon eigene Infrastruktur. Seit 2008 gibt es eine regenerative Stromtankstelle in der Gemeinde – es war die erste, die im Land Sachsen-Anhalt errichtet wurde. Das erste Elektrofahrzeug war ein Dienstwagen des Windparks, ein alter Trabant, der schon 2006 auf Elektrobetrieb umgerüstet wurde und bis heute ausschließlich mit Wind- und Solarstrom gefahren ist. Im Januar 2008 kam ein Elektro-Golf und 2010 ein Elektro-Renault Twingo hinzu, den Bürgerinnen und Bürger zur Probe fahren und für Testberichte ausleihen können. Innerhalb eines weiteren vom Bundesumweltministerium geförderten Projektes (Harz.EE-Mobility) wurden zwischen 2008 und 2011 dreizehn gebrauchte Audi A2 auf Elektrobetrieb umgerüstet und in der Region getestet.
LED-Straßenbeleuchtung
In einem weiteren Projekt geht es um die Modernisierung der Straßenbeleuchtung mit LED-Systemen. Der Dardesheimer Verein Harz Regenerativ plant zusammen mit dem Landkreis Harz und der Stadt Osterwieck eine Studie über den Einsatz von LED-Straßenbeleuchtung in Dardesheim. Daraus soll eine Empfehlung auch für andere Orte entstehen. Alte Straßenlaternen/Leuchtmittel werden gegen Laternen mit LED-Leuchten/LED Leuchtmittel mit minimalen finanziellem Aufwand getauscht, die bei weißerem Licht 80 Prozent weniger Energie verbrauchen. „Wir wollen unsere Gemeinde dadurch zur ‚Energieeffizienten Stadt der erneuerbaren Energie‘ entwickeln“, erklärt Bürgermeister Voigt. Die Einsparungen, die sich durch den Wechsel auf LED ergeben, sollen in einem nächsten Schritt dafür genutzt werden, für andere Straßenzüge intelligente LED-Beleuchtungssysteme anschaffen zu können.
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