Energie-Kommune des Monats: Crailsheim
Juli 2014
Die Stadt Crailsheim in Baden-Württemberg setzt sich mit ihren Stadtwerken schon seit vielen Jahren für den Klimaschutz ein. Dabei umfassen die Bemühungen der Stadt mit ihren 33.000 Einwohnern unterschiedliche Handlungsfelder der kommunalen Planungspolitik. Innovative Wärmekonzepte für Neubaugebiete, Quartierskonzepte zur Energieeffizienz und der Nutzung der Erneuerbaren Energien, Feldversuche zur energetischen Flurbereinigung oder die Ausweisung von Flächen zur Nutzung von Windenergie. „Die Energiewende ist keine abstrakte Kehrtwende der Bundespolitik, sondern ein neuer Gestaltungsraum für die Kommunalpolitik“, begründet Crailsheims Oberbürgermeister Rudolf Michl das Engagement der Kommune. „Auf kommunaler Ebene kann der Ausbau der regenerativen Energien zusammen mit den Menschen passieren.“
Solare Nahwärme
Bereits seit 2003 wird auf dem Gelände einer ehemaligen US-Kaserne ein Neubaugebiet mit einem Wärmenetz entwickelt, welches zu großen Teilen aus solarthermischen Anlagen versorgt wird. Das Projekt Hirtenwiese II umfasst eine Infrastruktur der kurzen Wege, mit Kindergarten, Schulen, Sportanlage und Einkaufsmöglichkeiten, ein Wohngebiet für 2.000 Menschen und die größte thermische Solaranlage in Deutschland. Die Stadtwerke Crailsheim sind Bauherr und Betreiber der Anlage. Nachdem im Dezember 2002 mit dem Bau und der Installation der ersten Kollektoren auf dem Dach der Sporthalle Hirtenwiesen begonnen wurde, versorgen mittlerweile 7.500 Quadratmeter Kollektorfläche die Haushalte und die öffentlichen Einrichtungen im Sommer mit sauberer Sonnenwärme. Über das Jahr gesehen kann die Anlage etwa 50 Prozent der benötigten Wärme leisten. Die restliche Wärme wird mittels effizienter Kraftwärmekopplung in einem nahe gelegenen Heizkraftwerk der Stadtwerke erzeugt. „Neubaugebiete bieten Kommunen die Möglichkeit, eine regenerative Wärmeversorgung gemeinschaftlich umzusetzen“, erklärt Oberbürgermeister Michl. „Da es bei Quartieren mit Bestandsgebäuden schwierig ist, die Interessen der vielen unterschiedlichen Bewohner unter einen Hut zu bringen, ist das Projekt Hirtenwiese II eine gute Möglichkeit, um die Vorzüge der Wärmenetze in der Praxis zu demonstrieren.“
Die Kollektoren der Solaranlagen der Stadtwerke verteilen sich auf Mehrfamilienhäuser, eine Sport- und Veranstaltungshalle und ein Gymnasium. Der Großteil, nämlich 5.000 Quadratmeter, erstreckt sich über den südlichen Teil eines 15 Meter hohen Schallschutzwalls. Eine frostsichere Flüssigkeit wird in den Kollektoren durch die Sonne erhitzt und überträgt die Wärme auf das Wasser im Wärmenetz. Da im Sommer mehr Wärme zur Verfügung steht, als benötigt wird, kann ein Teil der Wärme für die kalten Monate vorgehalten werden. Dafür wird das Wasser in mehreren U-förmigen Erdsonden in 55 Meter Tiefe geleitet. Als Wärmespeicher dienen dabei die Gesteinsschichten im Boden. „Ein gemeinschaftliches Wärmenetz auf Basis von Solarthermie bringt viel Komfort, da weder Reparaturen noch Brennstofflieferungen für die Bewohner anfallen“, hebt Oberbürgermeister Michl hervor. „Außerdem leisten die Crailsheimer mit Hirtenwiese II einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz.“, ergänzt der technische Geschäftsführer der Stadtwerke, Jürgen Breit. Um für die gleiche Heizleistung zu sorgen, würde ein konventionelles Heizsystem etwa 200.000 Liter Heizöl benötigen. Damit bleiben Crailsheim durch die Anlage etwa 500 Tonnen schädliche Treibhausgase erspart.
Energetische Flurbereinigung
„Da die Energiewende vor Ort nicht nur durch klimafreundliche Neubaugebiete, sondern gerade die Bestandsgebäude betrachtet werden müssen, gehen wir hier in Crailsheim auch bei der Flächenplanung neue Wege“, so der Oberbürgermeister. In einem Pilotprojekt hat Crailsheim eine energetische Flurbereinigung im Teilort Jagstheim durchgeführt. Eine Flurbereinigung sieht die Neuordnung der Besitzverhältnisse von Flächen vor. Dies kann gerade bei sehr kleinteiligen Flächen mit vielen unterschiedlichen Besitzern sinnvoll sein. Diente die Flurbereinigung oftmals der Schaffung von zusammenhängenden landwirtschaftlichen Nutzflächen, so kann in einer energetischen Flurbereinigung die Nutzung der regenerativen Energiepotenziale in den Fokus rücken. Ziel dabei ist es, mit möglichst vielen regionalen Ressourcen eine ortsnahe Versorgung aus Erneuerbaren Energien anzustreben. Eine energetische Flurbereinigung kann zugleich auch für eine ausgewogene Nutzung der Flächen für alle gesellschaftlichen Belange wie Wohnen, Naherholung, Anbau von Nahrungsmitteln und Naturschutz dienen. Außerdem werden neben den handelnden Akteuren, also den Flächenbesitzern, den Landwirten, den Energieversorgern und den Kommunen, auch die Anwohner eingebunden, da diese ja als Konsumenten die Energie verbrauchen sollen. Durch die Einbindung der Anwohner als Konsumenten wird auch Akzeptanz für die Erneuerbaren-Energie-Anlagen und den Anbau von Energiepflanzen geschaffen.
In Jagstheim wurden nach der Befragung der verschiedenen Interessengruppen und der Berechnung der vorhanden Potenziale drei Szenarien entwickelt, die sich ausschließlich auf die Nutzung der vorhandenen Bioenergie-Potenziale beziehen. Ein Szenario geht von einer unveränderten Nutzung der landwirtschaftlichen Fläche aus, während ein weiteres Szenario die Ausschöpfung aller vorhandenen Flächenpotenziale zur Energiegewinnung darstellt. Das dritte Szenario berechnet die Nutzung der Bioenergie-Potenziale in dem Maße, in der die Landwirte bereit sind, auf den Anbau von Futtermitteln zu verzichten. „Das Ergebnis der energetischen Flurbereinigung zeigt uns, dass Jagstheim nicht über die Nutzung der Bioenergiepotenziale mit kostengünstiger und regionaler Energie versorgt werden kann“, fasst Michl die Ergebnisse zusammen. Ein Mix aus allen regenerativen Energieträgern ist theoretisch möglich. Durch die Untersuchung wurde jedoch deutlich, dass eine autarke Energieversorgung bereits für einen kleinen ländlich geprägten Ort in Deutschland mit rund 1600 Einwohnern sehr schwierig ist.
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