Energie-Kommune des Monats: Ravensburg
Oktober 2020
Im Oktober 2020 wird das baden-württembergische Ravensburg zur Energie-Kommune des Monats ausgezeichnet. Bürgermeister sowie Leiter der Bau- und Umweltverwaltung, Dirk Bastin, macht im Gespräch deutlich, welche wichtige Rolle der 2020 beschlossene Klimakonsens für die Stadt spielt, welche Herausforderungen es noch zu bewältigen gilt und wie Denkmalschutz mit Erneuerbaren Energien vereinbart werden kann.
Ravensburg hat als Teil des Gemeindeverbunds Mittleres Schussental im Jahr 2012 die Erklärung „CO2-neutralen Schussental“ unterzeichnet. Danach folgte ein gemeinsames Klimaschutzkonzept. Welche Ziele setzt sich die Stadt beim Ausbau der Erneuerbaren Energien in den Sektoren Strom, Wärme und Verkehr?
Die gemeinsame Erklärung zum CO2-neutralen Schussental wurde 2017 in einem Klimaleitbild mit Klimaschutz-, Klimaanpassung- und Nachhaltigkeitszielen bis 2050 fortgeschrieben. Ziele sind unter anderem die Erhöhung des Anteils von Strom und Wärme aus erneuerbaren Quellen und aus Kraft-Wärme-Kopplung auf mindestens 80 Prozent bzw. 50 Prozent und die Schaffung einer leistungsfähigen, umweltschonenden, energieeffizienten und sicheren Mobilität im Schussental.
In diesem Leitbild wurden einige wichtige Zwischenziele in einem Zeitrahmen bis 2020 definiert. Dazu gehören 25 Prozent Stromverbrauch aus Erneuerbaren Energien und Kraft-Wärme-Kopplung sowie 12 Prozent Wärmeabdeckung durch regenerative Energien und Kraft-Wärme-Kopplung bei einer Einsparung von 30 Prozent der CO2-Emmissionen im Vergleich zu 1995. Sind diese Ziele zu erreichen?
Die aktuellste Datengrundlage für den Gemeindeverband Mittleres Schussental umfasst Zahlen für das Jahr 2017. In dem Jahr lag der Anteil an erneuerbaren Energien und KWK im Stromverbrauch bei 25 Prozent und im Wärmeverbrauch bei 16 Prozent. Wir können somit davon ausgehen, dass 2020 diese beiden Zwischenziele von 25 bzw. 12 Prozent erreicht wurden. Bei den Treibhausgasemissionen wurde 2017 erst ein Rückgang um 19 Prozent verzeichnet. Aller Voraussicht nach wird es in dem Bereich kaum noch möglich sein das Ziel einer Reduzierung von 30 Prozent bis 2020 zu erreichen.
Was sind derzeit die größten Herausforderungen für die Erreichung der 2030er-Ziele?
Die größten Herausforderungen sehe ich bei der Reduktion von Treibhausgasemissionen, insbesondere in dem Sektor Verkehr. In einer ländlichen Region wie dem Mittleren Schussental spielt der motorisierte Individualverkehr noch eine zentrale Rolle. Neben der konsequenten Durchführung einer erneuerbaren Mobilitätswende, ist die Attraktivitätserhöhung von effizienteren Mobilitätsformen unerlässlich.
Mit welchen Partner*innen arbeitet die Stadt bei der Umsetzung der Wärme- und Energiewende zusammen? Welche Synergien ergeben sich aus der Zusammenarbeit mit Gemeinden aus der Region im Gemeindeverband Mittleres Schussental?
Die Stadt Ravensburg arbeitet in den Bereichen intensiv mit den Ravensburger Verkehrs- und Versorgungsbetrieben zusammen. Auf Verbandsebene spielen die Technischen Werke Schussental und die Energieagentur Ravensburg eine wichtige Rolle als Kooperationspartner. Gemeinsame Projekte sind zum Beispiel das kommunale Energiemanagement, der Ausbau von Wärmenetzen, der Ausbau eines öffentlichen Pedelec-Verleihsystems sowie der Ausbau von Ladeinfrastruktur mit 100 Prozent Ökostrom, die Etablierung einer Mobilitätsplattform, der Solaratlas Ravensburg und das Energieberatungsangebot für Bürger und Unternehmen. Kommunenübergreifend können solche Projekte schneller und effizienter in die Breite umgesetzt werden.
Zusammen mit der Ravensburger Klimakommission ist der Klimakonsens entstanden: Welche Rolle hat die Kommission bei der Erstellung gespielt und welche Maßnahmen werden daraus folgen?
Diese temporäre Kommission, bestehend aus zentralen Akteuren der Stadtgesellschaft aus den Bereichen Politik, Verwaltung, Wirtschaft, aus Verbänden, NGOs (Nicht-Regierungs-Organisationen) und der Bürgerschaft, wurde vom Gemeinderat ermächtigt über sieben Monate hinweg den Klimakonsens auszuarbeiten und diesen dem Gemeinderat zum Beschluss vorzuschlagen. In dieser 35-köpfigen Klimakommission konnten die vielfältigen und teils konträren Sichtweisen aufgenommen werden – mit dem Ziel, eine gemeinsame und somit tragfähige Lösung für den Klimaschutz zu finden. Mit dem Klimakonsens wurde das übergeordnete Ziel der Klimaneutralität bis spätestens 2040 sowie operative Ziele und erste Maßnahmen für den Klimaschutz-relevanten Bereichen Mobilität, Gebäude, Kompensation und Bewusstseinsbildung festgelegt.
Im formulierten Ziel „G2: Konsequenter Ausbau der Wärmenetze, verbunden mit einer konsequent regenerativen Wärmeerzeugung“ soll die Wärmeerzeugung und Bereitstellung klimaschonend reformiert werden. Welche konkreten Schritte sind geplant, um dieses Ziel umzusetzen?
Bereits heute wird in der Ravensburger Altstadt ein ambitioniertes Wärmenetz schrittweise ausgebaut. Im nächsten Schritt soll auf Verbandsebene eine kommunale Wärmestrategie ausgearbeitet werden. Diese bildet die Grundlage für die Etablierung einer effiziente und dekarbonisierte Wärmeversorgung.
Ein Anspruch im Klimakonsens der Stadt ist zudem, Projekte und Engagement von Bürger*innen zu stärken und zu unterstützen. Gibt es bereits Projekte, die von einer Förderung profitieren? Wie soll die Förderung zukünftig ausgestaltet werden?
Mit dem Klimakonsens wurde die Stadtverwaltung vom Gemeinderat beauftragt für jede im Klimakonsens enthaltene Maßnahme einen detaillierten Konzeptvorschlag auszuarbeiten. Dieser Vorschlag muss dann erneut dem Gemeinderat zum Beschluss vorgelegt werden. Somit gibt es aktuell noch keine Projekte, die von der angedachten Förderung profitieren. Die Ausgestaltung der Förderung steht noch an.
Im April 2020 wurden die Anstrengungen der Stadt Ravensburg für die Wärmewende verstärkt: Es wurde beschlossen, die Altstadt mit klimafreundlicher Wärme zu versorgen. Welche Maßnahmen sollen hier umgesetzt werden?
Ziel ist es jedes Gebäude in der Altstadt an ein bis 2035 dekarbonisiertes Wärmenetz anzuschließen. Wichtig ist der Stadt Ravensburg die Eigentümer*innen von der Qualität des neuen Netzes zu überzeugen. Aus diesem Grund haben wir auf einen Anschluss- und Benutzungszwang bewusst verzichtet. Im ersten Bauabschnitt des Netzes ist es dennoch gelungen nahezu 100% der Gebäude an das neue Netz anzuschließen.
In Altstädten erschwert oft der Denkmalschutz den Umbau oder Sanierungen. Was ist der Vorteil einer zentralen Versorgung und auf welche erneuerbaren Technologien wird in Ravensburg gesetzt?
Die Anforderungen aus dem EWärmeG stellen die Stadtverwaltung und die Gebäudeeigentümer in der Altstadt vor einen kaum lösbaren Interessenskonflikt. Die Auflagen für Baudenkmale und Liegenschaften sind in der Innenstadt kaum erfüllbar. In der Regel steht weder ausreichend Platz für zusätzliche Anlagentechnik zur Verfügung, noch gestattet die Lage und das Erscheinungsbild in der Altstadt auffallende technische Aufbauten – ein Zielkonflikt, der sich ohne einen Strategiewechsel in Richtung Wärmenetze nicht auflösen lässt. Neben Blockheizkraftwerke (BHKW) mit Holzhackschnitzel werden Biogas-BHKWs als Brückentechnologie, Tiefengeothermie, solarthermische Großanlagen und Power-to-Heat-Lösungen betrachtet.
Wie groß ist der Anteil der Erneuerbaren Energien bei der Versorgung der Altstadt mit Wärme derzeitig und wie soll der Anteil weiter gesteigert werden?
Für die Altstadt liegen uns diese Zahlen aktuell nicht vor. Im gesamtstädtischen Gebiet lag im Jahr 2017 der Anteil an erneuerbaren Energien und KWK im Wärmeverbrauch bei 16 Prozent. Das bereits geplante Wärmenetz in der Ravensburger Innenstadt birgt das Potenzial diese Zahl um ca. 2 Prozent zu erhöhen. Bis 2050 soll der Anteil auf mindestens 50 Prozent gebracht werden.
Foto: Dirk Bastin, Technische Werke Schussental, Stadt Ravensburg
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