Energie-Kommune des Monats: Burg
April 2017
Burg, die Stadt der Türme, ist die Kreisstadt des Landkreises Jerichower Land in Sachsen-Anhalt. Hier, in der Nähe zur Landeshauptstadt Magdeburg, leben rund 24.000 Einwohner. Seit 1991 sorgen die hiesigen Stadtwerke für Energie und liefern Strom, Gas und Fernwärme für die Stadt und ihre Bewohner. Die Stadt Burg und ihre Stadtwerke suchten im Jahr 2014 nach Möglichkeiten, damit ihre Bürgerinnen und Bürger auch vom Ausbau der Erneuerbaren Energien wirtschaftlich profitieren können.
Mieterstromprojekt der hiesigen Stadtwerke
Schnell hatten die Stadtwerke das Thema Mieterstrom als sinnvolles Angebot auf der Agenda und die Mitarbeiter begannen mit der Planung. Die Idee ist, dass auch Mieter die Gelegenheit bekommen, Sonnenstrom, der direkt auf den Dächern von Mietshäusern erzeugt wird, zu nutzen. Weitere Kriterien, die für das Unternehmen wichtig waren: „Es sollte eine Lösung gefunden werden, die wirtschaftlich skalierbar und übertragbar auf andere Objekte ist“, blickt Alfred Kruse, Geschäftsführer der Stadtwerke Burg, zurück.
Für das Mieterstromprojekt in Burg kooperierten die Stadtwerke mit einer hiesigen Wohnungsbaugenossenschaft. Gemeinsam brachten Stadtwerke und Genossenschaft schließlich nach einem Jahr intensiver Planung im Jahr 2015 das Projekt „SonnenBurg - Sonnenstrom für Mieter“ erfolgreich an den Start. Dabei hatten die Stadtwerke den Mietern vorab auch die Gelegenheit geboten, sich an der Finanzierung der Photovoltaikanlagen (PV-Anlagen) zu beteiligen und so vom Stromverkauf zu profitieren. „Mieterstromprojekte sind ideal, um die Energiewende vor Ort voranzutreiben und gleichzeitig viele Bürger einzubeziehen – entweder durch die finanzielle Beteiligung an den Anlagen oder durch den Bezug von Ökostrom“, so Kruse.
Inzwischen sind auf zwölf Mehrfamiliengebäuden 35 PV-Anlagen mit 283 Kilowatt peak installiert. 230 Mietparteien werden auf diese Weise mit Solarstrom versorgt. Den Sonnenstrom erhalten die Mieter für 20 Jahre zum Festpreis. Das bedeutet Planungssicherheit. In Summe ist der Preis für den Strom vom Mietshausdach günstiger als der Grundversorgungstarif – ein großer Vorteil für die Mieter. Hinzu kommt die Gewissheit, woher ein Teil des verbrauchten Stroms stammt: Nämlich vom Dach direkt über der eigenen Wohnung; aus der Kraft der Sonne und damit klima- und umweltfreundlich.
„Das Projekt Sonnenburg ermöglicht den Mietern, direkt von den Kostenvorteilen des Stroms aus PV-Analgen zu profitieren“, sagt Kruse. 65 Prozent der Mieter in den Gebäuden nutzen den Mieterstrom. Kruse ist mit diesem Anteil sehr zufrieden – auch vor dem Hintergrund, dass die Mehrheit der Mieter 65 bis 70 Jahre alt ist und damit in einem Alter, in der Stromkunden in der Branche nicht unbedingt als die wechselfreudigsten gelten. „Aber die Vorteile des Sonnenstroms vom Dach haben viele überzeugt.“
Der Strom aus den PV-Anlagen reicht aus, um ein Drittel des Strombedarfs der 230 Mietparteien zu decken. Den Rest beziehen die Mieter – wie bisher auch – aus dem öffentlichen Netz. Ein höherer Anteil Mieterstrom konnte bei diesem Projekt nicht realisiert werden, da die Stadtwerke bei der Planung nicht nur technische Herausforderungen meistern mussten. Für das Unternehmen war es außerdem entscheidend, die Wirtschaftlichkeit zu wahren und ein Projekt zu konzipieren, das sich in Zukunft auch auf andere Objekte übertragen ließ. „Bei der Planung haben wir viele Erfahrungen gemacht und uns z. B. dafür entschieden, immer nur eine PV-Anlage pro Aufgaben zu realisieren“, so Kruse. Nicht jedes Dach, das die Genossenschaft zur Verfügung stellen konnte, war unter den genannten Bedingungen geeignet. „Daher begrüßen wir auch die derzeitige Initiative des Bundeswirtschaftsministeriums zur Überarbeitung zur Mieterstromgesetzgebung“, erklärt Kruse. „Würden Mieterstromprojekte zukünftig gefördert bzw. von Abgaben entlastet werden, würden sich mehr Dachflächen eignen oder größere Anlagen könnten aufgebaut werden. Der Zubau von Erzeugungsanlagen und die direkte Nutzung von Ökostrom vor Ort erhielten damit einen Anschub.“
Mieterstrom – was ist das?
Dank Erneuerbaren Energien können Immobilienbesitzer bereits seit vielen Jahren Strom selbst erzeugen, in das öffentliche Stromnetz einspeisen oder selbst nutzen. Das Mieterstrommodell basiert auf einem ähnlichen Prinzip: Auch wenn der Begriff Mieterstrom bisher noch nicht rechtlich definiert ist, spricht man im Allgemeinen von Mieterstrom, wenn auf oder in einem Gebäude Strom lokal produziert wird und der Anlagenbetreiber den Strom an Mieter in unmittelbarer räumlicher Nähe des Gebäudes verkauft. Durch die räumliche Nähe wird ein eigenes Stromnetz und nicht das öffentliche Stromnetz für die Verteilung genutzt. Weil der Strom nicht durch ein öffentliches Netz fließt, entfallen Netznutzungsentgelte und die sogenannte Konzessionsabgabe. Die Pflicht zur Zahlung der Erneuerbare-Energien-Gesetz-Umlage (EEG) für die Stromlieferung besteht allerdings.
Derzeit wird nach dem bei Mieterstrommodellen aufgrund der Lieferbeziehung zwischen Anlagenbetreiber und Mieter die volle EEG-Umlage fällig. Ganz anders ist hingegen die Regelung für private oder gewerbliche Betreiber von PV-Anlagen, die Solarstrom vom eigenen Dach selbst verbrauchen (Eigenverbrauch): Sie sind von der EEG-Umlage vollständig oder teilweise befreit. Obwohl also in beiden Fällen (Verbrauch durch Mieter vs. Eigenverbrauch) vor Ort erzeugter Ökostrom vor Ort verbraucht wird, ohne ein öffentliches Netz zu nutzen, ist die Regelung zur Zahlung der EEG-Umlage unterschiedlich, wodurch sich die Kosten für die Nutzung unterscheiden. Das trägt dazu bei, dass es weniger Situationen gibt, in denen ein Mieterstrommodell für den Anlagenbetreiber attraktiver ist als die Inanspruchnahme einer Förderung nach dem EEG. Und dass, obwohl das Mieterstrommodell dazu beiträgt, dass Strom direkt vor Ort verbraucht wird und weniger Kilowattstunden in das öffentliche Netz geleitet werden müssen.
Die Pflicht zur Zahlung der EEG-Umlage sowie die Anforderungen an die Einrichtung eines Stromzählers halten Experten daher für Gründe, warum Mieterstromprojekte bisher selten umgesetzt werden. Dabei ist das Potenzial hoch: Das Forschungsinstitut Prognos hat in einer Ende Januar 2017 veröffentlichten Studie vorgerechnet, dass rund 3,8 Millionen vermietete Wohnungen, also rund 18 Prozent des Mietwohnungsbestandes, mit Mieterstrom versorgt werden könnten. Dafür wäre die Installation von etwa 370.000 Solarstromanlagen notwendig. Die für den Ausbau erforderlichen Kosten seien laut Studie geringer, als wenn die gleiche PV-Leistung stattdessen mit kleineren Anlagen auf Einfamilienhäusern errichtet würde.
Gesetzesinitiative zum Mieterstrom
Um das Potenzial des Mieterstroms besser heben zu können, hat das Bundeswirtschaftsministerium Mitte März 2017 einen Referentenentwurf für ein "Gesetz zur Förderung des Mieterstroms” vorgelegt. Der Entwurf sieht vor, zukünftig die Lieferung von Strom aus Solaranlagen bis 100 Kilowatt innerhalb eines Gebäudes an Mieter finanziell zu fördern. Zusätzlich sieht der Vorschlag vor, Gewinne aus der Mieterstrombelieferung steuerlich zu begünstigen. Die Mieterstromförderung soll sich nach der Höhe der gesetzlichen Vergütung bestimmen und der geförderte Zubau wäre auf 500 Megawatt installierter Leistung pro Jahr begrenzt.
Staatliche Mieterstrom-Förderung aus Sicht der Stadtwerke Burg
In Burg haben die Stadtwerke ihr erstes Mieterstrommodell auch ohne eine staatliche Förderung realisiert. Stadtwerkechef Kruse ist allerdings überzeugt: „Wäre der Mieterstrom schon staatlich gefördert worden, als die Stadtwerke in Burg ihr erstes Mieterstromprojekt realisierten, hätten noch mehr Dachflächen einbezogen werden können und die Menge an erzeugtem und vor Ort verbrauchtem Ökostrom wäre heute größer. Wir gehen davon aus, dass eine staatliche Förderung ein Türöffner für Mieterstromprojekte sein wird, der mehr Akteure in die Lage versetzt, erfolgreiche Klimaschutzprojekte umzusetzen.“
Klimaschutzkonzept der Stadt Burg derzeit in Bearbeitung
In der Stadt Burg gibt es noch weitere Erfolge beim Ausbau Erneuerbarer Energien, die vor allem auf das 1994 erstellte, heute weitgehend umgesetzte Energiekonzept der Stadt zurückgehen. Weil es aber noch weitere Ausbaupotenziale gibt, arbeitet die Stadt seit Ende 2016 an einem neuen Klimaschutzkonzept. Ziel ist es, Maßnahmen zu identifizieren für den Ausbau Erneuerbarer Energien im Bereich der Wärmeerzeugung aus Sonne, Geothermie und Biomasse sowie Maßnahmen für mehr Energieeffizienz und Energieeinsparungen in kommunalen Gebäuden, in der Wirtschaft, in den privaten Haushalten und im Sektor Mobilität.
Genossenschaft für Erneuerbare Energien im Jerichower Land
2012 hat sich in Burg eine Energiegenossenschaft gegründet; die Stadtwerke waren Mitbegründer. Die Genossenschaft gibt der Bevölkerung im Landkreis die Möglichkeit, an innovativen Technologien zur nachhaltigen und dezentralen Energieversorgung teilzuhaben. Der Fokus der Genossenschaft liegt auf dem Bau von PV-Anlagen. Derzeit bauen Stadtwerke und Genossenschaft eine neue PV-Anlage auf. Sie soll im Mai 2017 ans Netz gehen. „Mit diesen und den Vorgängerprojekten stellt sich die Energiegenossenschaft stabil auf“, so Kruse.
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