"Es ist eine Freude, zur Arbeit zu kommen"
Egal, welchen Beruf Sie nach der Schule erlernt haben. Wenn Sie leidenschaftlich gern im Bereich der Erneuerbaren Energien arbeiten möchten, dann wagen Sie den Schritt. Eine britische TV-Dokumentation weckte in der Chef-Hairstylistin Haidee Barclay aus Schottland den Wunsch, auf dem Offshore-Windpark Hornsea One des dänischen Unternehmens Ørsted zu arbeiten. Raten Sie mal – mittlerweile ist sie dort Auszubildende zur Servicetechnikerin für Windenergieanlagen und sie liebt es.
Frau Barclay, wo befinden Sie sich gerade, während wir miteinander reden?
Ich bin gerade im Offshore-Windpark Hornsea One, einem der größten Offshore-Windparks der Welt. Er befindet sich vor der Küste von Yorkshire, Großbritannien, in der südlichen Nordsee. Aber eigentlich lebe ich in Schottland.
Ein ganz schön weiter Weg zur Arbeit.
Ja, ich fahre von Schottland nach Grimsby, dem Betriebs- und Wartungszentrum von Ørsted an der Küste. Seit November arbeite ich zwei Wochen und habe im Wechsel zwei Wochen frei. Während der Arbeit lebe ich auf einem Service-Operationsschiff, quasi einem schwimmenden Hotel.
Hornsea One besteht aus 174 Windenergieanlagen mit einer Gesamtleistung von 1,2 Gigawatt, genug Energie, um mehr als eine Million Haushalte zu versorgen. Mehr als 370 Menschen arbeiten für den Offshore-Windpark, der sich im Besitz von Ørsted und Jupiter Offshore Wind Limited befindet. Was hält die britische Bevölkerung denn von Offshore-Windenergie?
Wenn ich zu Hause über die Windenergieanlagen spreche und darüber, wie sie Häuser mit Strom versorgen können, sind die Leute erstaunt. Das Bewusstsein für die Offshore-Windenergie wächst. Die Menschen, mit denen ich spreche, sind sehr begeistert davon.
Vor allem aber in Grimsby ist die Begeisterung für die Offshore-Windenergie sehr groß. Die Fischerstadt hatte einen ziemlichen Niedergang hinter sich, als die Windenergie kam. Zunächst kamen Fragen wie: „Wie soll das Arbeitsplätze schaffen? Wie soll das Geld einbringen?“ Doch die Unterstützung wuchs hier und andernorts. Bei Ørsted sieht man es auch mit Blick auf die Lehrstellen. Ich glaube, es gab vergangenes Jahr etwa 400 Bewerber*innen.
Zurzeit sind Sie eine der Auszubildenden zur Servicetechnikerin für Windenergieanlagen bei Ørsted. Wie sieht denn ein typischer Tag bei Ihnen aus?
Kein Tag ist wie der andere. In den ersten zwei Wochen dieser Schicht habe ich mich mit Fehlermeldungen beschäftigt. Wir haben verschiedene Aufgaben erledigt, zum Beispiel den Austausch von Pumpen in der Hydraulikstation, den Austausch von Ventilatoren und das Nachfüllen von Kühlsystemen. Das Einzige, was immer gleich ist, ist die Zeit, zu der ich morgens aufstehe.
Servicetechnikerin für Windenergieanlagen war aber nicht von Anfang an Ihre erste Wahl, oder?
Richtig, während meiner Schulzeit habe ich für etwa ein Jahr in einem Fünf-Sterne-Salon in Ayr im Südwesten Schottlands gearbeitet. Und nach meinem Schulabschluss habe ich dort eine Ausbildung zur Hairstylistin gemacht. Etwa sieben Jahre war ich Chef-Hairstylistin.
Was inspirierte Sie dazu, von dem Beruf einer Chef-Hairstylistin zur Servicetechnikerin für Windenergieanlagen zu werden?
Ich habe eine TV-Dokumentation der BBC namens „Power in Britain“ gesehen. Mein Partner arbeitet selbst in der Windindustrie, und so fanden wir es spannend, dass es in der Folge um Windenergie gehen sollte. Alles drehte sich um den Windpark Hornsea One und Ørsted. Ich sah mir die Folge an und war einfach nur beeindruckt von allem. Mir gefiel einfach jeder Aspekt und das war der Auslöser dafür, dass ich mich für eine Lehrstelle beworben habe.
Was waren die größten Herausforderungen, die Sie überwinden mussten, um zu Hornsea One zu kommen?
Zunächst einmal habe ich mich bei Ørsted beworben und wurde abgelehnt. Das lag aber nur daran, dass ich keine relevanten Qualifikationen hatte.
Haben Sie dann versucht, anderswo eine Lehrstelle zu bekommen?
Ja, man sollte ja nicht alles auf eine Karte setzen, wie man so schön sagt. Also habe ich mich auf einige andere Stellen beworben, aber Ørsted war das, was ich wollte. Also drückte ich wieder die Schulbank. Ich habe mich an meiner örtlichen Hochschule, dem Ayrshire College, umgesehen und dort wurde tatsächlich ein Kurs mit dem Titel „Wind-Turbinen-Systeme“ angeboten. Das verschaffte mir am Ende die Qualifikationen, die ich in meinem Lebenslauf benötigte. Ein Jahr später bewarb ich mich erneut bei Ørsted und dann wurde ich genommen.
Aber ich glaube, die andere große Herausforderung war, dass ich zunächst ein ganzes Jahr lang weg von zu Hause war und nur an den Wochenenden hin- und hergereist bin, um meine Familie zu sehen. Aber jetzt, wo ich zwei Wochen frei habe und im Wechsel zwei Wochen arbeite, gefällt mir das sehr gut. Ich liebe die Zeit.
Wie lange dauert Ihre Ausbildung?
Im Moment dauert die Ausbildung vier Jahre, danach bewerben wir uns um eine Stelle.
Sie versuchen also, nach Ihrer Ausbildung bei Hornsea One zu bleiben?
Ja. 76 Auszubildende wurden im Rahmen des britischen Programms bisher angenommen, von denen jetzt 26 eine Vollzeitstelle haben.
Sicherlich war es auch ein finanzielles Risiko, aus einer sicheren Arbeitsstelle heraus noch einmal etwas völlig Neues wie eine Ausbildung zu beginnen. Hatten Sie dabei Unterstützung?
Meine Familie und mein Partner haben mich wirklich viel unterstützt und tun es noch immer. Am Anfang waren sie etwas schockiert, weil ich, wie Sie schon sagten, schon so lange im Friseurgewerbe tätig war und sie dachten, ich sei vielleicht verrückt geworden. Doch trotzdem waren sie so hilfsbereit. Wenn ich etwas brauchte, waren sie da. Es wäre sicher schwieriger gewesen, wenn sie nicht gewesen wären. Aber ich glaube nicht, dass mich das aufgehalten hätte.
Hatten Ihre Familie und Freund*innen auch Bedenken?
Grimsby, das Betriebs- und Wartungszentrum für Hornsea One, ist natürlich sehr weit weg, und da ich zwei Wochen am Stück nicht zu Hause bin bei der Arbeit, waren die Leute wahrscheinlich etwas nervös. Sie dachten, ich würde meine Familie zu sehr vermissen und würde darunter leiden, nichts spontan unternehmen zu können. Aber als ich ihnen das Ausbildungsprogramm gezeigt haben und sie sehen konnten, wie begeistert ich von dem Programm und anderen Aspekten war, änderten sie ihre Meinung. Ich glaube, weil sie einfach sahen, wie leidenschaftlich ich bei der Sache war.
Warum, glauben Sie, haben Sie während Ihrer Schulzeit nicht in Betracht gezogen, diesen Beruf zu ergreifen?
In der Schule war ich immer an sehr praktischen Dingen interessiert. Ich kochte gerne und liebte es, Holzarbeiten und Kunst und solche Dinge zu machen. Außerdem ging es in der Schule für die Mädchen eher um Haare und Schönheit und für die Jungen um mechanische und elektrische Dinge. Das ist heute natürlich nicht mehr so. Wir gehen mit Ørsted in Schulen und es gibt so viele Mädchen, die jetzt darin bestärkt werden, einfach loszugehen und Ingenieurin zu werden.
Damals wusste ich nicht einmal, dass man Ingenieurin oder Servicetechnikerin für Windenergieanlagen werden kann. Wir kommen aus einem kleinen Dorf und es gab zwar Windenergieanlagen in der Nähe, aber ich habe nie daran gedacht, dass sie nicht einfach von selbst funktionieren.
Wie viele Frauen sind derzeit mit Ihnen in der Ausbildung?
Fast die Hälfte meines Jahrgangs sind Frauen.
Welchen Rat würden Sie denen geben, die einen Berufswechsel in Betracht ziehen?
Ich denke, der beste Rat, den ich jemandem geben kann, ist, dass man es einfach tun sollte, wenn man sich für eine berufliche Veränderung begeistert. Es ist ganz natürlich, dass man nervös ist. Aber genau das treibt einen an und man sollte einfach weitermachen. Und wenn man jemanden trifft, der versucht, einen vor den Kopf zu stoßen und sich vielleicht etwas negativ über die Veränderung äußert, sollte man ihm einfach zeigen, wie leidenschaftlich man für die Sache ist. Einfach weitermachen, nicht aufgeben. Und wenn Sie beim ersten Mal einen Rückschlag erleiden, lassen Sie sich davon nicht Ihr Selbstvertrauen nehmen, sondern geben Sie Ihrem Selbstvertrauen einen Kick und suchen Sie nach den Fähigkeiten und Qualifikationen, die Ihnen vielleicht noch fehlen oder die Sie ausbauen müssen, um sich einen kleinen Vorteil zu verschaffen. Geben Sie einfach nicht auf.
Können Sie nach all Ihren Kämpfen und Veränderungen Ihre Gedanken und Gefühle beschreiben, wenn Sie mit dem Schiff fahren und dann auf Hornsea One arbeiten?
Ich bin wirklich aufgeregt. Manchmal bin ich auch noch ein bisschen nervös, weil ich noch nicht alles weiß. Aber das legt sich hoffentlich bald oder vielleicht auch nie. Man lernt ja jeden Tag dazu. Es ist super aufregend. Man hat jeden Tag eine andere Aufgabe und es macht einfach Spaß, zur Arbeit zu kommen. Ich glaube, so kann man es am besten ausdrücken: Man freut sich darauf, zur Arbeit zu kommen. Man hat keine negativen Gefühle dabei. Und ich denke, das ist wahrscheinlich das Beste daran.
Früher, als ich Chef-Hairstylistin war, habe ich oft darüber nachgedacht, ob ich wirklich zur Arbeit gehen will. Und dann fehlte irgendwie die Motivation. Aber ich denke, wenn man mit Leidenschaft bei der Sache ist, ist es die Motivation für die Arbeit, die einen morgens aufstehen lässt. Für mich ist jeder Tag super spannend.
Sie haben gerade einige Auszeichnungen gewonnen - herzlichen Glückwunsch. Was bedeutet das für Sie?
Oh, es ist so inspirierend und auch bestärkend. Ich kann einfach nicht glauben, dass ich überhaupt eine Anerkennung bekommen habe. Jedes Mal, wenn Charli Parkin, die britische Medienbeauftragte von Ørsted, oder jemand anderes aus dem Team mit mir Kontakt aufnimmt, denke ich nur: Mensch, woher wissen die Leute davon? Es gibt mir das Gefühl, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Nicht nur, weil mir meine Arbeit Spaß macht, sondern auch, weil man andere Menschen dazu inspirieren kann, in die Branche einzusteigen. Ich habe so die Möglichkeit, meine Geschichte mit anderen zu teilen und ihnen zu helfen, sich von dem Gedanken zu befreien, dass man in seinem Job feststeckt. Das ist ganz und gar nicht der Fall. Alles ist möglich, wenn man es in die Tat umsetzt.
Wer inspiriert Sie?
Es gibt nicht eine bestimmte Person, die mich inspiriert. Ich denke, jeder oder jede hier, das ganze Unternehmen, inspiriert mich. Jeder hilft einem, so gut er oder sie kann. Es ist einfach ein so liebevoller Ort. Ein Ort, an dem man sich wohlfühlt. Man fühlt sich wie in einer zweiten Familie.
Pressekontakt:
Agentur für Erneuerbare Energien e.V.
Anika Schwalbe
Pressesprecherin
Tel: 030 200535 52
Mail: a.schwalbe@unendlich-viel-energie.de
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