Energie-Kommune des Monats: Insel Rügen
Im Juni 2011 wurde die Insel Rügen von der Agentur für Erneuerbare Energien (AEE) bereits zum ersten Mal als Energie-Kommune des Monats ausgezeichnet. Seitdem ist viel passiert. Kurz nach der Auszeichnung wurde der ehemalige Landkreis Rügen in den Landkreis Vorpommern-Rügen eingegliedert. Die 926 Quadratkilometer große Ostseeinsel mit einer lokalen Bevölkerung von rund 65.000 Menschen gehört nun gemeinsam mit der Hansestadt Stralsund sowie dem Stralsunder Umland der neuen Verwaltungseinheit an. Während der Coronapandemie litt die Insel unter einem starken Einbruch des Tourismus. Neue Windparks wurden auf und vor allem vor der Insel in Betrieb genommen und eine Energiegenossenschaft in Bürger*innenhand hat sich gegründet. Zudem ist die Insel Rügen als Teil des Landkreises Vorpommern-Rügen seit 2019 eine der HyLand-Wasserstoffregionen des Bundes. Im Jahr 2023 war Rügen aufgrund der Errichtung und Inbetriebnahme des LNG-Terminals Mukran medial präsent und wurde zum Ort von klimaaktivistischen Protesten mit globaler Beteiligung. Gerade in der örtlichen Zivilgesellschaft regte sich breiter Widerstand.
Ausbau der Windenergie
So schreitet der Ausbau von Offshore-Windparks vor der Küste Rügens voran: Nachdem 2017 bereits 70 Windenergieanlagen mit einer Leistung von 350 Megawatt im Windpark Wikinger in Betrieb genommen wurden, startete 2019 Arkona mit 60 Anlagen. Rund 19 Kilometer vor der Insel ging Ende 2023 auch der Park Arcadis Ost 1 ans Netz, der aus 27 Anlagen rund 257 Megawatt Strom produziert. Hiermit allein können rund 290.000 Haushalte mit Strom versorgt werden. Durch Offshore-Windenergie produziert Mecklenburg-Vorpommern doppelt so viel Energie aus Erneuerbaren Energien wie es verbraucht, so Ministerpräsidentin Manuela Schwesig beim Bürgerfest „AufWindTag“ in Königstuhl auf Rügen. Der Windpark Baltic Eagle, dessen Bau von 50 Turbinen mit einer Gesamtleistung von fast 500 Megawatt in diesem Jahr fertiggestellt wurde, komplettiert das Ausbauziel der Bundesrepublik Deutschland für 2024 und stellt den nächsten Schritt im Ausbau der Offshore-Windenergie vor Rügen, in Mecklenburg-Vorpommern und in ganz Deutschland dar. In den nächsten Jahren sollen weitere Schritte folgen: Mit weiteren 315 Megawatt soll der Windpark Windanker das sogenannte „Baltic Hub“ der Parks Wikinger und Baltic Eagle ergänzen. Die Inbetriebnahme ist für 2026 geplant. Zudem soll 40 Kilometer vor Rügen ab dem Jahr 2031 mit einer Kapazität von 1.000 Megawattstunden unter dem Projektnamen OstSeeEnergies weitere Windenergie produziert werden. Diese Projekte sollen langfristig die erneuerbare Energieversorgung Deutschlands sichern und für gut bezahlte Arbeitsplätze und wirtschaftlichen Aufschwung auf Rügen sorgen.
HyLand Rügen
Der Landkreis Vorpommern- Rügen ist seit 2019 als Projektregion Rügen-Stralsund zudem Teil der Initiative „HyLand – Wasserstoffregionen in Deutschland“. Im Anschluss wurde die Region als HyExpert gefördert und 2023 als HyPerformer ausgezeichnet. Nachdem in der ersten Phase HyStarter eine Potenziallandkarte erstellt wurde, wurden bei HyExpert Machbarkeitsstudien für die Häfen Stralsund und Rügen-Mukran, die landwirtschaftliche Nutzung von Wasserstoff im Landkreis und die Quartiersversorgung durch einen Elektrolyseur in Stralsund erstellt. Zuletzt hat die Projektregion in Zusammenarbeit mit der Nationalen Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NOW GmbH) die Nutzung des Wasserstoffs für die landwirtschaftliche und maritime Nutzung geprüft. Bis Anfang 2026 soll nun im Landkreis ein zentrales Wasserstoffhub aufgebaut werden, durch das auch das erste mit Wasserstoff betriebene Crew Transfer Vessel „Hydrocat 55“ im Hafen Mukran auf Rügen profitieren würde. Perspektivisch könnte das auf der Insel bereits existierende Gasnetz in Teilen lokal produzierten Wasserstoff transportieren, der in Blockheizkraftwerken (BHKW) und im Schwerlastverkehr wie in der Schifffahrt genutzt werden soll. Durch die HyLand-Initiative wurden auch Wasserstoffbusse gefördert, die in Zukunft gemeinsam mit Elektromobilität und Carsharing sowie Mitfahrangeboten zur Verkehrswende im Landkreis beitragen sollen. Am 29. Oktober 2024 wurden die ersten drei Wasserstoff-Busse in Sassnitz auf Rügen eingeweiht und im Anschluss in die Flotte der Verkehrsgesellschaft Vorpommern-Rügen integriert. Auch erste Elektrobusse sind auf Rügen unterwegs.
Gesellschaftliches Engagement
An den Projekten HyStarter und HyPerformer war auch die Energiegenossenschaft Energiewerk Rügen eG (EWR) beteiligt. Dirk Niehaus und Heike Balzer sind die engagierten Gründer*innen mit dem Ziel „von der Insel für die Insel“. Die Genossenschaft hat in Zusammenarbeit mit naturstrom einen lokalen Stromtarif namens „inselstrom Rügen“ ins Leben gerufen und eine eigene Photovoltaikanlage inklusive biologischer Bewirtschaftung und Schafbeweidung in Betrieb genommen. Der Solarpark Kluiser Dreieck hat eine Leistung von 3,58 Megawatt und versorgt so mit 3.900 Megawattstunden rund 1.300 Drei-Personen-Haushalte. Die Prüfung eines Transportkonzepts für die Wasserstoffabnahme aus der erzeugten Solar- und Windenergie im Rahmen von HyLand zeigt die vielseitigen Facetten des Projekts. Das langfristige Ziel ist auch hier eine lokale Produktion und Nutzung des grünen Wasserstoffs. Eine weitere Freiflächenphotovoltaikanlage mit biologischer Bewirtschaftung, die Ende 2025 realisiert werden soll, ist ebenfalls in Planung.
Darüber hinaus unterstützt die Genossenschaft Interessierte bei der Planung und Installation von PV-Anlagen auf Hotels, Vereinsgebäuden, Wohnheimen oder Werkstätten für Menschen mit Beeinträchtigungen. Kund*innen profitieren hier von einem günstigen Direktstromtarif und erhalten eine Gewinnbeteiligung. Der dezentrale Versorgungsansatz lässt sich auch in der Idee der „Inseldörfer“ erkennen. Pilotdorf ist das Gutsdorf Kartzitz auf dessen landwirtschaftlich genutzten Gebäuden Photovoltaikanlagen installiert sind, dessen Leistung schon jetzt bilanziell den Energieverbrauch des gesamten Dorfs übersteigt. Auch ein Niederspannungsnetz und ein Nahwärmenetz existieren bereits. Eine Hackschnitzelanlage aus Hackschnitzeln des Schwachholzbestands eines regionalen Forstes versorgt das Nahwärmenetz, welches wiederum kontinuierlich erweitert werden soll, um so in dem Dorf das Ziel autarker Strom- und Wärmeversorgung zu erreichen. In einem weiteren Positivbeispiel für nachhaltige Energieversorgung zeigt der Zweckverband Wasserversorgung und Abwasserbehandlung Rügen (ZWAR) mit seiner 2017 in Betrieb genommenen Klärschlammverwertungsanlage auf, wie aus Klärschlamm Klärgas entstehen kann, welches wiederum durch ein BHKW so viel Strom und Wärme erzeugt, dass die Kläranlage annähernd autark betrieben werden kann.
Die Energiegenossenschaft EWR eG ist außerdem ein gutes Beispiel dafür, wie auch zivilgesellschaftlich der Mehrwert von Erneuerbaren Energien erkannt wird. Mitgründer Dirk Niehaus ist der Auffassung: „Die Notwendigkeit an guten Beispielen für eine erfolgreiche Energiewende liegt auf der Hand. Aus meiner Sicht kann dies nur unter Einbindung der Menschen und Bürger gelingen. Die Energiewerk Rügen eG ist eine Bürgerenergiegenossenschaft, die sich genau das zum Ziel gemacht hat und kleine bis größere Projekten umsetzt und weiter umsetzen will.“ Das ehrenamtliche Engagement, das die Initiative seit der Gründung im Jahr 2019 trägt, präsentiert, dass Energiewende auch von unten möglich ist. Mit rund 100 Beteiligten im Umfeld der Energiewerks Rügen eG ist die Genossenschaft eine bekannte und geschätzte lokale Akteurin, die durch ihr Engagement für eine neue Beteiligungskultur sorgt. Durch Veranstaltungen, Gremienarbeit oder Arbeitskreisen zu regional diskutierten Themen wie Liquefied Natural Gas (LNG) beziehungsweise verflüssigtes Erdgas oder der Ausweisung von Windvorranggebieten sorgt die Energiegenossenschaft für Austausch, Sensibilisierung und Akzeptanz für Erneuerbare Energien in der Bevölkerung. Gerade in Zeiten von steigenden Mieten sowie Lebenshaltungskosten und damit verbundener Unzufriedenheit und Misstrauen, stellt die genossenschaftlich organisierte Initiative eine wichtige Akteurin dar. Ähnlich wie auch die Bürgerinitiative Lebenswertes Rügen setzt sich die Energiegenossenschaft für ein vielfältiges und breites Bündnis, das sich weit über die Grenzen der Insel Rügen hinaus vernetzt ist, für die Energiewende, gesellschaftlichen Zusammenhalt und demokratische Werte ein. Gründer und Vorstandsmitglied der Energiewerks Rügen eG Dirk Niehaus plädiert zugleich aber auch für die Notwendigkeit strategischer Partner*innen und finanzieller Mittel, um die Vision „von der Insel für die Insel“ weiter voranzubringen, die Energiewende umfänglich in die Hände der Bürger*innen bringen sowie gemeinsam weiteres Bewusstsein und Arbeitsplätze zu schaffen.
Robert Brandt, Geschäftsführer der Agentur für Erneuerbare Energien betont: „Neben den großen Windparks, die elementarer Teil der nationalen Versorgungsstrategie sind, zeigt die Insel Rügen, wie durch vielschichtiges Engagement und Sektorenkopplung die Energiewende vorangetrieben werden kann. Die lokalen Akteure fördern durch ihr Engagement Akzeptanz und Beteiligung und damit direkt die Erneuerbaren Energien.“ Nur mit Klimaneutralität, der Erhaltung von Biodiversität und nachhaltigen Strategien kann die beeindruckende Landschaft Rügens weiterhin in dieser Form erhalten bleiben. Inseln wie Rügen sind auf den Umstieg auf Erneuerbare Energien angewiesen, um auch langfristig vom Tourismus zu profitieren.
Die Auszeichnung zur Energie-Kommune des Monats steht unter der Schirmherrschaft des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz.
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