Energie-Kommune des Monats: Leuna

April 2021

Leuna hat sich im letzten Jahrhundert zu einem der größten Industriestandorte Mitteldeutschlands entwickelt. Im Industriegebiet der 14.000 Einwohner*innenstadt in Sachsen-Anhalt werden auf 1.300 Hektar verschiedene chemische Produkte der Grundchemie vorrangig auf Basis von Erdöl erzeugt außerdem werden auch Stickstoff, Wasserstoff und andere Gase produziert und weiterverarbeitet. Im Vergleich zu 1989 konnte die Region ihre Umweltbelastung bereits um 95 Prozent senken, jedoch werden weiterhin stündlich zirka 100.000 Normkubikmeter Wasserstoff benötigt, um die mitteldeutsche Chemieregion, und hauptsächlich den Standort in Leuna, zu versorgen. Dieser Trend soll in Zukunft umgekehrt werden. Langfristig soll benötigter Wasserstoff klimaneutral durch Erneuerbare Energien hergestellt werden. Darüber hinaus arbeitet die Kommune gemeinsam mit der Bürger*innenschaft daran, dass sich Leuna nachhaltig entwickelt.


Leuna mit Blick auf den Industriestandort (Foto: Stadt Leuna/ Egbert Schmidt)

Erneuerbare Zukunft: Photovoltaik-Anlagen, Energieeffizienzmaßnahmen und Bürger*innen-Beteiligung

Eine nachhaltige Transformation des Energiesystems kann nur funktionieren, wenn die Umstellung systematisch erfolgt. Um das zu gewährleisten, hat Leuna bereits im Stadtentwicklungskonzept vor 2010 Wärmeschutzkonzepte erarbeitet und das in 2013 auf das Quartiersmanagement ausgeweitet. Im Folgejahr wurden beide Konzepte im Klimaschutzkonzept zusammengeführt. Das ermöglicht die koordinierte Umsetzung von Klimaschutzaktivitäten auf gesamtstädtischer Ebene und dient als Entscheidungsgrundlage für künftige Projekte. Gleichzeitig kann die Stadt so langfristig und systematisch Betriebskosten reduzieren.

Zwischen 2018 und 2020 koordinierte Dr. André Wüste als Klimaschutzmanager maßgeblich die Klimaschutz-Aktivitäten der Stadt. In den Bereichen nachhaltige Wärme und Strom geht die Stadtverwaltung als Vorbild voran. Mittels konsequenter energetischer Sanierungen der städtischen Wohn- und Gewerbeflächen werden bereits heute jährlich zirka 630 Tonnen CO2 eingespart. Aktuell sollen durch die Sanierung der Alten Post und deren Umnutzung als Wohngebäude mit altersgerechten Wohnungen jährlich weitere 140 Tonnen CO2 gespart werden. Natürlich sind auch bei Neubauten Klimaaspekte wichtig. „So werden bei kommunalen An- und Neubauten grundsätzlich nachhaltige Heizungssysteme realisiert sowie die Installation von Photovoltaikanlagen auf kommunalen Dächern vorangetrieben“, erklärt Wüste. Bei der Kindertagesstätte am Nelkenweg wurde beispielsweise eine Wärmepumpe in Kombination mit einer PV-Anlage verbaut. Weitere PV-Anlagen wurden sukzessive auf Dächern zweier städtischer Bauhöfe, der Grundschule Leuna, den freiwilligen Feuerwehren der Ortsteile Spergau und Kötschlitz sowie auf der Leunaer Schwimmhalle installiert. Gleichzeitig wurden in mehreren Kindertagesstätten alte Leuchtmittel durch energiesparende LED-Leuchten ersetzt. Laut dem damaligem Klimaschutzmanager Wüste konnte dadurch in der Kindertagesstätte Sonnenkäfer im Ortsteil Zöchen bis zu 70 Prozent Strom eingespart werden.

Um die Bürger*innen einzubinden und zu Projekten auf dem Laufenden zu halten, werden regelmäßige Informationsveranstaltungen zu den Themen Erneuerbare Energie und nachhaltiger Gebäudesanierung in Kombination mit verschiedenen Förderprogrammen veranstaltet. Mithilfe der Klimaschutz-Kampagne Leuna Solar wurden den Anwohner*innen in 2019 in Zusammenarbeit mit der Verbraucherzentrale Solar-Checks im Wert von bis zu 422 Euro je Beratung angeboten. Der Eigenanteil der Anwohner*innen betrug lediglich 30 Euro. Zusätzlich konnten interessierte Bürger*innen Mittel aus dem kommunalen Förderprogramm Zukunft Leuna zur Errichtung von Solarthermie-Anlagen beantragen. Das Programm fördert Investitionen in die zukünftige Entwicklung der Stadt mit bis zu 5.000 Euro pro Haushalt.

Notwendigkeit Verkehrswende: Leuna setzt auf E-Mobilität

Neben privaten Haushalten und den ansässigen Unternehmen ist in Leuna der Verkehr ein Hauptverursacher von Treibhausgasen: Er hat einen der größten Anteile am Endenergiebedarf der Kommune. Gerade deswegen sieht Dr. Dietlind Hagenau, Bürgermeisterin in Leuna, in der Elektromobilität einen entscheidenden Baustein zur Umsetzung der Mobilitätswende. Hier solle auch die Kommune einen Beitrag leisten und geeignete Voraussetzungen für die weitere Verbreitung von E-Mobilität schaffen. Deshalb hat die Stadt in den letzten Jahren mit dem Aufbau einer städtischen Ladeinfrastruktur begonnen. Zuletzt wurden im Jahr 2020 Ladesäulen auf dem Parkplatz der lokalen Sporthalle, der Leunaer Schwimmhalle sowie dem Gesundheitszentrum und im Einkaufspark Nova Eventis in Betrieb genommen. In den nächsten Jahren soll das Netz aus Ladestationen weiter ausgebaut werden. Erklärtes Ziel ist die flächendeckende Versorgung von Leunaer Bürger*innen und Pendler*innen mit öffentlichen Ladestationen durch die Stadt in Zusammenarbeit mit lokalen Energieversorgern. Gleichzeitig wird die städtische Flotte sukzessive auf E-Mobilität umgestellt. So werden bereits elektrische Nutzfahrzeuge auf dem Bauhof betrieben, es stehen städtische E-Fahrräder zur Verfügung und 2019 wurde ein Elektroauto für die Mitarbeiter*innen des Rathauses angeschafft.

Enormes Potenzial: Weiterentwicklung des Chemiestandorts Leuna

Mit über 10.000 Beschäftigten und einem Umsatz von 318 Millionen Euro im Jahr 2018 ist der Chemiestandort zwar das industrielle Zentrum in Mitteldeutschland, aber auch einer der größten Emittenten von Treibhausgasen. Gemeinsam mit Linde Gas, dem Fraunhofer-Zentrum für Chemisch-Biotechnologische Prozesse (CBP) in Leuna sowie dem Fraunhofer-Institut für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen in Halle (IMWS) will die Stadtverwaltung den Wirtschaftsstandort zukunftssicher machen sowie langfristig das Klima schützen. Bis 2022 sollen zwei Pilotprojekte erproben, wie auch im großindustriellen Maßstab möglichst effizient grüner Wasserstoff produziert werden kann. Der Gaskonzern Linde will bis 2022 auf dem Chemiekomplex der Stadt einen Photon-Exchange-Membrane-Wasserstoff-Elektrolyseur mit einer Leistung von 24 Megawatt in Betrieb nehmen. Die Anlage spaltet Wasser in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff mit perspektivisch ausschließlich erneuerbarem Strom. Bei Fertigstellung wird die Anlage in Leuna voraussichtlich die weltweit größte ihrer Art sein: Allein in dieser Anlage soll zukünftig genug Wasserstoff produziert werden, um bis zu 600 Brennstoffzellen-Busse für ein Jahr mit Wasserstoff zu versorgen. Eine zweite Anlage, die bereits in diesem Jahr in Betrieb gehen wird, soll die Produktion von grünem Wasserstoff in Leuna weiter erproben. Der Aufbau der Elektrolysetest- und Versuchsplattform ELP bietet verschiedene Anlagen, die als modulare Testflächen verwendet werden können und so beispielsweise für Power-to-X- oder Power-to-Liquid-Projekte genutzt werden können. Mit einer Beteiligung von 8 Millionen Euro ist das Land Sachsen-Anhalt größter Investor beim Bau des 9,25 Millionen Euro teuren Komplexes. Gemeinsam mit dem Fraunhofer CBP und dem Fraunhofer IMWS soll die Test- und Versuchsplattform unter realen Betriebsbedingungen getestet werden.

Lernen aus Leuna: Umwandlungsprozesse von Wasserstoff werden effizienter

Als Standort eignet sich Leuna hervorragend: Vor Ort treffen ein hoher Wasserstoffbedarf, ein großes Angebot an Erneuerbaren Energien – Sachsen-Anhalt produziert vor allem durch Windenergie mehr erneuerbaren Strom als es verbraucht – sowie eine bestehende Infrastruktur zusammen. Die Ergebnisse aus Leuna helfen, zukünftige Herstellungs-, Transport sowie Umwandlungsprozesse effizienter, zuverlässiger und günstiger zu gestalten. Die Kommune zeigt, dass umweltverträgliche Lösungen auch schon heute nicht nur im Labor, sondern bereits im industriellen Maßstab funktionieren. In Leuna werden diese Prozesse weiter optimiert und neue Fertigungstechnologien für Elektrolyseure in Richtung Großserie weiterentwickelt sowie die Entwicklung innovativer Systemkomponenten unter realen Bedingungen erprobt. Damit soll die Wasserstoffwirtschaft für die Zukunft umweltfreundlich sowie wettbewerbsfähig gemacht werden. Europaweit sollen bis 2024 die Produktionskapazitäten von grünem Wasserstoff auf eine Million Tonnen wachsen – das entspricht einer Versechsfachung der heutigen Produktion. Bis 2030 sollen es europaweit bereits zehn Millionen Tonnen sein. Mit den Anlagen in Leuna leistet die Stadt einen wichtigen Beitrag zum nachhaltigen und grünen Umbau der europäischen Chemie- sowie Schwerindustrie. Die Kleinstadt zeigt damit einmal mehr, dass die Energiewende nur in enger Zusammenarbeit mit kommunalen Partner*innen und der Industrie gelingen kann.

Disclaimer

Um das Engagement des Bundeslandes Sachsen-Anhalt im Bereich der Erneuerbaren Energien zu würdigen und die vielfältigen Best-Practices aufzubereiten, stellen wir in diesem Jahr insgesamt fünf Kommunen aus dem Bundesland als Energie-Kommunen des Monats vor. Unterstützt wird die Kampagne vom Landesverband Erneuerbare Energien Sachsen-Anhalt (LEE) und dem Bundesverband Windenergie Sachsen-Anhalt (BWE). Weitere Infos zu Erneuerbaren im Land finden Sie auf den Seiten des LEE und des BWE.

Fotos: Stadt Leuna, Fraunhofer IMWS