Schnorbach

Juli 2019

Leise plätschert der schmale Schnorbach durch die gleichnamige Ortsgemeinde des Rhein-Hunsrück-Kreises. In der Talmulde neben Wald und weiten Feldern verrät das erste Haus am Ortseingangsschild Schnorbachs schon, was den Ort bewegt: Auf dem Dach des Hauses sind mehrere Photovoltaikanlagen installiert. „Schnorbach ist schon lange bekannt für die Energiewende – aber besonders ist der Ort, weil Bewohnerinnen und Bewohner hier die Chance haben, mitzumachen und sich zu engagieren“, sagt Nils Boenigk, stellvertretender Geschäftsführer der Agentur für Erneuerbare Energien (AEE).

Wegweisend für den Ausbau von Erneuerbaren Energien in der Gemeinde ist das bundesweit als vorbildlich prämierte „Schnorbacher Modell“. Auf gemeindeeigenen Flächen wurden im Jahr 2014 durch die ABO Wind AG zwei Windenergieanlagen mit einer installierten Leistung von 6.400 Kilowatt in Betrieb genommen. Schnorbachs Windenergieanlagen stehen im Rhein-Hunsrück-Kreis nicht allein – nur wenige Kilometer entfernt befindet sich der Windpark Ellern. Hier ragen die Windriesen mit 135 Metern in die Höhe. Die von der juwi AG errichteten Anlagen sorgen auch in Ellern für nennenswerte Pachteinnahmen, welche die Gemeinde für die Umsetzung der Bürger*innen-Energiewende sinnvoll einsetzt. So wurde beispielsweise in Ellern ein solarthermisch unterstützter Nachwärmeverbund errichtet.

Energieberatung auf Kosten der Gemeinde
Bereits vor Baubeginn der Anlagen in Schnorbach war sich der Gemeinderat einig, dass ein Großteil der Pachteinnahmen für weitere Klimaschutzmaßnahmen im Ort verwendet werden soll. Ein Blick in die Geschichte der Gemeinde verrät, dass die Windenergie von den Bürger*innen zunächst noch abgelehnt wurde. Im Jahr 2004 haben sich noch viele Schnorbacher*innen gegen geplante Großwindprojekte ausgesprochen. Einige Jahre später dann der Wandel: Bürger*innen durften erstmals über Windenergieprojekte abstimmen und sprachen sich mit großer Mehrheit für die Maßnahmen aus. Maßgeblich dafür war die Entscheidung der Gemeinde, Bürger*innen direkt an den Windpachteinnahmen zu beteiligen und das „Schnorbacher Modell“ an den Start zu bringen. „Für Schnorbach bedeutet die Energiewende, alle teilhaben zu lassen, egal ob Mieter oder Hausbesitzerinnen. Denn nur solange die Energiewende sozialverträglich und mit den Bürgerinnen und Bürgern gemeinsam umgesetzt wird, ist sie erfolgreich“, sagt Bernd Kunz, Ortsbürgermeister in Schnorbach.

Hierfür unterstützt die Gemeinde die Einwohner*innen, aktiv an der Energiewende mitzuwirken. Jedes Haus kann durch Energieberater*innen der Verbraucherzentrale auf „Herz und Niere“ geprüft werden – bezahlt wird der sonst anfallende finanzielle Eigenanteil an den Beratungskosten durch die Einnahmen aus der Windpacht. So erfahren Bürger*innen, an welchen Stellen sie Energie sparen können. Anschließend unterstützt die Gemeinde die Bürger*innen finanziell bei der Anschaffung neuer, energiesparender Haushaltsgeräte, bei energetischen Sanierungsarbeiten sowie der Umrüstung auf Erneuerbare Energien. So können die Haushalte beispielweise einen neuen energieeffizienten Kühlschrank anschaffen oder die alte, energieintensive Waschmaschine gegen eine effizientere ersetzen. Das Spektrum reicht aber deutlich darüber hinaus, denn durch die Pachteinnahmen sind bereits Wärmepumpen, Pellet-Heizungen und Batteriespeichersysteme in Schnorbacher Haushalten installiert und Gebäude gedämmt worden.

Das Modell ist erfolgreich und findet zahlreiche Nachahmer-Kommunen – innerhalb des Landkreises werden inzwischen in mehr als 40 Gemeinden Leistungen nach dem „Schnorbacher Modell“ ausgezahlt. Auch außerhalb des Kreises ist das Modell beliebt und stößt sogar in Japan auf großes Interesse. Der Kreis wurde mittlerweile von internationalen Delegationen aus 50 Ländern besucht, die von den Erfahrungen der einzelnen Gemeinden im Rhein-Hunsrück-Kreis lernen wollen. Eine wichtige Erkenntnis der Besucher*innen lautet: Es geht auch mit kleinem Budget. Denn eine weitere Innovation aus Schnorbach zur Sensibilisierung für das Thema Energiesparen sind die „LED-Tauschtage“. Gestartet im Jahr 2017 wurden mittlerweile in 20 Orten im Kreis die Leuchtmittel der privaten Haushalte auf Kosten der Gemeinden ausgetauscht. In der Summe wurden bereits rund 24.400 alte Stromfresser in 1.800 Haushalten verschrottet. Die Bürger*innen sparen hierdurch insgesamt rund 534.000 Kilowattstunden Strom und 150.000 Euro Stromkosten im Jahr.

Die Nachfrage steigt: Photovoltaikanlagen sind beliebt
Auf den Dächern von Schnorbach erstrecken sich zahlreiche Photovoltaikanlagen auf öffentlichen und privaten Gebäuden. In privaten Haushalten sind insgesamt 16 zusätzliche Photovoltaikanlagen mit Hilfe des „Schnorbacher Modells“ sowie acht Batteriespeichersysteme finanziert worden. „Die Haushalte mit Batterie haben für die nächsten 20 Jahre rund 70 Prozent ihrer Stromrechnung ausgeputzt“, erklärt Kunz. Und auch die Bilanz der gemeindeeigenen Solarstromanlage kann sich sehen lassen: Im sonnigen Monat Juni hat sie für das Gemeindehaus sowie für die öffentliche Straßenbeleuchtung 6.333 Kilowattstunden Strom erzeugt. Der öffentliche Stromverbrauch wurde damit zu 97 Prozent gedeckt, wobei der restlich erzeugte Strom in das öffentliche Netz gespeist wird. Der kleine Ort schafft Transparenz und macht die Stromerzeugnisse der Solaranlagen jeden Monat für Bürger*innen auf der Website zugänglich. Seit kurzem hat die Gemeinde außerdem einen Batteriespeicher, damit die Solarenergie zu jeder Tageszeit verfügbar ist und nachts die Straßenlaternen mit Solarenergie beleuchtet. Diese Idee ist eine Innovation des Gemeinderates in Horn und wurde als sogenanntes „Horner Modell“ bereits dreimal im Rhein-Hunsrück-Kreis realisiert.

Nächste Investition: Elektromobilität
Da folgt als nächste Investition in die Energiewende logischer Weise ein Elektro-Dorfauto, das sich die etwa 250 Einwohner*innen schon bald kostenfrei ausleihen können. Ökostrom tankt das Auto an der eigenen Ladesäule, die direkt mit der Photovoltaikanlage auf dem Gemeindehaus verbunden ist. Dieses Beispiel zeigt, dass sich mit nachhaltigen Konzepten und deren Umsetzung auch andere Herausforderungen angehen lassen: Elektro-Carsharing im ländlichen Raum etwa. Der Rhein-Hunsrück-Kreis stellt seinen Ortsgemeinden hierfür ab Oktober 2019 sieben Elektro-Dorfautos für die Dauer von drei Jahren kostenfrei zur Verfügung. „Nachdem wir im Strom, Wärme- und Abfallsektor bereits vorbildlich sind, ist es uns wichtig im Mobilitätssektor ein Zeichen zu setzen“, sagt Marlon Bröhr, Landrat im Rhein-Hunsrück-Kreis.

Die Energiesparrichtlinien nach dem „Schnorbacher Modell“ sind dabei nur ein Beispiel für viele weitere kommunale Förderprogramme zur Belebung der Orte im Kreis, die dank der Windpachteinnahmen verwirklicht werden können: 63 Gemeinden im Kreis verfügen über direkte Einnahmen aus der Windpacht, weitere 60 Gemeinden partizipieren finanziell aus Solidarpakten. In Schnorbach und anderen Gemeinden des Kreises lässt sich also wunderbar sehen, wie die Energiewende in der Praxis aussieht: Sie kann innovatives und kreatives Mitmachfeld für eine allumfassende Wende sein.

Disclaimer
Disclaimer
Der Rhein-Hunsrück-Kreis in Rheinland-Pfalz ist Vorreiter für kommunalen Klimaschutz und die dezentrale Energiewende. In den vergangenen 20 Jahren hat sich der Kreis von einer strukturschwachen Gegend zu einem internationalen Vorbild entwickelt – und seinen CO2-Ausstoß von 680.000 Tonnen jährlich auf bilanziell null gesenkt. Deshalb haben wir von der Agentur für Erneuerbare Energien (AEE) ihn im November 2018 zur Energie-Kommune des Jahrzehnts gekürt: „Zahlreiche Bürger*innen, Gemeinden und Unternehmen haben gemeinsam die Ärmel hochgekrempelt und die dezentrale Energiewende vor Ort mit viel Herzblut umgesetzt“, hieß es in dGaßer Begründung der Jury. Um das Engagement des Kreises zu würdigen und die vielen guten Beispiele aufzubereiten, stellen wir in den Sommermonaten drei Gemeinden aus dem Rhein-Hunsrück-Kreis als Energie-Kommunen des Monats vor: Kappel, Schnorbach und Mörsdorf. Weitere Infos zu Erneuerbaren im Rhein-Hunsrück-Kreis finden Sie auf der Seite des Kreises.