Energie-Kommune des Monats: Fuchstal
Eine gute Autostunde süd-westlich von München befindet sich die mit 4.000 Einwohner*innen eher beschauliche Kommune Fuchstal. Der Ort versprüht jedoch nicht nur ländliches Flair, sondern investiert auch kräftig in die kommunale Energiewende. Unter dem Bürgermeister Erwin Karg, der zuletzt 2020 im Amt bestätigt wurde, hat die Verwaltung den Ausbau der Erneuerbaren Energien massiv gefördert. Heute stellt die Kommune nachhaltigen Strom aus Sonne, Wind und Biogas zur Verfügung. Eine Entwicklung, die zwar erst erkämpft werden musste, die sich aber heute nicht nur in finanzieller Hinsicht für Bürger*innen und Kommune gleichermaßen auszahlt. Mit weiteren Investitionen in neue Projekte - wie einem neuen Windpark oder dem Sektorenkopplungsprojekt „Energiezukunft Fuchstal“ - festigt die Kommune ihren Klimakurs weiter. Durch diese und weitere Maßnahmen will sie bis 2024 zum Energie-Selbstversorger sowohl im Strom- als auch im Wärmesektor werden.
Kommunalverwaltung überzeugt die eigenen Bürger*innen
2022 ist Fuchstal ein Vorreiter, was den Ausbau der Erneuerbaren Energien insbesondere in Bayern angeht. Das war nicht immer so. So musste sich der Bürgermeister der Kommune zunächst gegen eine laute Minderheit unter den Bürger*innen durchsetzen. „Die Gegner*innen der Energiewende waren wesentlich lauter, aber das habe ich zu ignorieren versucht, da wir meiner Meinung nach den richtigen Weg eingeschlagen haben“, erinnert sich Karg. Rückblickend sollte er Recht behalten. Mittels einer klaren Linie wurden in der Gemeinde Fakten geschafft und die Abhängigkeit von fossilen Energien minimiert. Zugleich wurde die kommunale Finanzlage durch Einnahmen aus den Erneuerbaren Energien-Anlagen deutlich aufgebessert. So generierte Einnahmen können in der Gemeinde reinvestiert werden und gleichen so die vergleichsweise niedrigen kommunalen Steuereinnahmen aus. Vor allem dieser Aspekt führte dazu, dass heute die Mehrheit der Bürger*innen die Vorhaben ihres Bürgermeisters unterstützt. Die Unterstützung ist auch notwendig, damit auch in Zukunft innovative Projekte angestoßen werden können.
Bereits heute sprechen die Zahlen für sich: Aktuell werden in der Kommune ungefähr 40 Millionen Kilowattstunden (kWh) nachhaltiger Strom pro Jahr erzeugt. Sie ist damit in der Lage, den eigenen Stromverbrauch aller Einwohner*innen, von circa 30 Millionen kWh pro Jahr zu decken. Durch den weiteren Ausbau der Dach-Solar- sowie Windenergie sollen die Erzeugungskapazitäten innerhalb der nächsten Jahre nochmals deutlich gesteigert werden.
Mit Sonne, Bioenergie und Wind zur Energiewende
Schon heute ist die Kommune breit aufgestellt, wenn es um die Erzeugung von nachhaltigem Strom geht. Eine kommunale Photovoltaik-Freiflächenanlage erzeugt jährlich circa zwei Millionen kWh nachhaltigen Strom. Die Einnahmen aus dem Verkauf kommen wiederum vollständig der Kommune, welche die Anlage in Zusammenarbeit mit einem lokalen Ingenieurbüro umgesetzt hat, und ihren Bürger*innen zugute. Weitere sechs Millionen kWh Strom werden pro Jahr durch die Biogasanlage Fuchstal CO2-neutral bereitgestellt.
Der mit Abstand größte Anteil an nachhaltigem Strom wird aber im Windpark Fuchstal erzeugt. Dort werden im Jahr über 24 Millionen kWh Strom ins Netz eingespeist. Der im Süden des Gemeindegebiets gelegene Park Nahe dem Ortsteil Leeder besteht aus vier Enercon-Anlagen mit einer Gesamtleistung von insgesamt zwölf Megawatt (MW). Neben der Beteiligung von über 100 hauptsächlich ortsansässigen Kommanditisten ist auch in diesem Projekt die Gemeinde Fuchstal maßgeblicher Anteilseigner. Erwirtschaftete Gewinne können in der Kommune sinnvoll verwendet werden und kommen dadurch wirklich allen Bürger*innen Fuchstals zugute. Eben auch denen, die ansonsten nicht die finanziellen Möglichkeiten hätten, sich zu beteiligen. Nachdem die Anlagen 2016 in Betrieb genommen worden sind, sollen sie mindesten 20 Jahre lang Strom produzieren und darüber hinaus bei Fortbestehen der Wirtschaftlichkeit weiterbetrieben oder Repowered werden.
Der Bau eines weiteren Windparks im Sachsenrieder Forst im Süden der Kommune soll in diesem Herbst starten. Mit fast drei Millionen Euro ist die Gemeinde erneut maßgeblich am Bau und der Finanzierung des Windparks und damit auch den zukünftigen Gewinnen beteiligt. Die neuen Enercon-Anlagen haben zusammen eine Gesamtleistung von über 15 MW. Nach der planmäßigen Inbetriebnahme des Parks im Spätherbst 2023 werden in der Gemeinde jährlich insgesamt 65 Millionen kWh nachhaltiger Strom produziert. Zieht man den aktuellen jährlichen Strombedarf der Kommune ab, wäre rein rechnerisch noch genügend nachhaltiger Strom zur Elektrifizierung des kompletten Verkehrssektors vorhanden. Dafür veranschlagt die Gemeinde bis zu sechs Millionen kWh pro Jahr.
Weitere 29 Millionen kWh Energie müssen für die Wärmeversorgung aufgebracht werden. Die Gemeinde will in Zukunft auf den Ausbau von privaten Photovoltaik-Dachanlagen setzen. Da in diesem Bereich weiterhin ein Ausbaupotenzial zur Erzeugung von acht Millionen kWh im Jahr besteht. Gemeinsam mit einer stärkeren Verschränkung der Sektoren Wärme und Strom will die Kommune die angestrebte Energieautarkie erreichen.
Durch Sektorenkopplung zur Wärmewende: Energiezukunft Fuchstal
Auf einem Feld zwischen den Ortsteilen Asch und Leeder entsteht im Moment auf einer Fläche, die gerade mal halb so groß ist wie ein Fußballplatz, die neue Schaltzentrale der zukünftigen kommunalen Energie- und Wärmeversorgung im Rahmen des Projektes „Energiezukunft Fuchstal“.
Ziel des vom Bund mit knapp sechs Millionen Euro geförderten Projektes ist die Stärkung der kommunalen Energieressourcen mittels Sektporenkopplung und der Speicherung von ansonsten ungenutztem Strom. Damit ist das Projekt ein zentraler Baustein für die energetische Unabhängigkeit der Kommune bei Wärme und Strom. Gleichzeitig kann die Kommune ihren größten Vorteil ausspielen: Die Fülle der bereits vorhandenen nachhaltigen Energiequellen ermöglicht Flexibilität. Indem einzelne Energieerzeuger miteinander gekoppelt und Speichermöglichkeiten für Strom und Wärme geschaffen werden, wird der Betrieb aller Komponenten wirtschaftlich sowie energetisch optimiert. Konkret bedeutet das, dass Abwärme der Biogasanlage, die an warmen Tagen ungenutzt verpufft, gespeichert und dem kommunalen Wärmenetz bei Bedarf zugeführt werden kann. Gleiches gilt für Strom der Windenergieanlagen, der in Zeiten niedriger Nachfrage nicht wirtschaftlich vermarktet werden kann. Dieser wird zur Herstellung von Wärmeenergie mittels einer Power-to-Heat-Anlage genutzt bzw. kann in einem neu angeschafften Batteriespeicher von der Größe eines Schiffscontainers (5,8 MW) gelagert und bei Bedarf zu späterem Zeitpunkt wieder in das Netz eingespeist werden. Dadurch ist die Kommune kurzzeitig in der Lage, das kommunale Netz in Zeiten geringer Produktion zu stabilisieren, bis der Strom wieder fließt. Ein weiterer wichtiger Baustein für die energetische Autarkie Fuchstals.
Nachdem die Installation der notwendigen Infrastruktur bereits abgeschlossen ist, befindet sich das Projekt im Moment in der Testlaufphase. Geplant ist die vollständige Integration des Warmwasser-Wärmespeichers mit einem Volumen von 5.000 Kubikmetern in das kommunale Wärmenetz bis zum nächsten Winter. „Nach der Fertigstellung des Projektes wird der Wärmespeicher mit Negativstrom, das heißt ansonsten ungenutztem Strom, über eine Power-to-Heat-Anlage aufgeheizt und stützt dadurch unser Wärmenetz“, fasst Erwin Karg zusammen. „Wir nutzen also Abfallstrom zur Stabilisierung unseres Wärmenetzes“. Bis zu 400 Grundstücke können an das aktuell 130 Grundstücke umfassende Wärmenetz angeschlossen und mit nachhaltiger Wärme versorgt werden. Schon vor der Fertigstellung hat „Energiezukunft Fuchstal“ über die Grenzen der Kommune hinaus Aufmerksamkeit erregt. Vertreter zahlreicher Städte und Gemeinden haben das Projekt bereits besichtigt, um sich von Fuchstal etwas abzuschauen.
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