Energie-Kommune des Monats: Stadt Amöneburg

In Erfurtshausen, dem kleinsten Stadtteil von Amöneburg (Landkreis Marburg-Biedenkopf), leben rund 600 Menschen. Gemeinsam hat die engagierte Dorfgemeinschaft das Ziel, bis 2020 auf Erdöl für die Wärmeversorgung zu verzichten. Um dieses Ziel zu erreichen, setzt die Mehrheit der Erfurtshausener heute schon auf Wärme aus nachwachsenden Rohstoffen. Rund 70 Prozent der Haushalte sind bereits an das Nahwärmenetz angeschlossen. Die Wärme stammt zu einen Teil aus einer nahe gelegenen Biogasanlage mit Blockheizkraftwerk, das für die Grundlast sorgt. Zum anderen laufen im Winter zusätzlich noch zwei Hackschnitzelheizungen mit einer Leistung von je 440 Kilowatt, die Material aus der hiesigen Landschaftspflege verwenden. Durch diese Kombination ist auch zu Spitzenlastzeiten kein fossil betriebener Spitzenlastkessel notwendig. So gewinnt Erfurtshausen Wärme zu 100 Prozent aus Erneuerbaren Energien, erzeugt 3.100.000 Kilowattstunden erneuerbare Wärme  und spart damit 300.000 bis 350.000 Liter Heizöl pro Jahr ein.

Nahwärmenetz und Glasfaserkabel gleichzeitig verlegt

Das seit 2013 bestehende Nahwärmenetz hat dem Ortsteil noch einen weiteren großen Vorteil gebracht: Während des Baues des sechs Kilometer langen Netzes wurden gleichzeitig Leerrohre für Glasfaserkabel verlegt. Über das Glasfasernetz werden seit November 2014 alle Hausübergabestationen mit der übergeordneten Steuerung des Nahwärmenetzes verbunden. Primäres Ziel ist die Effizienzsteigerung der Netzsteuerung. Der „Nebeneffekt“ ist, dass vor Ort nun die Voraussetzungen für schnelles Internet gegeben sind.

Wärmewende mit Bioenergie in Erfurtshausen 

Ausgangspunkt für die Wärmewende in Erfurtshausen war die Teilnahme des Ortes am Dorferneuerungsprogramm, einem Förderprogramm des Landes Hessen. In diesem Rahmen entstand 2011 eine Machbarkeitsstudie für eine Nahwärmeversorgung, welche die Gemeinde Amöneburg mithilfe von Finanzmitteln aus dem Programm beauftragen konnte. Die Ergebnispräsentation während einer Bürgerversammlung ermutigte eine Gruppe von engagierten Bürgerinnen und Bürgern, sich Gedanken um die Umsetzung zu machen. Denn: Die Machbarkeitsstudie stellte fest, dass der Anschluss der Wohn- und Geschäftshäuser an ein Nahwärmenetz, mit der Lieferung der Grundlast aus einer bestehenden Biogasanlage, wirtschaftlich sinnvoll ist. Der Erfurtshausener Bernd Riehl erinnert sich: „Die bestehende Biogasanlage brachte die Wärmewende in Erfurtshausen ins Rollen.“ Sie steht in rund 500 Metern Entfernung zum Ortsrand auf einem landwirtschaftlichen Betrieb, der rund 250 Milchkühe hält.

Am Ende der Informationsveranstaltung für die Bürgerschaft stand dann die Frage: Wer nimmt die Realisierung in die Hand? Bernd Riehl schloss sich mit weiteren Bürgern zusammen. Gemeinsam trugen sie Informationen zusammen und besuchten andere Gemeinden wie z.B. Wächtersbach (Energie-Kommune aus dem Jahr 2009) http://www.kommunal-erneuerbar.de/de/energie-kommunen/energie-kommunen/waechtersbach.html , um praktische Erfahrungswerte anderer kennenzulernen. Unterstützung kam auch von der Gemeinde Amöneburg, die Flächen für das Netz zur Verfügung stellte und gegenüber der KfW-Bank als Bürger auftrat, um bessere Kreditkonditionen zu erreichen.


Im August 2012 gründeten die Bürger schließlich eine Energiegenossenschaft, der Bernd Riehl seitdem vorsteht. Die Energiegenossenschaft hat die Planungen und Errichtung des Nahwärmenetzes übernommen. Schon im Herbst 2012 schrieb sie das Wärmenetz und die Hackschnitzelheizungen aus, seit 2013 ist das Netz nun in Betrieb. Mittlerweile gibt es 115 Anschlüsse, die 122 Gebäude und damit 150 Haushalte versorgen. „Während der Planung von Netz und Anlagen fanden immer wieder Informationsveranstaltungen für die Bürgerschaft statt, um über den aktuellen Stand der Entwicklungen zu informieren“, so Riehl. Die Bewohner, die sich für den Anschluss an das Wärmenetz interessierten und Mitglieder der Genossenschaft sind, trafen dann gemeinsam auch die Entscheidung, das Heizsystem ohne einen fossil betriebenen Spitzenlastkessel aufzubauen. Bei der Auswahl der Hackschnitzelheizungen wurde sich bewusst für Anlagen entschieden, die Material aus der Landschaftspflege nutzen, um die benötigte Biomasse aus der nahen Umgebung beziehen zu können. Die Hackschnitzelanlagen sind für die Spitzenlast im Einsatz und bleiben im Sommer abgeschaltet. Dann kommt die Grundlastversorgung von der Biogasanlage. Deren Betreiber profitieren von den Wärmekunden in direkter Umgebung. Sie bekommen im Rahmen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes für rund zwei Millionen Kilowattstunden Energie einen Kraft-Wärme-Kopplungsbonus.

Seit dem Start des Regelbetriebes am 10. Januar 2014 hat der Betrieb bisher auch noch einen weiteren Vorteil ergeben: Weil die Hausübergabestationen mit Hocheffizienzpumpen arbeiten, sparen die Wärmekunden deutlich Strom ein.


Heute hat die Genossenschaft 111 Mitglieder mit 114 Geschäftsanteilen und ein Großteil der (fast die gesamte) Ortslage wird mit Wärme versorgt. In Zukunft sollen weiteren Anschlüsse Schritt für Schritt dazu kommen, 2016 zum Beispiel fünf neue. Die Energiegenossenschaft plant ebenfalls, auf der Nahwärmezentrale eine Photovoltaikanlage für die Eigenstromerzeugung zu errichten.