Biogasanlagen als Schlüssel zur sicheren Stromversorgung in Deutschland

Die Flexibilisierung bestehender Biogasanlagen kann eine entscheidende Rolle bei der Sicherung der deutschen Stromversorgung spielen. Insbesondere in längeren Zeiten ohne Wind und Sonne (Dunkelflauten) können diese Anlagen wertvolle Reservekapazitäten bereitstellen. Welche Rolle Biogasanlagen im Rahmen unserer künftigen Energieversorgung spielen sollten, hat die Friedrich-Alexander-Universität Nürnberg-Erlangen (FAU) im Auftrag des Fachverbandes Biogas in einer umfangreichen Studie untersucht. 

Die aktuellen Planungen der Bundesregierung zur Kraftwerksstrategie setzen voraus, dass bei künftigen Versorgungsengpässen stets ausreichend Strom importiert werden kann. Stehen keine ausreichenden Importmengen zur Verfügung oder kann der Bedarf nicht entsprechend über Demand-Side-Management (DSM) angepasst werden, müssen zusätzliche wasserstoff- und biogasbasierte Kraftwerke bereitstehen, um die Versorgung sicherzustellen. Experten gehen von einem potenziellen Defizit von 49 Gigawatt Leistung bis 2030 aus. 

„Die Kombination von wasserstoff- und biogasbasierten Reservekraftwerken könnte das maximale Stromdefizit einer sogenannten Dunkelflaute halbieren und die dabei anfallenden Kosten erheblich reduzieren“, sagte Prof. Dr.-Ing. Jürgen Karl, Leiter des FAU- Lehrstuhls für Energieverfahrenstechnik, im Rahmen einer gemeinsamen Pressekonferenz der FAU mit dem Fachverband Biogas e.V. 

Konkret kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass über eine Nachrüstung von Biogasanlagen mit Biogasspeichern in Kombination mit der Überbauung bestehender Blockheizkraftwerke bis 2030 rund 12 Gigawatt (GW) gesicherte Leistung zur Verfügung gestellt werden könnten. In Kombination mit Wasserstoffkraftwerken stünden damit insgesamt 25,9 GW Reserveleistung zur Verfügung. 

Die dafür notwendigen Investitionen in die Biogasbranche sind um den Faktor 1,9 bis 3,7 niedriger als bei wasserstoffbasierten Reservekraftwerken. Dies wirke sich auch auf die Stromgestehungskosten aus, erläuterte Prof. Karl. „Bei mit Wasserstoff betriebenen Kraftwerken ergeben sich laut unseren Berechnungen für das Jahr 2030 Stromgestehungskosten von ca. 49 bis 133 ct/kWhel, bei biogasbasierten Kraftwerken sind es 25 bis 44 ct/kWhel.“ 

Auch die Biogasaufbereitung mit anschließender Einspeisung von Biomethan ins Gasnetz oder die Methanisierung des CO2-Anteils von Biogas mit grünem Wasserstoff aus der Elektrolyse bieten große Potenziale, ergänzte Karl. 

Er wies zudem darauf hin, dass Biogasanlagen wesentlich zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen beitragen. Sein Fazit: „Wir dürfen die Chance Biogas nicht fahrlässig ungenutzt lassen. Wir müssen die Versorgungssicherheit garantieren und dafür alle vorhandenen Reserven nutzen.“ 

Der Präsident des Fachverbandes Biogas, Horst Seide, ergänzte im Rahmen der Pressekonferenz: „Biogasanlagen sind jetzt da, sie stehen sofort zur Verfügung, sie sind praxiserprobt und laufen einwandfrei. Eine Verdoppelung der bestehenden Biogas-Leistung von heute 6 auf 12 Gigawatt (GW) bis zum Jahr 2030 wäre problemlos möglich – ohne den Einsatz zusätzlicher Substrate.“ 

Dafür sei eine Erhöhung des Ausschreibungsvolumens auf 1.800 Megawatt (MW) pro Jahr sowie eine Anhebung des Flexibilitätszuschlags auf 120 Euro dringend notwendig, forderte der Verbandspräsident. Und er betonte die Dringlichkeit der Entscheidung. Aktuell gibt es in Deutschland noch knapp 10.000 Biogasanlagen, die flexibel Strom erzeugen können. Für viele dieser Anlagen endet in Kürze die EEG-Vergütung; sie brauchen jetzt eine Perspektive für den Weiterbetrieb. „Um diesen großen und wichtigen Kraftwerkspark zu erhalten, brauchen die Betreiber dringend zeitnahe Änderungen im EEG – in wenigen Jahren könnte es zu spät sein“, mahnte Seide. Denn wenn eine Biogasanlage den Betrieb erstmal eingestellt habe, sei sie nur schwer zu reaktivieren. 

Dies sei auch vor dem Hintergrund der regionalen Wärmeversorgung von großer Relevanz. Aktuell werden knapp 400.000 Haushalte in Deutschland – v.a. im ländlichen Raum – mit Biogaswärme versorgt, darüber hinaus hunderte Schulen, Schwimmbäder und Turnhallen. Wenn die Anlagen ihren Betrieb einstellen, brächen diese auch als Wärmequellen weg.   

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